Niedersachsen: Gymnasium bleibt beliebteste Schulform – Haupt- und Realschulen verlieren an Bedeutung

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HANNOVER. Über 40 Prozent der Fünftklässler in Niedersachsen besuchen ein Gymnasium. Hält das Gymnasium damit seinen Vorjahresrang, verlieren Haupt- und Realschulen gegenüber Oberschulen und Gesamtschulen weiter an Boden.

In Niedersachsen gehen immer weniger Kinder auf eine Haupt- oder Realschule. Das hat damit zu tun, dass zum Schuljahr 2014/2015 mehr Oberschulen und mehr Integrierte Gesamtschulen (IGS) an den Start gegangen sind. Die beliebteste Schulform ist das Gymnasium, das wie bereits im Vorjahr 42,4 Prozent der Schüler im fünften Jahrgang besuchen. 21,2 Prozent gehen aktuell zu einer Oberschule (2013/2014: 19,5 Prozent), 15,2 Prozent zur IGS (2013/2014: 13,9 Prozent). Die Realschulen wurden von 15,8 Prozent (Vorjahr 17,9 Prozent) und die Hauptschulen von 4,7 Prozent (Vorjahr 5,5 Prozent) der Kinder besucht.

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Das Gymnasium liegt in der Gunst der Eltern weiterhin vorn. Foto: Peter Gugerell / Wikimedia Commons
Das Gymnasium liegt in der Gunst der Eltern weiterhin vorn. Foto: Peter Gugerell / Wikimedia Commons

Die Grundschulen hatten sich in ihren Laufbahnempfehlungen für das Schuljahr 2014/2015 bei 41,2 Prozent der Jungen und Mädchen für einen Besuch des Gymnasiums ausgesprochen. 38,6 Prozent wurde eine Realschule empfohlen, 20,2 Prozent eine Hauptschule. Die Zahlen zeigten, dass das Gymnasium keinesfalls bedroht sei, erklärte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Die Schullaufbahnempfehlungen sollen mit dem neuen Schulgesetz abgeschafft werden. (dpa)

zum Bericht: Widerstand gegen niedersächsische Schulgesetznovelle
zum Bericht: Umfrage: Deutsche befürworten Leistungsorientierung in der Schule
zum Bericht: Grundschul-Empfehlungen bringen offenbar immer mehr Eltern in Rage

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mehrnachdenken
9 Jahre zuvor

Bis 2004 gab’s in Niedersachsen die Schulform Orientierungsstufe (5./6. Klasse). Am Ende des 6. Schuljahres erhielten die Schüler eine Empfehlung für die HS/RS oder das Gymnasium, die für die Eltern aber nicht bindend war. Dennoch hielten sich die meisten Eltern an die Empfehlung.
An meiner ehemaligen Schule bekamen etwa 20 Prozent eine Gymnasialempfehlung. In aller Regel schafften Sch mit einer Empfehlung für das Gymnasium das Abitur.

Ganz anders stellte sich die Situation nach der Auflösung der OS dar. Nun gab es bereits am Ende der 4. Klasse die Schullaufbahnempfehlung. Die Anmeldungen fürs Gymnasium schnelllten in die Höhe.

Ich schließe daraus, …

dass die Leistungen am Ende der vierten Klasse tatsächlich die Anmeldung ans Gymnasium rechtfertigten oder dass sich die Eltern in großer Anzahl nicht an die Empfehlungen halten.
In diesem Fall lassen sich viele Eltern evtl. auch von der öffentlichen Diskussion über die angebliche oder tasächliche Bedeutung des Abiturs leiten.
Schließlich vermute ich, dass die schulischen Anforderungen am Gymnasium trotz anders lautender Meldungen in den Medien erkennbar reduziert worden sind.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Natürlich sind die Anforderungen am Gymnasium reduziert worden, an den anderen Schulformen sicherlich ebenfalls:
-> In Englisch wurde der Fehlerquotient abgeschafft.
-> In Mathematik wurde aus der Integralrechnung sowohl im Grund- als auch im Leistungskurs die anspruchsvollere partielle Integration und Substitution gestrichen.
-> Im Physik-Grundkurs wurde die Fachsystematik durch 24 Kernexperimente ersetzt, die in mehr oder weniger loser Reihenfolge abgearbeitet werden sollen, sprich auf das Niveau des gesunden Menschenverstandes heruntergedrückt. Bloß nicht denken oder gar rechnen müssen …
-> Neuntklässler bestehen Biologie-Abiturklausuren ohne ein Wort Biologie-Oberstufenunterricht gehabt zu haben, sie mussten nur sinnentnehmend lesen können.
-> Mit grafikfähigen oder gar CAS-Taschenrechnern brauchen die Schüler so gut wie nicht mehr händisch zu rechnen.

