Politik-Lehrer im Radio zu Auschwitz: „Massentierhaltung geht mir näher“ – suspendiert

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UNNA. Ein Politik-Lehrer aus dem westfälischen Unna hat mit einem Anruf in der Radio-Sendung „Tagesgespräch“ auf WDR 5 für gehörigen Wirbel gesorgt. „Mich persönlich interessiert Auschwitz privat überhaupt nicht… Mir geht sogar die Massentierhaltung emotional näher als Auschwitz“, sagte er vor Tausenden von Zuhörern. „Alle 20 Minuten sterben sechs Millionen Tiere.“ Das Statement rief sofort die Schulaufsichtsbehörde auf den Plan, wie die „Ruhr-Nachrichten“ berichten: Der Pädagoge ist mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert; gegen ihn wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der 34-jährige Beamte war schon einmal aus dem Dienst entfernt worden.

Eingangstor des früheren Konzentrationslagers Auschwitz mit dem berüchtigten Schriftzug „Arbeit macht frei“; Foto: flickr / Walker (CC BY-NC-SA 2.0)
Eingangstor des früheren Konzentrationslagers Auschwitz mit dem berüchtigten Schriftzug „Arbeit macht frei“; Foto: flickr / Walker (CC BY-NC-SA 2.0)

Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg begründete die Suspendierung damit, dass der Lehrer „die Behandlung des Holocaust im Schulunterricht als zu umfangreich dargestellt sowie die Ermordung von Juden in Konzentrationslagern in die Nähe der Tötung von Tieren in der Massentierhaltung gerückt“ habe. Damit erweckte er „den Eindruck einer Relativierung der Verbrechen der NS-Diktatur“, hieß es weiter. Regierungspräsident Gerd Bollermann unterstrich in der Mitteilung: „Ich bin entsetzt über die geschmacklosen und menschenverachtenden Äußerungen. Die Bezirksregierung Arnsberg duldet keinerlei Einlassungen von Lehrerinnen und Lehrern, die das Andenken an die während der NS-Zeit ermordeten Juden relativiert und verunglimpft.“ Die Bezirksregierung werde die „bestehenden rechtlichen Möglichkeiten konsequent ausschöpfen, um die Unterrichtstätigkeit eines solchen Lehrers zu unterbinden.“ Gegenüber der „Bild“-Zeitung rechtfertigte sich der Pädagoge: „Der Holocaust ist das schlimmste historische Ereignis. Was man als privater Mensch emotional fühlt, steht aber auf einem anderen Blatt.“

Ob ihm die Einlassung jetzt noch hilft? Der Mann – Lehrer für Politik, Deutsch und Pädagogik an einem Weiterbildungskolleg in Unna – war schon vor zweieinhalb Jahren aufgefallen, als er bei einer Demonstration der Rechtsaußen-Partei „Pro NRW“ in Köln ein Megafon ergriff.  Als bekennender Homosexueller habe er mehr Angst vor Islamisten als beispielsweise vor Nazis, sagte er damals. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Islamismus die größte Gefahr ist und der Rechtsextremismus das ist, was alle einfach blind bekämpfen, ohne zu respektieren“, hatte der Mann damals unter dem Gejohle radikaler Demonstranten erklärt. Später distanzierte er sich von seinen Äußerungen. Die Bezirksregierung suspendierte ihn trotzdem. Der Lehrer klagte gegen die Entscheidung und bekam vom Oberverwaltungsgericht in Münster aufgrund eines Formfehlers Recht.

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Nun ist die zuständige Schulbehörde in Arnsberg wieder gefragt. „Der Vorfall ist unsäglich, man kann sich nur eindeutig davon distanzieren“, sagte Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Derartige Äußerungen seien inakzeptabel. Auch die GEW distanzierte sich „ganz klar“ von den Aussagen des Pädagogen. „Auschwitz darf sich nie wiederholen! Daher ist es um so wichtiger, dass Lehrer sich gegen Rassismus einsetzen und eine Erinnerungskultur wach halten“, erklärte die stellvertretende Landesvorsitzende, Maike Finnern. „Zum Glück sind solche Äußerungen meiner Erfahrung nach eine extreme Ausnahme.“ News4teachers

Zum Bericht: Hitlerbild auf Arbeitsblatt – Lehrer suspendiert

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12 Kommentare
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mehrnachdenken
9 Jahre zuvor

Ja, und auf 4t („Pegida im Unterricht“) wird ein Tn in die Nähe des Reichsjugendführers der SS „Baldur von Schirach“ gerückt. Das wird zwar geschickt als „Vermutung“ verpackt, aber darf so etwas durchgehen?

