Abbrecher-Quote steigt: Jeder Dritte Lehrling löst seinen Ausbildungsvertrag vorzeitig

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HALLE. Die Ausbildung beginnt mit großen Erwartungen und Hoffnungen. Doch nach kurzer Zeit hört der Azubi auf. Die Gründe sind verschieden.

Sie haben sich den Beruf anders vorgestellt oder sind mit dem Ausbilder unzufrieden: Jeder dritte Auszubildende in Sachsen-Anhalt hat 2012 seinen Lehrvertrag vorzeitig gelöst. Das teilten die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Halle mit. Die sogenannte Lösungsquote sei im Vergleich zum Vorjahr von 31,0 auf 31,9 Prozent gestiegen.

Doch nicht jeder vorzeitig beendete Vertrag bedeute, dass der Jugendliche danach zu Hause sitze, sagte die IHK-Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung, Simone Danek. Oft gäben die Betroffenen die Lehrstelle auf, weil sie in eine andere wechseln wollen. Teilweise müsse auch nur der Vertrag gelöst werden, weil sich der Firmenname geändert habe.

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Zu den Gründen für den vorzeitigen Abgang aus einem Vertrag gehören vor allem falsche Vorstellungen vom Beruf, erklärte der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, Kay Senius. Unter anderem müsse an Schulen daher mehr in die Berufsorientierung investiert werden – spezielle Unterrichtsfächer könnten eingerichtet werden. Ein angehender Koch müsse etwa schon vorher wissen, dass zu seinem künftigen Job auch das Gemüseputzen und lange Arbeitszeiten gehörten, ergänzte Danek.

Oft beklagten Unternehmen aber auch eine fehlende Ausbildungsreife bei den Neulingen, sagte Senius. Dann brauche es sogenannte einstiegsqualifizierende Maßnahmen. Das bedeute, der Jugendliche beginne die Lehrstelle, bekomme aber besondere Zuwendung seitens der Ausbilder. Bei einer vorzeitigen Lösung entstünden nicht unerhebliche Kosten für den Betrieb, sagte Senius. Zudem verschärfe sich das Problem angesichts der sinkenden Zahlen der Auszubildenden immer mehr. dpa

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jenny
9 Jahre zuvor

ich muss hier mal endeutig Kritik zum Ausbildungswesen anbringen, ich habe mir die Mühe gemacht weltweit Bildungsgänge zu vergleichen miteinander bzw. mich mit den Bildungssystemen auseinandergesetzt.

Die Hohe Abbruchquote kommt v.a. in Berufen, wo die Firmen nicht gerade zimperlich mit den Jugendlichen bis Jungen Erwachsenen umgehen, es sind immer dieselben Branchen, die hier negativ in Erscheinung treten.

Ein anderer Grund ist die mangelnde Berufswahlfreiheit in DE, auch aufgrund des zu geringen Ausbildungsangebots, in den meisten Regionen gibt es zu wenig Ausbildungsplätze UND zu einseitige! Es wird tw. ein nur beengtes Spektrum angeboten und den Jugendlichen wird dann einfach gesagt „ja, dann nehm doch einfach einen Beruf den Du gar nicht willst“

was ist das für eine art? Kein Wunder, das die dann abbrechen, wenn sie einfach irgendwas aus dem limitierten Angebot nehmen solllen. Irgendwas

ich bin schon lange dafür, dass DE endlich sein Bildungswesen reformiert, es sollten zur betrieblichen Ausbildung statt Warteschleifen JEDEM – auch dem Hauptschüler – ein echtes Ausbildungsangebot unterbreitet werden – schulbasiert mit Pratika als Alternative

und wer hier nun rummosert: Das macht man überall so, das es schulische Alternativen gibt. Sogar in Ländern mit dualen System wie Österreich und Dänemark gibt es mehr davon

in Dänemark z.B. lernen die mit denen direkt zusammen die einen Betrieb haben in derselben klasse, erhalten aber bei fehlendem Betrieb Praktika und haben etwas mehr Schulunterricht, wo auch die Wissenslücken oder Schulprobleme intensiver angegangen werden können.

außerdem bestünde so mehr Berufswahlfreiheit beim Unterangebot von Ausbildungsplätzen. Es gab mal dazu vom BVerfG eine Stellungnahme, wonach mind. 12% mehr Plätze als Bewerber vorhanden sein müssten, um der Berufswahlfreiheit zu genügen – das ist nicht erreicht in DE.

Wir diskutieren „fehlende Ausbildungsreife und oft ist auch die Allgemeinbildung gemeint, die fehlt“ : gleichzeitig will man aber keinen weiteren Berufsschultag, um Lücken auszugleichen, eher noch verlangen viele Deutsche, der Meister/Chef/Arbeitgeber kann sich doch mit dem hinsetzen und Nachhilfe in der Firma machen – klar, der kann ja seine Produktion dafür herunterfahren.

