Aktionsrat Bildung: Politik muss mehr gegen Burnout bei Lehrern tun

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MÜNCHEN. Der Aktionsrat Bildung beklagt sich über mangelndes Engagement der Politik für vom Burnout bedrohte Lehrer. Im April hatten die Experten mehr Unterstützung seitens der Bundesländer und der Schulen für die betroffenen Pädagogen gefordert. Doch bisher habe keine der befragten Landesregierungen das Thema Burnout explizit auf die politische Agenda gesetzt, heißt es in einem aktuellen Zwischenbericht des Aktionsrats. Dabei lasse Burnout-Prävention «einen signifikanten Beitrag zur Qualitätsverbesserung von Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Hochschulen erwarten», betonen die Fachleute. Der Deutsche Lehrerverband kritisiert eine „Reformitis“ in der Bildungspolitik, die die Belastung verstärke.

Viele Lehrer fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Viele Lehrer fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)

«Die Erhebung des Aktionsrats Bildung hat gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht», erklärte Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die den Aktionsrat 2005 ins Leben gerufen hatte. «Wir brauchen Angebote für das Bildungspersonal, das an psychischen Erkrankungen leidet.» Es müsse möglichst flächendeckend entsprechende Hilfeangebote geben.

Auf einer Podiumsdiskussion anlässlich der Vorstellung des Gutachtens nahm Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), wie folgt Stellung: „Erstens: Das Manko des vorliegenden Gutachtens ist seine verengte Sichtweise. Stress im Beruf hat aber immer zwei Seiten. Im vorliegenden Gutachten geht es ausschließlich um die subjektive Seite von Stress, vor allem um die Frage, wie man speziell in Erziehungs- und Bildungsberufen mit Belastungen fertig wird. Hierzu enthält das Gutachten interessante Ansätze. Was aber fehlt, ist die Analyse der objektiven Belastung der Berufe in Kindergarten, Schule, Berufsbildung und Hochschule.

Zweitens: Maßgebliche Stressoren in diesen Berufen sind die chronische Reformitis, die Teile der Bildungsforschung und der Bildungspolitik geradezu pflegen; ferner die permanente Überforderung etwa der Schulen mit neuen Aufgaben, denen sie mangels geeigneten Personals nicht gewachsen sein können. Hier sind aktuell vor allem die gewaltigen Herausforderungen der Schulen durch Inklusion und durch die Beschulung mehrerer zehntausend Kinder von Flüchtlingen zu sehen.

Drittens: Ein besonderer Stressor ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer keine Chance mehr haben, zwischen Beruf und Privatleben zu trennen. Die umfangreichen Vorbereitungs- und Korrektur-arbeiten, die zwangsläufig zu Hause erledigt werden müssen, machen ein ausgeglichenes Privatleben kaum noch möglich.

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Viertens: Erzieher und Lehrer resistenter gegen Stress machen zu wollen, ist in Ordnung. Solche Maßnahmen dürfen aber nicht darauf hinaus laufen, Erzieher und Lehrer noch mehr zur Selbst-ausbeutung zu drängen. Beispiele wie in Niedersachsen darf es nicht geben: Dort wird einem großen Teil der Lehrerschaft eine Arbeitszeitverlängerung aufs Auge gedrückt; zugleich sollen pädagogische Kompetenzzentren von Universitäten für Lehrer Seminare anbieten mit Titeln wie ‚Entspannte Präsenz im Schulalltag‘. Das ist Zynismus pur.“

Der Verband „lehrer nrw“ stößt ins gleiche Horn. „Die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer sollte nicht nur zur Vermeidung von Unterrichtsausfall oberste Priorität für die Landesregierungen haben. In der Realität aber leistet die Politik, auch in Nordrhein-Westfalen, Burnout und anderen psychischen Erkrankungen sogar noch Vorschub. Schulen und Lehrkräfte werden mit überbordender Bürokratie, zusätzlichen Aufgaben und aktuell mit einem Großprojekt wie der Inklusion belastet, ohne dass dafür auch nur annähernd ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden“, beklagte Brigitte Balbach, Vorsitzende von „lehrer nrw“. „Es mangelt nicht nur an Lehrpersonal, sondern auch an Schulsozialarbeitern, Schulpsychologen, Schulverwaltungsassistenten und an Zeitressourcen für die Lehrkräfte.“ Ein Ärgernis sei auch, dass Lehrer bei Konflikten mit Eltern oft keinerlei Rückendeckung durch ihren Dienstherrn bekämen.

Die Folge: Viele Lehrkräfte flüchten in den Vorruhestand oder in die Altersteilzeit – wenn sie es sich denn finanziell erlauben können. Wer das nicht kann, wird krank und fällt aus. „Es wäre für die Landesregierung auf Dauer billiger, Schulen und Lehrkräften ausreichende Ressourcen, bessere Rahmenbedingungen und mehr Freiräume zu geben. Der Arbeitsplatz des Lehrers muss stärker in den Fokus genommen werden“, erklärte Balbach. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Studie: Zu viele Lehrer ausgebrannt – Philologen: Arbeitszeit runter!

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3 Kommentare
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rfalio
9 Jahre zuvor

Als Betroffener kann ich nur sagen:
Gut eruiert und begründet!
Eine Kleinigkeit feht allerdings: Der „Laufstall“ statt der „Laufbahn“! Die komplet fehlende Transparenz bei Beurteilungen, Bewerbungen, Beförderungen macht einen krank!
ZU den Beurteilungen:
Natürlich ist das unterrichtliche Wirken Kerngröße für die Beurteilung. Aber für eine Leitungstätigkeit ist es doch eigentlich nicht relevant. Ein Mitglied in der Schulleitung hat doch ganz andere Aufgaben als zu unterrichten!
Und es sind halt ganz andere Fähigkeiten gefordert.
Mein Maurerpolier beim Bau meines Hauses konnte super mauern, aber eine Baustelle zu leiten überforderte ihn.
Du bekommst eine nominelle Beförderung, die aber dann gar keine ist, denn bei der nächsten Bewerbung kommst du doch in einen Topf mit Leuten, die diese „Auszeichnung“ nicht erhalten haben. Aber dein Chef muss extra begründen, weil du ja nominell befördert worden bist, wenn er dich höher stufen will. Also lässt er es. Folge: Der niedriger eingestufte erhält die Stelle. Schizophren? Oder System?
Das macht krank!
rfalio

sofawolf
9 Jahre zuvor

Da kann man einiges tun: Weniger Bürokratie, Stärkung der Position des Lehrers (Schulrecht), kleinere Klassen, keine Inklusion … bzw. „gute Lehrer“ einfach mal machen lassen. (Klar, aber wer sind die guten?)

GriasDi
9 Jahre zuvor

Man müsste einfach nur mal die Erhebungen über die Arbeitszeit von Lehrern ernst nehmen. Diese besagen z. B., dass Gymnasiallehrer durchschnittlich ca. 2100 Stunden im Jahr arbeiten (zum Vergleich: ca. 1800 Stunden wären es bei einer 40-Stundenwoche eines „normalen“ Arbeitnehmers). Also Arbeitszeit anpassen (d. h. senken), unfähige Schulleiter absägen (mehr als 50 % der Mobbingfälle, denen sich Lehrer ausgesetzt sehen kommen von der Schulleitung), Lehrern die Freude am unterrichten vermitteln, nicht durch zu viele Vorschriften gängeln. Damit wäre schon viel gewonnen.