Der „ICILS-Schreck“: Deutsche Schüler bei Computer-Kompetenzen international nur im Mittelfeld

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Zum aktuellen Bericht: ICILS-Ergebnisse: Lehrerverbände kritisieren fehlende Unterstützung durch die Länder

BERLIN. Deutsche Achtklässler liegen im internationalen Vergleich bei den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen nur im Mittelfeld – vergleichbar mit Russland und damit deutlich von der Spitze entfernt. Die Bundesrepublik belegt unter den 21 Bildungssystemen, die in die Studie ICILS (International Computer- and Information Literacy Study) einbezogen waren, lediglich Platz 11. Die vorderen Plätze nehmen die Tschechische Republik, die kanadische Provinz Ottawa sowie Australien ein. Hinten rangieren Thailand und die Türkei.

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Rund 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland erreichen nur die unteren beiden Kompetenzstufen. „Diese Schülergruppe wird es voraussichtlich schwer haben, erfolgreich am privaten, beruflichen sowie gesellschaftlichen Leben des 21. Jahrhunderts teilzuhaben“, so heißt es in dem Bericht. Der Anteil der leistungsstarken Schüler ist hingegen nicht groß. Nur 1,5 Prozent der Jugendlichen in Deutschland erreichen hingegen die höchste Kompetenzstufe V.

„Die Ergebnisse machen deutlich, dass die weit verbreitete Annahme, Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft“, so schreiben die Autoren des deutschen Teils der Studie, ein wissenschaftliches Konsortium unter Leitung der Bildungsforscher Wilfried Bos (Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund) und Birgit Eickelmann (Universität Paderborn). In Deutschland hatten 2.225 Schüler sowie 1.386 Lehrkräfte an ICILS teilgenommen, die aus 142 Schulen repräsentativ ausgewählt worden waren. Auf internationaler Ebene ist die International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) verantwortlich für die Organisation von ICILS.

„Durch internationale Vergleichsstudien wie PISA, TIMSS und IGLU ist das Bild über die Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern in Deutschland immer genauer geworden. Uns war es wichtig, dass Bildungsforscher nun auch den wichtigen Bereich der Digitalisierung detaillierter untersuchen. Ich wünsche mir, dass die ICILS-Studie den Ländern Impulse gibt, damit es an den Schulen zu dringend notwendigen Veränderungen und Verbesserungen kommt“, sagte die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, Cornelia Quennet-Thielen.

Während nach der ICILS-Studie die Ausstattung der Schulen im internationalen Durchschnitt liege, würden die neuen Medien im Unterricht zu selten genutzt. „Ein Schlüssel für den Erfolg wird es sein, die Lehrerinnen und Lehrer für Computer- und Informationstechnologien zu gewinnen“, sagte Quennet-Thielen. „Dazu unterstützt der Bund die Länder mit der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, für die er in den kommenden zehn Jahren bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Von dieser Initiative erhoffe ich mir einen Innovationsschub auch beim Einsatz digitaler Medien.“ Ihr Haus unterstütze den Rat der Autoren der Studie, Maßnahmen zur individuellen Förderung sowohl der leistungsstarken als auch der leistungsschwächeren Kinder weiter auszubauen.

Weitere Ergebnisse der Studie:

