Bespuckt, beleidigt, geschlagen: Angriffe auf Staatsbedienstete häufen sich – auch Lehrer betroffen

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BERLIN. Wer den Staat repräsentiert, hat es in Deutschland zunehmend schwer – Angriffe häufen sich. Allein in Berlin wurden im vergangenen Jahr mehr als 2.500 sogenannte Amtsträger, darunter viele Lehrer, angegriffen. Knapp die Hälfte von ihnen wurde verletzt. Dies geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf die Anfrage eines Abgeordneten hervor. Offenbar ein bundesweites Phänomen: Auch aus Nordrhein-Westfalen wurde unlängst eine Häufung von Attacken auf Staatsdiener gemeldet. Die Polizeigewerkschaft spricht von einer „Verrohung der Gesellschaft“.

Angriffe auf Staatsbedienstete häufen sich. Foto: Hibr / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Angriffe auf Staatsbedienstete häufen sich. Foto: Hibr / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Mehr als 2500 sogenannte Amtsträger sind im vergangenen Jahr in Berlin angegriffen worden. Knapp die Hälfte von ihnen wurde verletzt. Die 2562 Angegriffenen sind Polizisten, Lehrer, Feuerwehrleute, Justizvollzugsbeamte und weitere Staatsdiener wie etwa Gerichtsvollzieher oder Staatsanwälte. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber hervor. Einzelne Gründe für die anhaltend hohe Aggression gegenüber Staatsvertretern lassen sich laut Senat schwer festmachen. Es sei aber klar: Der «Werteentwicklung innerhalb der Gesellschaft, dem Sinken von Hemmschwellen oder mangelnder Respekt gegenüber Amtsträgern kommt sicherlich eine Bedeutung zu». Der Senat betonte, alle relevanten Behörden würden inzwischen für solche Fälle Schulungen und Qualifizierungen anbieten. Zu den Übungen gehörten Deeskalationsverhalten, Interventionstechniken, Erkennen von Gefahrenpotenzialen und Techniken zum Selbstschutz und zur Eigensicherung.

Die „Rheinische Post“ zitierte unlängst aus einem internen Protokoll, in dem Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von Nordrhein-Westfalen zu Wort kommen und von „drastischen Erfahrungen“ berichteten. Immer häufiger werden Beschäftigte danach während ihrer Arbeit Opfer von Gewalttaten. Die Betroffenen beschreiben in dem Bericht, wie sie bespuckt, eingeschüchtert oder sogar dienstunfähig geschlagen werden. Viele mache das psychisch krank, heißt es. Und: Oftmals werde es Betroffenen untersagt, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Betroffen seien Mitarbeiter aus Finanz- und Ausländerbehörden, Jobcentern, Einwohnermelde- und Schulämtern sowie Lehrer – sogar Krankenhausmitarbeiter würden angegriffen. „Es herrschen zum Teil unhaltbare Zustände in den Ämtern in NRW“, bestätigte Jano Hillnhütter, Vorsitzender der Nachwuchsvertretung Deutscher Beamtenbund und Tarifunion (dbb) dem Blatt. „Es gibt eigentlich kaum ein Amt ohne massive Probleme. Das ist wirklich erschreckend.“

Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, sieht laut „Rheinischer Post“ den Grund für die Gewaltbereitschaft in einer wachsenden Verrohung der Gesellschaft: „Wir stellen eine Entwicklung fest, dass Bürger zunehmend aggressiver sind, und der nötige Respekt gegenüber denjenigen fehlt, die den Staat repräsentieren.“ Auch Verdi-Vorstandsmitglied Achim Meerkamp sieht einen Grund für die Übergriffe „in der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft. Immer mehr Menschen fühlen sich abgehängt und machen nicht direkt die Politik dafür haftbar. Vielmehr werden Beschäftigte im öffentlichen Dienst für die Situation verantwortlich gemacht“.