Müsste in diesem Fall die Schulaufsicht nicht auch tätig werden?

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Suum cuique.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

„Jedem das Seine“ – mehr fällt ihnen zu so einem skandalösen Vorgang nicht ein?

Wieso hier so „gnädig“, wo Sie doch sonst recht deutlich Ihre Meinung äußern?
„dickebank“, mit Verlaub, Sie enttäuschen mich!!

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Sie verwundern mich nicht. Nur haben Sie vermutlich meine Einlassung auf die falsche person bezogen. Ich meinte ja nicht denjenigen, der einen TN des 4t-Threads in die Nähe einer verblichenen NSDAP-Größe gestellt hat, sondern den so beschriebenen TN. Wie gesagt, jedem das Seine!

Wenn etwas bräunlich schimmert und auch noch übel riecht, dann darf man es auch als Exkrement bezeichnen.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Bitte erst informieren und dann urteilen! Offenbar haben Sie sich in der Reihenfolge vertan.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Erst einmal, worüber informieren?
Zweitens, welches Urteil? Ich habe eine Vermutung aufgestellt, nämlich dahin gehend, dass falsche Bezüge hergestellt worden sein könnten.
Drittens, welche reihenfolge könnte Ihrer Meinung nach nicht eingehalten worden sein?

Ursula Prasuhn
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Und wie sieht’s aus, wenn jemand behauptet, etwas zu sehen oder zu riechen, was nicht da ist?
Diese Art der Bekämpfung und Unterdrückung Andersdenkender nimmt mein Auge übrigens als bräunlich schimmernd wahr und meine Nase als übel riechend. Wer so gegen Personen und Meinungen vorgeht, macht sich den eigenen Hang zum Faschismus nicht klarund zeigt obendrein keine Scheu, sich das Leid und den Tod unzähliger Naziopfer dienstbar zu machen.
„Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben. Dieses Vorrecht kommt uns von Grund auf zu; und es wäre abscheulich, dass jene, bei denen die Souveränität liegt, ihre Meinung nicht schriftlich sagen dürften.“ (Voltaire)

@mehrnachdenken:
http://www.focus.de/wissen/mensch/philosophie/tid-20094/debatte-die-neuen-jakobiner_aid_550734.html

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

@U. Prasuhn
Vielen Dank für Ihre Nachricht. Sowohl der Satz von Voltaire als auch der Focus-Artikel treffen DEN Punkt.

Noch eine Kostprobe bei 4t, wie dort mit Lehrkräften verfahren wird, also mit Kollegen, die sich der vorgegebenen Meinung nicht anschließen?

„auch wenn du deine Äußerung in eine Vermutung gekleidet hast, bleibt festzuhalten, dass du mich in die Nähe des Reichsjugendführers SS Baldur von Schirach gerückt hast.“

„Nein, das auf gar keinen Fall. Der Reichsjugendführer wird als kultivierter gebildeter Mann beschrieben. Außer bei der Gesinnung sehe ich nun wirklich keine weiteren Gemeinsamkeiten.“

Einer unbekannten Lehrkraft wird abgesprochen, sich kultuviert
zu benehmen. Schlimmer noch, sie wird bezüglich einer „braunen Gesinnung“ mit dieser Nazi-Größe auf eine Stufe gestellt.

Das darf bei 4t einfach abgesondert werden, ohne dass der Beitrag umgehend gelöscht wird.

Zudem fällt auf, dass diese haarsträubenden Sätze niemanden besonders aufzuregen scheinen.

dickebank
9 Jahre zuvor

Mich hat auch keiner zum Beitritt gefragt, nu ham wir im Westen die ganze Mischpoke am Hals und werden sie und ihre unverschämten Forderungen nicht mehr los.

Deshalb ist mir ein Ruhrgebiets(kümmel)türke lieber als ein entfernter verwandter aus dem NOL und den anderen bräunlichen Revieren Sachsens.