  • Die Leistungen fast eines Viertels (24.0%) der Achtklässler in Deutschland entsprechen der Kompetenzstufe IV. Diese Schüler sind in der Lage, eigenständig Informationen zu ermitteln und zu organisieren sowie selbstständig Dokumente und Informationsprodukte zu erzeugen.
  • Der größte Anteil der Schüler in der achten Jahrgangsstufe in Deutschland lässt sich auf der Kompetenzstufe III verorten (45.3%). Diese Jugendlichen sind in der Lage, unter Anleitung Informationen zu ermitteln, Dokumente mit Hilfestellungen zu bearbeiten und einfache Informationsprodukte zu erstellen.
  • Gymnasiasten der achten Jahrgangsstufe in Deutschland erreichen im Schnitt ein deutlich höheres Niveau computer- und informationsbezogener Kompetenzen als Schüler anderer Schulformen.
  • Das mittlere Kompetenzniveau von Jungen liegt statistisch signifikant hinter dem der Mädchen zurück.
  • Es ergeben sich laut Bericht deutliche Hinweise auf Entwicklungspotenziale bezüglich der Ausstattung der Schulen mit modernen und unterrichtsnahen Technologien, Bedarfe an Unterstützungssystemen im Bereich des technischen und pädagogischen Supports von Lehrkräften sowie an Fortbildungsangeboten und -maßnahmen für Lehrpersonen.
  • Schüler in der Tschechischen Republik (553 Punkte), in Kanada (Ontario; 547 Punkte), Australien und Dänemark (jeweils 542 Punkte), in Polen und Norwegen (jeweils 537 Punkte), in der Republik Korea (536 Punkte) sowie in den Niederlanden (535 Punkte) erreichen ein signifikant höheres Leistungsniveau als Schülerinnen und Schüler in Deutschland.
  • Die Leistungsmittelwerte der Schweiz (526 Punkte), des EU-Schnitts (525 Punkte), der Slowakischen Republik (517 Punkte), der Russischen Föderation (516 Punkte) sowie Hongkongs (509 Punkte) unterscheiden sich nicht signifikant vom Mittelwert in Deutschland.
  • In deutschen Schulen beträgt das Schüler-Computer-Verhältnis 11.5 zu 1 und somit im Bereich des Mittelwerts der an ICILS 2013 teilnehmenden EU-Staaten (11.6 zu 1) liegt.  Allerdings fällt das Schüler-Computer-Verhältnis in anderen Ländern, zum Beispiel in Norwegen, deutlich günstiger aus (2.4 zu 1).
  • Nur 6.5 Prozent der Achtklässler in Deutschland besuchen eine Schule, in der Tablets für den Unterricht oder das Lernen in der achten Jahrgangsstufe zur Verfügung stehen. Dieser Anteil ist geringer als der entsprechende Anteil in der Vergleichsgruppe EU (15.9%) sowie in ausgewählten anderen Ländern, wie in Australien, wo für 63.6 Prozent der Achtklässler Tablets verfügbar sind.
  • Fast die Hälfte der Lehrpersonen in Deutschland, die in der achten Jahrgangsstufe unterrichten, gibt an, dass ein unzureichender Internetzugang (zum Beispiel eine sehr langsame oder instabile Verbindung) den Computereinsatz im Unterricht einschränkt
  • (45.5%). Fast ebenso viele meinen, dass die Computer an der Schule veraltet seien (43.1%) und keine ausreichende Ausstattung mit neuen Technologien vorhanden sei (42.2%).
    Computerräume sind in Deutschland das am weitesten verbreitete Konzept der Bereitstellung von schuleigenen PCs: Alle Achtklässler geben an, dass sie eine Schule besuchen, in der ein Computerraum vorhanden ist.
  • Computer in den Klassenzimmern sind in deutlich geringerem Maße verbreitet: In Deutschland besucht weniger als ein Fünftel (17.2%) der Achtklässler eine Schule, an der sich in den meisten (über 80%) Klassenräumen Computer befinden. Damit ist das Standortkonzept Klassenraum in Deutschland seltener als im internationalen Vergleich bzw. im Vergleich zu den ICILS 2013-Teilnehmerländern der EU (32.7% bzw. 34.0%) verbreitet. News4teachers

Zum Bericht: Bildungsstudie zur Computernutzung: Kommt nach dem PISA-Schock jetzt der „ICILS-Schreck“?

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11 Kommentare
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alexander
9 Jahre zuvor

… aha, mal wieder so eine Studie…

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  alexander

Das war PISA auch. Die Konsequenzen waren hingegen nicht nur „aha, mal wieder“.

Allerdings sind die erforderlichen Investitionen erheblich höher als bei PISA und wegen des technischen Fortschritts auch dauerhaft erforderlich. Außerdem lassen sie sich nicht wie die GTR in NRW per Erlass auf die Eltern abwälzen.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Direkt nicht – aber indirekt, als Zahler städtischer Abgaben und Gebühren zahlen die Eltern das ebenfalls.

Wer es immer noch nicht „gerallt“ hat, es geht mit nichten um die Anschaffungskosten der Hardware. Kostenintensiv ist die Bereitstellung und Administration der schulischen Netzwerke einschließlich der Vorhaltung, Wartung und Pflege der Server – von denen jede Schule in NRW mindestens zwei braucht, da personenbezogene und sonstige Daten, auf die die Lernenden Zugriff haben, getrennt von einander abgelegt werden müssen.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Indirekte Finanzierung über Steuern und Abgaben stimmt natürlich …

Die Administration übernimmt häufig ein Lehrer für (wenige) Entlastungsstunden oder A14 statt A13. Für „das Große“ schließt die Kommune einen Administrationsvertrag für alle Systeme mit einer Fremdfirma ab. Ob die die Programme zeitnah – sprich mindestens monatlich – aktualisiert, steht in den Sternen.

Fazit: Große Schulen oder Schulzentren bräuchten eigentlich einen hauptamtlichen Systemadministrator in Vollzeit. Da der unbezahlbar ist oder die Kommune ihn aus Spargründen dafür hält, wurden Alternativen gefunden.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ein Lehrer wird maximal A12 besoldet, Inhaber einer Funktions- oder Leitungsstelle bekommen als Lehrer im Übergangsamt A13.

