Elternverband warnt: Inklusion von Lernbehinderten nicht vernachlässigen

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HEIDENHEIM/STUTTGART. Anders als bei körperbehinderten Kindern ist lernbehinderten Förderschülern oder solchen mit der Einordnung „erziehungsschwierig“ ihre Behinderung nicht anzusehen. Trotzdem brauchen sie spezielle Hilfe, mahnt ein Elternverband aus Baden-Württemberg. Das Land dürfe die Fehler anderer Länder nicht wiederholen.

Die Schüler mit Lernbehinderung dürfen aus Sicht eines Elternverbandes bei der Integration in allgemeine Schulen nicht vernachlässigt werden. «Man darf nicht glauben, dass solche Förderschüler einfach so ohne spezielle Betreuung in den allgemeinen Klassen mitlaufen können», sagte Mechthild Ziegler, Landes- und Bundesvorsitzende des Verbandes «Lernen Fördern», anlässlich einer Tagung in Heidenheim. Dieser Fehler sei in anderen Bundesländern gemacht worden, wo nicht verstanden werde, dass lernbehinderte Schüler bei der Inklusion besondere Unterstützung bräuchten. Auch wenn die Behinderung nicht so sichtbar wie etwa bei einem Kind im Rollstuhl sei, müsse mit der kognitiven Einschränkung offen umgegangen werden, sagte Ziegler, die eine bereits erwachsene Tochter mit Lernbehinderung hat.

Der gemeinsame Unterricht von behinderten und Nichtbehinderten Kindern wird in Hessen schon kurz nach seiner Einführung stark kritisiert. (Foto: New Jersey State Libary/Flickr CC BY-NC 2.0)
Der gemeinsame Unterricht von behinderten und Nichtbehinderten Kindern ist noch lange nicht umgesetzt. (Foto: New Jersey State Libary/Flickr CC BY-NC 2.0)

Von den mehr als 50.000 behinderten Kindern an baden-württembergischen Sonderschulen sind die Hälfte Förderschüler, die langsamer lernen und weniger logisch denken können. Bislang drücken sie in landesweit 270 Förderschulen die Schulbank. Ihre Schullaufbahn können sie dort mit einem Förderschulabschluss beenden. Nach erfolgreichem Absolvieren einer dualen Ausbildung erhalten sie einen Abschluss, der gleichwertig mit dem Hauptschulabschluss ist. Der in Stuttgart ansässige Landesverband ist mit 7000 Mitgliedern – Eltern, Sozialpädagogen und Sozialarbeitern – der zweitgrößte in Deutschland.

Sonderpädagogische Betreuung nur an ein, zwei Stunden in der Woche sei für ein lernbehindertes Kind nicht ausreichend, sagte Ziegler. «Ein Sonderschullehrer müsse neben dem allgemeinem Lehrer präsent sein, nicht jeden Tag fünf Stunden, aber doch jeden Tag.» Das A und O sei, dass die beiden Lehrer Hand in Hand arbeiteten und den Unterricht gemeinsam vorbereiteten.

Ziegler schätzt, dass 25 Prozent der Förderschüler nach der für das Schuljahr 2015/16 geplanten Einführung des Elternwahlrechts auf die allgemeine Schule wechseln. Oft seien es gerade bildungsnahe Familien, die die Grenzen ihres Kindes erkennen und sich für die besondere Förderung an den Sonderschulen entscheiden.

Mütter und Väter wünschten rasch klare Vorgaben des Ministeriums für die Inklusion. «Die Eltern sind verunsichert», sagte sie mit Blick auf den Zeitverzug bei der entsprechenden Schulgesetzänderung. Land und Kommunen streiten sich noch über die Verteilung der Kosten für die Inklusion. Julia Giertz, dpa

Zum Bericht: Experte – Echte Inklusion erst in der nächsten Generation

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3 Kommentare
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xxx
9 Jahre zuvor

Der Elternverband spricht gerade die Punkte an, die die Lehrer an Regelschulen von Anfang an befürchten und die Politik bewusst ignoriert:

Geistig gesunde Kinder im Rollstuhl benötigen abgesehen von einem barrierefreien Gebäude keinerlei Unterstützung auf Förderschulniveau. Ebenso verhält es sich mit seh-, sprach- und hörbehinderten Kindern ohne geistige Beeinträchtigung, die höchstens einen Dolmetscher oder Vorleser benötigen.

Die lernbehinderten und / oder (krankheitsbedingt) verhaltensauffälligen Kinder sind mit zwei Stunden Zusatzunterricht mit Förderschullehrern hoffnungslos unterfördert, besonders dann, wenn die Lehrkraft nicht den Schwerpunkt der Behinderung studiert hat. Von den Hänseleien auf dem Pausenhof durch die geistig gesunden, jedoch teilweise hoffnungslos verzogenen Mitschüler ganz zu schweigen …

g. h.
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Es braucht wohl noch eine ganze Menge Zeit, bis die Eltern kapieren, welch ideologischer Sand ihnen den Blick getrübt hat und wie wertvoll spezielle Förderschulen für behinderte Kinder sind. Dumm nur, dass dann kaum mehr Förderschulen existieren.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  g. h.

das schlimme ist, dass der stadtkämmerer mit dem ideologischen Sand viel Geld sparen kann …