Der westen hat eben genug islamische Mitbürger mit Erfahrungen im Baugewerbe um einen antifaschistischen Schutzwall, den Sie und andere sich so gerne zurückwünschen, zu erstellen. Man darf den Auftrag nur nicht an HighDeep vergeben.

Btw Das Zentrum hat die Machenschaften der NSDAP außerhalb und innerhalb des Reichstages geduldet und nicht wie die SPD bekämpft. Wie die erfahrung zeigt, war das Toleranz an der verkehrten Stelle. Die Zentrumsmitglieder deshalb aber als faschistisch zu bezeichnen, wäre auch eine verkehrte Schlussfolgerung.

Weil ich die Agenda der PEGIDA als faschistoide Willenserklärung einstufe, bin ich weder ein Anti-Faschist noch ein linker Radikaler.

Ich habe auch nichts dagegen, dass Anhänger der PEGIDA ihre Meinung äußern – Notdurft darf lt. BGB nicht untersagt werden – heißt das ja nicht, dass ich sie nicht mit allen rhetorischen Mitten bekämpfen darf. Etwas unwidersprochen zu lassen hat doch nichts mit fehlender toleranz zu tun. Das Recht auf Dummheit ist eben grundgesetzlich geschützt, deshalb darf man ja auch so krude Thesen wie die PEGIDA in den Raum stellen. Nur es muss sie da keiner stehen lassen, der sich dadurch gestört fühlt.

Im besten Fall gilt: Ist das Kunst oder kann das wech.

PseudoPolitiker
9 Jahre zuvor

Die selbsternannten Hüter unserer Demokratie müssten PEGIDA eigentlich dankbar sein. Da haben sie doch endlich ein paar reale Gestalten im Visier und nicht immer nur Phantome, die so wenig hergeben für das berauschende Gefühl, zum erweiterten Kreis der Widerstandskämpfer von damals zu gehören.

Wie erfreut müssen auch die edlen Kämpfer gegen rechts im Forum „Pegida im Unterricht“ gewesen sein, als sich ein couragierter Meinungsabweichler als Opfer anbietet. Da lacht doch das Herz, wenn endlich die Dreckschleuder zum Einsatz kommt und die Kampfgenossen vermutlich bewundernd staunen.

Schade allerdings, dass sich nur noch so wenige auf die Bühne trauen und Feinde mehr an die Wand gemalt als bekämpft werden können. Daran muss sich dringend etwas ändern, sonst erlahmt die Kampfbereitschaft.
Einfachste Methode wäre, die Kriterien für die Entlarvung von Nazis nochmal zu erweitern. Nehmen wir z. B. die Besitzer deutscher Schäferhunde. Klingelt es da nicht sofort?

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  PseudoPolitiker

Alles richtig, was Sie schreiben.
Die Sache scheint sich ja immer noch weiter hochzuschaukeln. Mittlerweile werden alle, die dem Meinungsführer z.B. auch hinsichtlich bestimmter Begrifflichkeiten nicht bedingungslos folgen, gnadenlos platt gemacht.

Unterhaltsam oder gar lustig finde ich das aber nun überhaupt nicht mehr. Aus mehreren Gründen bin ich regelrecht geschockt:

Wo bleibt die Forenaufsicht? Warum ist dieses Forum nicht längst geschlossen worden?
Warum wird zumindest zwei Tn nicht der „Zutritt“ zu 4teachers ein für allemal verwehrt
Wie kann es sein, dass ein Tn unwidersprochen mit einer Nazigröße verglichen werden darf und dabei noch behauptet wird, der Reichsjugendführer habe mehr Kultur gehabt als ein Diskussionsteilnehmer?

Immerhin handelt es sich bei 4teachers um eine Lehrerplattform. Ist es nicht so, dass sich gerade Lehrkräfte mit Hinweisen auf die Nazi-Zeit vor allem im Unterricht, aber auch anonym sehr zurückhalten sollten?

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  PseudoPolitiker

Irrtum – nicht selbsternannt. Die Ernennungsurkunde wird immer erst überreicht, nachdem man seinen Amtseid abgelegt hat bzw. als tarifbeschäftigter seine Verfassungstreue gelobt hat. Schwören tun nur Beamte.

Also ein bischen mehr staatsbürgerliche Grundkenntnisse dürften schon vorhanden sein …