Bouffier: «Wir geben die Hauptschule nicht auf, es gibt sie nur nicht mehr»

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OBERTSHAUSEN. Der Vorschlag der Landesschülervertretung zu einem künftigen zweisäuligen Schulsystem hat möglicherweise noch einmal Bewegung in den festgefahrenen hessischen Bildungsgipfel gebracht. Führende CDU-Politiker setzen sich für den Vorschlag ein. Doch nicht Allen gefällt das Ende des dreigliedrigen Schulsystems, das mit der Abschaffung der Hauptschule verbunden wäre. Schon jetzt gibt es allerdings nur noch vier reine Hauptschulen in Hessen.

Auch bei einer Abschaffung der Hauptschule sollen Schüler in Hessen künftig ihren Hauptschulabschluss machen können. «Der Hauptschulabschluss wird bleiben», sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf dem Landestag der Jungen Union in Obertshausen (Kreis Offenbach). In seiner Partei war Kritik laut geworden, die jüngst von der Landesschülervertretung vorgeschlagene Sekundarschule sei «die Einführung der Einheitsschule durch die Hintertür». Die schwarz-grüne Landesregierung hatte sich hinter den Vorschlag gestellt. In der «Sekundarschule» sollen Haupt- und Realschule zusammenfließen.

Das Ende der Hauptschule bedeutet nicht das Ende des Hauptschulabschlusses, betont Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Foto: Staatskanzlei Hessen
Das Ende der Hauptschule bedeutet nicht das Ende des Hauptschulabschlusses, betont Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Foto: Staatskanzlei Hessen

Bouffier entgegnete den Kritikern: «Wir geben die Hauptschule nicht auf, es gibt sie nur nicht mehr». Gerade einmal vier reine Hauptschulen gebe es noch in Hessen, drei in Frankfurt und eine in Wiesbaden.

Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hatte am Montag den Vorschlag der Landesschülervertretung (LSV) unterstützt, demzufolge das Schulsystem künftig nur noch auf zwei Säulen ruht: Gymnasien und Gesamtschulen. Zum zweiten Bereich sollen auch die neuen «Sekundarschulen» zählen. Nur weil ein Vorschlag von der LSV komme, müsse er nicht falsch sein, sagte Bouffier. Eine Änderung des dreigliedrigen Schulsystems in Hessen war in der CDU lange Zeit ein Tabuthema.

«Es geht nicht um die Hauptschule, es geht um die Hauptschüler», betonte Bouffier. Er bekannte sich zu einem ausdifferenzierten Schulsystem, in dem Schüler mit verschiedenen Fähigkeiten auch unterschiedliche Abschlüsse machen können. «Die Einheitsschule ist mit uns nicht zu machen», sagte er weiter.

Das Zwei-Säulen-Modell sieht vor, dass die Gymnasien in ihrer heutigen Form bestehen bleiben und es daneben die Gesamtschule gibt, die sich in drei Bereiche aufteilt: Die Kooperative Gesamtschule, die Integrierte Gesamtschule und eine «Sekundarschule», in der nach den Plänen die Haupt- und Realschule zusammenfließen.

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Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, bezeichnete Bouffiers Rede als «schwere Hypothek» für eine mögliche Einigung beim Bildungsgipfel. Die CDU falle langsam wieder in ihre alten bildungspolitischen Rollenbilder zurück. «Die angebliche Kompromissbereitschaft der CDU in Bildungsfragen ist beim besten Willen nicht zu erkennen», sagte Degen.

Hessens Landesschülervertretung macht sich unterdessen dafür stark, die Debatte um eine bessere Schule auch nach dem Bildungsgipfel nicht abreißen zu lassen. «Die Diskussion darf auf keinen Fall zu Ende sein», sagte Landesschulsprecherin Fevzije Zeneli in Wiesbaden. «Wir müssen uns die Offenheit der Gespräche, die es gerade in der letzten Zeit gab, erhalten.»

Die Landesschulsprecherin äußerte sich überzeugt davon, dass die Diskussionen beim Bildungsgipfel auf Grundlage des LSV-Modells nun zielgerichteter geführt werden könnten. Trotz der kurzen Zeit bis zur letzten Sitzung der Expertenrunde am 17. Juli werde mit dem Vorschlag die Möglichkeit eröffnet, in einigen Aspekten zu einer Vereinbarung zur künftigen Schulstruktur zu kommen.