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Der Berliner SPD-Innenpolitiker Schreiber meint zu der Entwicklung: „Die Zahlen sind schockierend. Der Angriff auf Menschen in Uniform und Lehrer ist nicht hinnehmbar. Wir brauchen mehr Solidarität, wenn es zu solchen Übergriffen kommt. Außerdem müssen die Strafverfolgungsbehörde diese Verfahren zügig bearbeiten. Die Verletzungen laufen in Sekunden ab. Das Trauma bleibt möglicherweise ein Leben lang.“

Schon im Januar hatte die „Stuttgarter Zeitung“ über das Thema berichtet. „Die Bedrohung gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist präsent und virulent“, sagte der Beamtenbund-Vorsitzende Klaus Dauderstädt seinerzeit. Die Wildwest-Methoden seien vielfältig: Die Bandbreite reiche von der Beschimpfung am Schalter oder Telefon bis zu Rüpeleien und körperlichen Attacken, so Dauderstädt. Tausendfach gewähre der Beamtenbund jährlich Mitgliederrechtsschutz, um Schmerzensgeldforderungen von Polizisten durchzusetzen. Auch in den Schulen komme Gewalt täglich vor. „Nicht von ungefähr sind Burnout und Dienstunfähigkeiten unter Lehrkräften Tagesthema.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: GEW: Gewalt gegen Lehrer nimmt zu – von Beleidigungen bis hin zu Schlägen

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9 Kommentare
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GriasDi
8 Jahre zuvor

Sind ja nur Beamte, das ist doch in der Lebenszeit-Anstellung mit inbegriffen.

dickebank
8 Jahre zuvor

Irrtum – Amtsträger müssen nicht zwangsläufig verbeamtet sein. Und Tarifbeschäftigte haben keine Lebenszeit-Anstellung. Ich bitte deshalb die Beamten sich als Opfer zur Verfügung zu stellen.

GriasDi
8 Jahre zuvor

Da haben Sie die Bevölkerung auf Ihrer Seite. Beamte = Pfui

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Ich bin ebenfalls Bevölkerung …

GriasDi
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Ach was …

Ursula Prasuhn
8 Jahre zuvor

Warum verroht unsere Gesellschaft – insbesondere der Nachwuchs – immer mehr, wenn doch das Lernziel „soziale Kompetenz“ bereits vor Jahrzehnten zum A und O einer dominierenden rot-grünen Bildungspolitik erklärt wurde?
Mit dem Erlernen „sozialer Kompetenz“ wurden sogar die zunehmenden Schwächen in den klassischen Lerndisziplinen gerechtfertigt. Es hieß, der traditionelle Leistungsgedanke passe nicht mehr in unsere Gesellschaft, die im Gegensatz zur NS-Zeit den eigenständigen, mündigen Bürger brauche, der sich vor allem auf dem Gebiet des sozialen Miteinanders auskenne und nicht mehr die verstaubten, inhumanen Werte seiner Vorväter pflege. Das klingt gut, doch wo sind diese moderner erzogenen, sozial besseren Menschen, die längst das Bild unserer Gesellschaft prägen müssten?
Trotz einer offensichtlichen Bauchlandung der „edlen“ Bildungspolitik, gibt es aber erstaunlich wenige Bedenken gegen eine Intensivierung derselben Pädagogik. Nur die Optik der Fahne wurde etwas geändert, so als mache sie den Erfolg aus. Diesmal heißt es nicht „soziale Kompetenz“, sondern „Toleranz“. Und wieder wird so getan, als mache das heilige Ziel den Wert des bildungspolitischen Handelns aus. Nur wenige fragen, warum es denn bisher so wenig Erfolg hatte. „Verrohung“ sieht nach Gegenteil von sozialer Kompetenz aus, die im Übrigen auch Toleranz beinhaltet.
Wieder ist nur Hauptsache, dass großartige Worte auf der Fahne stehen, die Kritik an der Bildungspolitik wie gewohnt als unethisches Denken abstempeln. Menschen mit Ethik – so lautet die Logik – läge Mäkelei an einer Erziehung zur Toleranz meilenweit fern. Und wenn es immer heißt, dass der Weg das Ziel sei, dann sind die bildungspolitischen Wege unter dem Banner sozialer Tugenden sakrosankt.

F. H.
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

„Die Tugend nistet, wie der Rabe, mit Vorliebe in Ruinen.“
(Anatole France)

drd
8 Jahre zuvor

der dickebank weiß immer alles ganz genau. und weshalb ergibt das dann trotzdem nicht die bessere argumentation? weil eine mauer etwas anderes ist als die summe ihrer steine.

P. Achim T.
7 Jahre zuvor