Mein Onkel hat selbst eine Firma – die meisten Azubis sind über 20, mind. Realschule und bei dem bewerben sich mehr als genug — Problembranchen mit Abbrechern sind oft die Lehrlingszüchter, die billige Arbeitskräfte wollen und Jugendliche die keine volle Berufswahlfreiheit haben.

dickebank
9 Jahre zuvor

Das Auszubildende keine Wahlfreiheit hätten ist einfach nicht wahr. Wie Sie schon schreiben, die meisten Azubis sind volljährig. Warum kriegen die nicht ihren Allerwertesten hoch und ziehen in eine Region, wo in ihren Wunschberuf ausgebildet wird? Wer wartet, dass die passende Arbeit zu ihm kommt macht etwas verkehrt. Da bleibt dann nichts anderes über als sich auf „second best“ zu stürzen.

PS Selbst für minderjährige (16- und 17-jährige) Auszubildende gibt es Möglichkeiten der Unterbringung und Betreuung außerhalb der Familien. Zwar haben die Betriebe keine Lehrlingsheime mehr, aber es gibt immer noch die Möglichkeiten, die ein Herr A. Kolping bereits im vorletzten Jahrhundert geschaffen hat.

Ich verstehe nicht warum es dem 17-jährigen G(achter) zuzumuten ist, einen Studienplatz am anderen Ende der Republik anzunehmen, während Azubis der Allerwerteste nachgetragen werden soll.

Dass die hohe Zahl der Abbrecher auf bestimmte Branchen fällt, da gebe ich ihnen recht. Dass die IHK und HK echte Abführmittel sind, die vieles für die Betriebe tun, aber so gut wie nichts für die Auszubildenden, macht die Sache nicht leichter. Es wäre vielleicht eine gute Idee die Kammerbindungen des Mittelalters und der NS-Zeit im Orcus zu versenken.

Jenny
9 Jahre zuvor

Ich bezweifel, dass es in den entsprechenden Regionen den Wunschberuf gibt. Nehmen wir das Bsp. Pflege.

Hessen musste eine Ausbildungsumlage einführen, weil zu wenig ausgebildet wurde. Guckt man in den Bildungsbericht 2014, so müssten bundesweit ca. 10% mehr Pflegeplätze zur Vfg. stehen.

Außerdem haben sich zu viele Betriebe aus der Ausbildung zurückgezogen. Betrachten sie mal bitte, wo die meisten Ausbildungsplätze angeboten werden, was die Top 10 Berufe sind hängt auch vom Angebot ab. Und betrachten sie mal welche Betriebe viele Ausbildungsplätze zur Vfg. stellen. Das sind in manchen Regionen doch v.a. sowas wie Gastronomie, Einzelhandel, aber es fehlft of an den Ausbildungsplätzen in anderen Branchen.

Die Ausbildungsvergütung reicht nicht für teure Wohnorte wie München, dort findet man nicht mal mehr gennug Erzieher wg. den hohen Mieten – da müsste folglich der Staat Wohngelder zahlen.

und dann zu den Minderjährigen. Ich halte es für unverantwortlich Minderjährige weit entfernt von den Eltern leben zu lassen, sofern es überhaupt noch minderjährige Azubis gibt, in DE sind es meistens Erwachsene.

Warum? Ich hab mal Krannkenschwester gelernt und wir hatten viele junge, naive Mädchen aus Mecklenburg-Vorpommerns ländlicher Region. Es gelang nachher einen Zuhälter aus dem Rotlichtmilieu einige drogensüchtig zu machen und einige landeten auf dem Hamburger Strich – sogar die Kripo kam nachher und hielt in der Pflegeschule einen Vortrag, um das Problem zu regeln.

ich denke, man benötigt schon eine gewisse Reife, um auf sich alleingestellt woanders zu leben. Diese ca. 18jährigen Mädchen hatten diese wohl nicht, da fehlte die elterliche Nähe. Das ist natürlich immer individuell sehr verschieden und hängt an der Einzelperson.

zu den 17jährigen Studenten: dort kommen die Eltern ständig mit und müssen alles unterschreiben. Sehr gut sieht man an den Diskussionen wie DE mit zweierlei Maß misst. Während die 17jährigen an den Hochschulen bemitleidet und betüttert werden, erwartet man, dass ein 15jähriger Hauptschüler gefälligst früh Vollzeit arbeiten soll und in Lehre soll. Voll nicht mehr zeitgemäß.

bei dem Kammersystem bin ich ABSOLUT mit ihnen einer Meinung. Diese blockieren sogar die Weiterbildung – vor allem nicht konsekutive Weiterbildung/Umschulung muss in DE leichter werden. Das wird durch das Kammersystem so gut wie unmöglich gemacht. Man darf Leute auf keinen Fall in einem Beruf regelrecht einsperren, sondern das muss dringend flexibler werden. Das ist auch ein Nachteil verursacht durch das Kammersystem.

Jenny
9 Jahre zuvor

bei der Pflege gibt es mehr Interessenten als Ausbildungsplätze. Seit den 1990ern wurden diese in meinem Bundesland sogar reduziert als Altenheime privatisiert wurden – so war mein Kommentarhinweis zur Pflege gemeint.

Aber generell gibt es eben zu wenig Auswahl für Junge Leute.

und qualitative Defizite in vielen Bereichen.

Jenny
9 Jahre zuvor

DE bildet zu viel in Branchen wie Einzelhandel aus. Das sind fast die Hauptausbildungsplatzsteller. In vielen wichtigen Berufen gibt es viel zu wenig Plätze.