usw.

(Meine Angaben beziehen sich auf NRW mit dem ab 2014/15 neu eingeführten Oberstufen-Leerplan, KEIN TIPPFEHLER !!)

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Viele der Gymnasiasten aus Klasse 5/6, die ich unterrichte, brauchten nach eigener Angabe in ihrer Grundschulzeit nur wenig bis nichts für die Schule zu tun, insbesondere haben sie deshalb das Lernen bzw. Arbeiten nie lernen müssen. Das ist ausdrücklich kein Vorwurf an die Schüler und / oder die Eltern, vielmehr ein Zeichen der nur minimalen Anforderungen durch die Grundschule, die durch Schreiben nach Hören, schriftliche Multiplikation und Division nur mit einfachen Zahlen (123 * 456 oder 378:27 ist schon zu schwer), Kopfrechnen mit Hilfszettel, an Lächerlichkeit nicht zu überbietenden Englischunterricht (etwa 120 Vokabeln in Klasse 3 und etwa 170 Vokabeln in Klasse 4, erteilt durch Gymnasiallehrer für die guten Grundschüler; was durch die Grundschullehrerinnen mit den kompletten Klassen in Englisch gemacht wird, möchte ich lieber nicht wissen) usw. in der Summe immer weiter reduziert werden.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Danke für die Konkretisierung.

„Viele der Gymnasiasten aus Klasse 5/6, die ich unterrichte, brauchten nach eigener Angabe in ihrer Grundschulzeit nur wenig bis nichts für die Schule zu tun, insbesondere haben sie deshalb das Lernen bzw. Arbeiten nie lernen müssen.“

So ganz verstehe ich das nicht. Entsprechend seinem Leistungsvermögen lernt jedes Kind individuell nach einem maßgeschneiderten Plan (so die Theorie). Das schließt ausdrücklich das Methodenlernen mit ein. Gehört innere Differenzierung nicht inzwischen zum Lernstandard in den Grundschulen?

Somit dürfte selbst für potentielle Gymnasialschüler die Grundschule kein „besserer Spaziergang“ sein. Sie müssten ordentlich gefordert werden.

Oder wird der Öffentlichkeit auch in diesem Punkt eine schöne neue Lernwelt vorgegaukelt, die mit der Realität herzlich wenig zu tun hat?

Falls das zutrifft, was Sie schreiben, scheint in der Grundschule einiges schief zu laufen.
Fünftklässler, die in der OS-Zeit zu mir in die 5. Klasse kamen, wiesen keineswegs die von Ihnen beklagten Deifzite auf.

Wieso erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas etwas von diesen offensichtlichen Missständen?
Warum nehmen die Gymnasiallehrer diese Zustände hin? Zumindest solllte der Philologenverband da aktiv werden.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Ich kann nur das wiedergeben, was ich von Schülern weiß (nur sehr wenig tun müssen) oder von Englischkollegen weiß (Englisch-Forderunterricht an der Grundschule, der zwar dem Lehrplan genügt, den Namen aber nicht verdient).

Andererseits dürfte die Leistungsschere an den Grundschulen aus den verschiedensten Gründen extrem weit auseinanderklaffen, weil dort Kinder mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen zum (mehr oder weniger) gleichen „Abschluss“ gebracht werden müssen. Der „Kann bereits vor Eintritt in die erste Klasse lesen und schreiben“ bis „Die einzige intellektuelle Beschäftigung war, ist und bleibt RTL2 oder ein Fernsehsender auf ähnlichem Niveau in der Muttersprache der Eltern“ inkl. aller vorstellbaren Verhaltens(un)auffälligkeiten und (nicht-)Erziehung.

