Horst-Wessel-Lied: Staatsanwalt stellt Verfahren gegen Lehrerin ein – Linken-Politiker erwägt Widerspruch

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BERLIN. Medien bundesweit witterten einen Nazi-Skandal: Eine Berliner Musiklehrerin solle, so hieß es, Schüler dazu gebracht haben, das verbotene Horst-Wessel-Lied zu singen und im Takt dazu zu marschieren. Tatsächlich ermittelte die Staatsanwaltschaft. Doch die hat ihre Ermittlungen nun eingestellt – der vermeintliche Aufreger hat sich als heiße Luft erwiesen. Ein Berliner Lokalpolitiker, der Anzeige erhoben hatte, will die Geschichte trotzdem nicht auf sich beruhen lassen.

Das verbotene Horst-Wessel-Lied lässt sich im Internet leicht finden. Illu: News4teachers
Das verbotene Horst-Wessel-Lied lässt sich im Internet leicht finden. Illu: News4teachers

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht mehr gegen die Berliner Musiklehrerin, die im Unterricht das Horst-Wessel-Lied thematisiert hatte. Es liege kein strafbares Verhalten vor, sagte ein  Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Die Frau habe nicht gegen § 86a StGB, also das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ verstoßen. Zum einen habe die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen können, dass das Lied im Unterricht gesungen wurde, hieß es. Zum anderen gebe es auch einen Passus, der es zu Lehrzwecken erlaube, verbotene Propagandamittel zugänglich zu machen. Tatsächlich wurde die Nazi-Hymne im Unterrichtsrahmen „Politische Propaganda“ und „Manipulationsstrategien des Nationalsozialismus“ analysiert. Die Schülerinnen und Schüler des betroffenen Kurses, so erklärte der Schulleiter in einem Interview, hätten den Zusammenhang auch genau so verstanden.

Zuvor hatte ein irrwitziger Medienhype die Geschichte durch die Republik getragen: Der „Berliner Kurier” erinnerte an den Film „Die Welle”, in dem einem Lehrer seine Klasse aus dem Ruder läuft, als er ihr den Faschismus anschaulich per Experiment vermitteln will. Das „Neue Deutschland” zweifelte öffentlich, ob die Schule im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ weiter angehören solle. „Spiegel Online” beschrieb das gesamte Gymnasium deshalb als verdächtig, nur weil die Schule die betroffenen Schüler nicht namentlich nennen wollte (die minderjährig sind). „Stern-online“ textete: „Mehr als nur fragwürdige Lehrmethoden an einem Gymnasium in Berlin: Schüler mussten im Musikunterricht das verbotene ‚Horst-Wessel-Lied‘ singen und dazu marschieren.“

Losgetreten hatte der Fall ein Bezirksverordneter der Linken, der bei der Polizei Anzeige erstattet hatte. Er erwägt nun, Widerspruch gegen die Einstellung des Verfahrens zu erheben, wie er dem Berliner „Tagesspiegel“ gegenüber erklärte. „Schüler hatten Blätter mit dem Text des Horst-Wessel-Liedes mit nach Hause genommen. Ein Elternteil war über dieses Blatt derart erschrocken, dass er sich an Nachbarn wandte. Die haben sich dann bei mir gemeldet. Am nächsten Tag habe ich mir das angesehen und gesagt: Da muss man was tun“, so erklärte er gegenüber der Zeitung. Mit der Schule oder der betroffenen Lehrerin sprach er offenbar nicht, bevor er zur Polizei ging.

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„Vielleicht hatte die Lehrerin ja wirklich gute Absichten. Den genauen Ablauf des Musikkurses kenne ich nicht“, so räumte er gegenüber dem „Tagesspiegel“ ein. Das ficht ihn aber nicht an. Allein schon die Tatsache, dass das Notenblatt der Nazi-Hymne ohne schriftichen Kommentar an die Schüler ausgehändigt worden sei, sei „nicht nur fahrlässig, sondern unterirdisch.“ Der Politiker meinte: „Mag sein, dass die Lehrerin all diese Ungeheuerlichkeiten mündlich eingeordnet hat. Aber auf dem, was die Schüler mit nach Hause genommen haben, findet sich kein Hinweis darauf. Ich halte die Verbreitung dieses Blattes für Volksverhetzung, die ist im Strafgesetzbuch klar definiert.“ Deshalb wolle er nun genau wissen, warum das Verfahren eingestellt wurde – und gegebenenfalls dagegen vorgehen.