Die Landesschülervertretung habe für ihren Vorschlag eines Zwei-Säulen-Modells «viele positive, aber auch viele skeptische Rückmeldungen bekommen», berichtete Zeneli weiter. Deswegen werde es in Kürze auch noch ein Treffen mit Vertretern von Eltern-, Lehrer- und Schulverbänden geben. Die Ergebnisse sollen in der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe zur künftigen Schulstruktur am 8. Juni in das Modell eingearbeitet werden. Die abschließenden Empfehlungen müssen vier Tage später an das Kultusministerium geschickt werden. (dpa)

zum Bericht: Künftige Schulstruktur: Landesregierung kann sich für Schülervorschlag erwärmen

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dickebank
8 Jahre zuvor

Wie Theo Waigel bei Einführung des EURO schon sagte: „Wir geben die DEM nicht auf, sie ist einfach nicht mehr da.“

Oder wie „Mutti“ zum BND-Skandal bemerkte: „Wir geben die staatliche Souveränität nicht auf, sie ist einfach nicht mehr da.“

Ja diese Denke erklärt vieles in der CDU. Die geben ihre politischen Vorstellungen gar nicht auf, nein, die sind gar nicht erst da. – Dafür aber alternativlos. Wie blöd darf eine Partei eigentlich sein?

Reinhard
8 Jahre zuvor

Ich freue mich, dass es in Hessen anders als in den vielen anderen „alternativlosen“ Bundesländern auch eine kooperative Gesamtschule geben soll. Gemeinsame Schule, aber differenzierte Klassen: Ist das nicht ein guter Kompromiss zwischen den verhärteten Standpunkten im Bidungssystem?

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Für die CDU ist die KGS keine Alternative, dafür hat sie diese vor allem in NRW in den 70ern zu hart bekämpft. Die „KOOP-Schule“ ist ideologisch kontaminiert, weshalb ja allerorten krampfhaft nach neuen Bezeichnungen für diesen Schultyp gesucht wird.

Fie KGS mit Oberstufe ist genauso wie die „Gemeinschaftsschule in der NRW-Variante“ ene echte Alternative zur IGS bzw. Sekundarschule in der NRW-Variante. Die IGS ist zu damaliger Zeit als Schulversuch zugelassen worden, damit sie scheitert. Seitdem tun die einen alles, um diese eierlegende Wollmilchsau am Leben zu erhalten, und die anderen alles, um ihr die dafür notwendigen ressourcen zu entziehen.

Aus meiner Sicht wäre eine Mischung aus IGS und KGS der „richtige Schultyp“ – bis Klasse 6 gemeinsamer Unterricht, danach Zuweisung zu Profilen, die sich am Schulabschluss orientieren.
Also einer für den HA einschließlich gemeinsmen Unterricht, einen für den erweiterten Hauptschulabschluss, einen für den Mittleren Schulabschluss (FOR) und einen in Vorbereitung auf die GOSt (FOR-QE). Wechsel zwischen den Profiltypen können nach jeder Zeugniskonferenz beschlossen werden.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

ihr modell setzt eine mindestens vier- bis fünfzügige schule voraus, 1-2 klassen gost (je nach erreichbarkeit eines gymnasiums), je eine für die anderen Abschlüsse. auf dem land stelle ich mir das schwierig vor, in der stadt ist das wegen genügend vielen kindern und schulen nicht notwendig. interessant ist das modell trotzdem.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Vierzügigkeit ist ausreichend. Von den 90 bis 95 Schülern gehen voraussichtlich zwischen 40% und 45% in die Oberstufe über – also zwischen 36 und 43, im Mittel ca. 40 Schüler. Um ein größeres Differenzierungsangebot innerhalb der GOSt machn zu können, ist die Einrichtung von Oberstufenzentren, die 3 bis 4 Schulen abdeckken, vermutlich die bessere Voraussetzung.

Auf dem land kann die Vierzügigkeit über interkommunale Schulen in Trägerschaft von Zweckverbänden helfen. Eine Schule – zwei Standorte; der eine in Kleinkleckersdorf, der andere in Krümmelhausen.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Die 40-45% werden Sie wohl nur schaffen, wenn kein Gymnasium in unmittelbarer Nachbarschaft oder mit vergleichbarer Fahrzeit zu erreichen ist. Gibt es schon interkommunale Schulen bzw. sind die überhaupt erlaubt bzw. würde sich ein CDU-regiertes Dorf mit einem SPD-regierten Dorf darauf einigen können ?!?

dickebank
8 Jahre zuvor

Eine Quote von annähernd 45% ist nur zu schaffen, wenn keine Gymnasien in der Nähe sind.

Interkommunale Zweckverbände als Schulträger sind in NRW rechtens. es gibt hier keine Verwaltungsgemeinschaften oder Verbandsgemeinden wie in anderen Bundeländern.

Gegen parteipolitische Kleingeistigkeit ist kein Kraut gewachsen. allerdings springen einige Bürgermeister über ihren Schatten, um eine wohnortnahe Schulversorgung im SekI-Bereich aufrecht zu erhalten. Die denken, besser über den zweckverband beteiligt sein als die „eigenen“ Kinder (der gemeinde) an eine Nachbarkommune zur Beschulung abzugeben. Für die aufnehmenden Gemeinden ist dann auch wieder die Schülerbeförderung bzw. die Kostenübernahme ein Grund andere Kommunen über einen Zweckverband zu beteiligen, da der Schulträger für die Schulbusbeförderung als Sachaufwandsträger zuständig ist..