Die A14 besoldete Stelle ist also nicht der regelfall und kommt nur an Gymnasien oder Gesamtschulen vor – zumindest in NRW

PS Ein tarifbeschäftigter Lehrer mit Lehrberechtigung für die SekII hat allenfalls E14.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@ Dickebank: Die von mir genannten Besoldungsklassen bezog ich auf das Gymnasium. A14 für Netzwerkadministration könnte ich mir durchaus als potenzielle Funktionsstelle vorstellen. Dass das unheimlich viel Arbeit für nur unwesentlich mehr Einkommen bedeutet, ist mir vollkommen klar.

Bei Realschulen wäre es möglicherweise A13 statt A12, bei anderen Schulformen entsprechende Stufen.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Muss aber schon eine sehr große Realschule sein, dass der Rektor in NRW A14 bekäme ….

Das Land ist doch nicht blöd, die Netzwerkadministration macht ein Kollege zu A12 bei max. 4 Entlastungsstunden. Dafür hat er neben dem Netzwerk noch die gesamte Hardware und die Verwaltung der Passwörter für Kollegium und Schülerschaft.

PS Die Wahrscheinlichkeit, dass die benannten Tätigkeiten von einer Kollegin ausgeübt würden, vernachlässige ich aus intimer Kenntnis der Aufgabenverteilung an heimischen Schulen. Andererseits gibt es vermutlich mehr Netzwerkadministratorinnen an NRW-Schulen als männliche Gleichstellungsbeauftragte.

Beate S.
9 Jahre zuvor

Schon wieder eine Studie, die Sorgen macht.
Vielleicht besteht Interesse für eine weitere internationale Vergleichsstudie, die beweist, dass in Deutschland auch die Schulen und damit Lehrer die gesellschaftliche Anerkennung und damit den Aufstieg ausländischer Kinder verhindern.
„Pathways to Succes“ ist der Name der Untersuchung. Befragt wurden 70 türkischstämmige Nachkommen der zweiten Generation (zwischen 20 und 40 Jahre alt), die über Benachteiligung und Diskriminierung berichteten. Von angeblich vielen wurde beklagt, dass ihnen trotz guter Noten eine Gymnasialempfehlung verwehrt wurde.
Eine Vergleichsgruppe von 20 Personen ohne Ausländerhintergrund gehörte ebenfalls zu den Befragten.
Die Wissenschaftler fordern als Konsequenz aus den Ergebnissen: „Quoten für Personen mit nichtakademischem und/oder Zuwanderungshintergrund in der Ausbildung und bei der Vergabe von leitenden Stellen“.
Einen Link zum Artikel gibt es nicht. Vielleicht hilft dieser:
http://www.imis.uni-osnabrueck.de/forschung/potentiale/pathways_to_success.html

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Quoten jeglicher Art sind lächerlich. Männer und — wenn die Forderung durchgesetzt werden würde — Inländer werden schon genügend diskriminiert.

So lange die Schulformempfehlung nicht bindend ist, hätten die „angeblich vielen“ Nachkommen ja trotzdem auf das Gymnasium gehen können. Andererseits hätten die Lehrer auf der weiterführenden Schule bei tatsächlich falscher Schulform — erkennbar an den sehr guten Noten ohne viel dafür arbeiten zu müssen — einen Wechsel auf das Gymnasium einleiten können. Das ist nicht geschehen, weshalb die Noten wohl doch nicht so exzellent waren, sie z.B. pubertätsbedingt nachließen und auch die Eltern nicht intensiv genug nachhakten.

Außerdem halte ich die Stichprobe „70 türkisch stämmige, die über Benachteiligung berichten“ für erstens klein und zweitens nicht repräsentativ — weder für die türkisch stämmigen alleine geschweige denn für alle mit ausländischen Wurzeln. Alle, die sich nicht benachteiligt fühlen, fallen z.B. heraus.

PseudoPolitiker
9 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Wusste ich es doch immer. Fremde sind bei uns unwillkommen. Die Abneigung gegen Ausländer zieht sich nicht nur bis ins zweite Glied durch, sondern wahrscheinlich bis ins x-ste. Das erinnert mich irgendwie historisch.
Die Studie und die Schlussfolgerungen der Wissenschaftler waren überfällig. Die Deutschen, insbesondere die Lehrer, sind einfach fremdenfeindlich.
Die Quoteregelung ist überfällig angesichts so vieler begabter, lerneifriger und anstrengungsbereiter Migranten-Schüler, die von Lehrern ihrer Chancen beraubt werden.
Meine Empörung gegen derlei Benachteiligung, so viel soziale Ungerechtigkeit, Verletzung der Menschenrechte und Fremdenhass kennt keine Grenzen.
Jeder anständige Deutsche sollte darüber genauso empört sein wie ich und jede anständige Zeitung oder
TV-Sendung ebenfalls.

GriasDi
9 Jahre zuvor

Was machen die Digital Natives eigentlich den ganzen Tag vor dem Bildschirm? So Native, wie immer behauptet wird sind sie dann doch nicht.