Palim
9 Jahre zuvor

Was sagen die Zahlen denn aus?
Wo steht denn, wie viele Schulplätze an Hauptschulen überhaupt angeboten werden und wo die Hauptschüler nun IGS oder Oberschule besuchen?
Gerade in Nds. hat sich die Schullandschaft in den letzten Jahren stark geändert, seit der Auflösung der OS sind neue Schulformen dazu gekommen, andere wurden an Standorten geschlossen oder umgewandelt.
Jahrelang wurden keine Gesamtschul-Neugründungen zugelassen, dann vor große Hürden gestellt, nun ermöglicht.
Wo vor Ort keine HS oder RS ist, wird diese auch weniger gewählt, die SuS besuchen dann eine IGS oder Oberschule.

Wer hinterfragt, wie viele SuS mit gymnasialer Empfehlung eine RS besuchen oder wie viele Schüler mit RS-Empfehlung ein Gym?
Wer fragt, wie viele SuS, die ursprünglich in Klasse 4 eine gymnasiale Empfehlung erhalten haben, nach, sagen wir 10 Jahren, ihr Abitur auf unterschiedlichen Wegen erreicht haben?

Im übrigen zu den vorherigen Kommentaren:
a) 2006 wurden sämtliche Curricula der Grundschule auf einen Schlag geändert. Seither gelten neue Lehrpläne mit neuen Vorgaben, die sich an den Bildungsstandards der KMK orientieren. Das denken sich Grundschullehrerinnen ja nicht aus.
b) Das Leistungsvermögen reicht von sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung bis Hochbegabung. Pauschal gibt es für jede Klasse 2 Stunden sonderpädagogische Unterstützung PRO WOCHE, wenn die Lehrkräfte zur Verfügung stehen, für wenige Kinder gibt es zusätliche Rucksackstunden. Über zeitliche Erreichbarkeit, Pläne, Umstände etc. steht im Erlass nichts.
c) Differenzierung gibt es an Grundschule wie auch an Sek I-Schulen.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@ Palim

In den damaligen OS-Klassen (verlängerte Grundschulzeit um zwei Jahre) war ebenfalls vom potientiellen Förderschüler bis zum potientiellen Hochbegabten alles versammelt.

Ich erinnere mich, dass wir immer wieder Anträge auf sonderpädagogsichen Förderbedarf stellten, weil es aus welchen Gründen auch immer in der GS nicht passierte. Immerhin war ein Verfahren mit viel Arbeit verbunden.

Wer von den Gymnasialempfehlungen an Ihrer Grundschule schafft problemlos das Abitur?
Wer wiederholte eine Klasse und schloss dann mit dem Abitur ab?
Wer ging vorher ab oder auf eine andere Schulform (IGS/RS/Oberschule)?
Wer schaffte das Abi ohne die entsprechende Empfehlung?

Diese Zahlen lagen uns damals detailliert vor. Die Rückmeldungen waren für unseren Unterricht wichtig.

Palim
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Es gab zwischendurch Rückmeldungen über die Noten in Kl. 6 und 7 (soweit ich mich richtig erinnere), aber zum Abitur, Wiederholungen etc. habe ich nichts gehört, obwohl die ersten SuS bereits soweit sind.
Da bekommt man höchstens mal von Eltern Rückmeldung.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Tja, belastbares Zahlenmaterial über die Schülerwanderungen ist m.E. die wichtigste Voraussetzung für seriöse Schularbeit.

Von jedem 4. Jahrgang müsste die Schule wissen, wie die Schulkarriere der Sch weiter geht.
Absicht oder einfach nur vergessen? Ich vermute, da steckt System dahinter.

Werner Schneyder
9 Jahre zuvor

An was wird denn das gemessen – beliebteste Schulform? Eine IGS kann ja von vielen Eltern gar nicht angewählt werden, weikl es vor Ort keine gibt.