Die Vorsitzende der Elternvertretung der Schule versicherte gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, nach ihrem Eindruck stehe die Elternschaft voll hinter der Lehrerin. „Alle waren der Meinung, hier ist etwas sehr hochgeschaukelt worden, was sich so nicht zugetragen hat“, sagte sie. Es gebe sogar Sorge um die Lehrkraft und es sei auch Hilfe für sie gefordert worden. News4teachers

Zum Bericht: Horst-Wessel-Lied im Unterricht – Lehrerin wird Opfer einer Medienkampagne

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Küstenfuchs
8 Jahre zuvor

Was für ein Wichtigtuer!

Gerald
8 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

„Wichtigtuer“ stimmt, ist aber zu harmlos. Der Mann ist ein Heuchler und Denunziant mit Stasi- Vergangenheit. Siehe Kommentar von „timo“ hier:
https://www.news4teachers.de/2015/04/horst-wessel-lied-im-unterricht-lehrerin-wird-opfer-einer-medienkampagne/#comment-184760

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor

Wer stellt denn Strafanzeige gegen diesen „Heuchler und Denunzianten mit Stasi-Vergangenheit“ wegen übler Verleumdung?

PseudoPolitiker
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Ich fürchte, keiner. Verdächtigungen und Denunzierungen von Menschen, denen „rechte Gesinnung“ unterstellt wird, sind en vogue und offenbar politisch erwünscht. So funktioniert heutzutage nun mal die politisch korrekte Meinungserziehung. Auch wenn es Unschuldige trifft, Hauptsache die Botschaft stimmt. Wer wird wohl jemanden trotz dessen eigenen Drecks am Stecken anklagen, wenn wunschgemäß gehandelt und für das richtige Signal gesorgt wurde?

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  PseudoPolitiker

Richtig, aber da könnte doch die Staatsanwaltschaft selber tätig werden und ein Ermittlungsverfahren einleiten.

PseudoPolitiker
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Ja, könnte sie. Voraussetzung wäre allerdings, dass sie frei wäre vom politisch gebotenen Denken, das besagt, dass nur in guter und richtiger Absicht gehandelt wurde.

sofawolf
8 Jahre zuvor

ZITAT: „Die Vorsitzende der Elternvertretung der Schule versicherte gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, nach ihrem Eindruck stehe die Elternschaft voll hinter der Lehrerin. “Alle waren der Meinung, hier ist etwas sehr hochgeschaukelt worden, was sich so nicht zugetragen hat”, sagte sie. Es gebe sogar Sorge um die Lehrkraft und es sei auch Hilfe für sie gefordert worden.“

Danke!

Ich finde es schlimm, wie hier eine Frau fertig gemacht wird und all die, die dabei mitmachen, interessiert das gar nicht.

Wie so oft, redet man nicht miteinander, sondern übereinander. Es sollten auch Medien zu empfindlichen Schmerzensgelder verurteilt werden, die solche irrwitzigen (und falschen) Aussagen treffen, da sei gesungen und sogar marschiert worden!!!

Beate S.
8 Jahre zuvor

@mehrnachdenken
So sieht politisch korrekte Rechtsprechung heutzutage aus:

http://www.shz.de/lokales/holsteinischer-courier/im-hamburger-gericht-nutte-gegen-neger-id9482481.html

Die falschen Anschuldigungen (Faustschläge, Tritte) der Schüler gegen die alte Dame spielten bei der Urteilsfindung offenbar keine Rolle. Wichtig war nur, welches Schimpfwort in unserem zum Neusprech verpflichtenden Zeitalter das schlimmere ist.
Wie stark auch die Justiz politisiert ist, beweist m. E. dieser Fall. Das Urteil ist zutiefst beunruhigend.

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Danke für den Link.

Vielleicht gehört die Richterin zur Fraktion der Gender-Feministinnen.
Unabhängig davon scheint es das Gericht nicht zu würdigen, dass der Konflikt ganz eindeutig von dem rotzfrechen minderjährigen Lümmel ausging.

Gerald
8 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Die Signalwirkung dieses Urteils ist verheerend.
Wer hat die Rentnerin überhaupt vor Gericht gebracht? Und warum spricht die Richterin sie schuldig, obwohl sogar die Staatsanwältin für einen Freispruch plädiert?