Krach in Deutschlands Elite-Internat: Salems Leiter will „Burg Schreckenstein“ schließen

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SALEM. Deutschlands größtes Internat in Salem kämpft mit sinkenden Schülerzahlen. Mit einer tiefgreifenden Umstrukturierung will die Schulleitung nun reagieren – und Kosten sparen. Drei der vier Standorte sollen geschlossen werden, darunter auch Schloss Hohenfels, das als Kulisse für die Kinderfilmreihe „Burg Schreckenstein“ diente.

Bernd Westermeyer - neuer Gesamtleiter der Schule Schloss Salem. Foto: Sebastian Willnow / Schloss Salem
Bernd Westermeyer – Gesamtleiter der Schule Schloss Salem. Foto: Sebastian Willnow / Schloss Salem

Mehr Ganztagsschulen, der Wechsel zu G8 und der demografische Wandel machen den Internaten in Deutschland zu schaffen. Auch das renommierte Internat Salem am Bodensee verzeichnet sinkende Schülerzahlen – und steht daher nach Darstellung des Schulleiters Bernd Westermeyer vor der «größten Erneuerungsphase seiner Geschichte». Statt wie bisher an vier Standorten sollen mittelfristig alle Schüler im Salemer Schloss vereint werden.

In einem ersten Schritt werde bis zum Schuljahr 2017/2018 die Unterstufe aus dem Barockschlösschen Hohenfels (Kreis Konstanz) in zwei Gebäude der Salemer Schlossanlage umgesiedelt. Später sollen auch die Überlinger Standorte der Oberstufe im Schloss Spetzgart und im Campus Härlen aufgegeben werden. Im Salemer Schloss sind dafür umfangreiche Um- und Neubauten notwendig.

«Wir müssen uns so aufstellen, dass wir flexibel reagieren können auf bildungspolitische Herausforderungen und die demografische Entwicklung», betont Westermeyer. Steigende Unterhalts- und Betriebskosten würden andernfalls «entweder zu Verlusten oder zu erheblichen Steigerungen des Internatsgeldes» führen. Schon jetzt schlägt ein Schuljahr in Salem mit durchschnittlich rund 36.000 Euro zu Buche. Und lagen die Schülerzahlen vor einigen Jahren noch bei mehr als 700, so hat Salem inzwischen nur noch 613 Schüler.

Mit der Zusammenlegung sollen nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Robert Leicht eines Tages eineinhalb Millionen Euro Betriebs- und Personalkosten jährlich eingespart werden. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: «Das pädagogische Personal kann untereinander besser zusammenarbeiten, extracurriculäre Projekte viel besser umgesetzt, alle Altersstufen integriert erzogen werden.» Das eingesparte Geld könne man in dann in die Qualität investieren.

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Doch bei vielen Lehrern, Eltern, Schülern und Ehemaligen stoßen die Pläne auf Protest. In der Unterstufe im Schloss Hohenfels leben und lernen bisher 82 Zehn- bis Dreizehnjährige in idyllischer Umgebung – und für manch einen so romantisch wie in der Jugendbuchserie «Burg Schreckenstein», dem Hohenfels als Kulisse diente.

Eine Pro-Hohenfels-Gruppe auf Facebook sammelte binnen weniger Wochen 1600 Unterstützer gegen die Schließung. Diese argumentieren vor allem, dass der «geschützte Raum» für die noch kindlichen Schüler mit Aufgabe der Anlage verloren ginge. In Salem würden sie etwa im großen Speisesaal mit Hunderten Teenagern essen. Auch seine ländliche Lage und überschaubare Größe spräche für Hohenfels, heißt es auf der Webseite der Gruppe.

Bereits im März warnte der Betriebsrat in einer Erklärung, die Schließung des «Juwels der Schule würde zum voraussichtlich völligen Verlust der Unterstufe führen». Auch der ehemalige Salem-Schüler Tobias Plessing ist der Ansicht, dass die Schule einen Fehler macht, wenn sie die verschiedenen Standorte aufgibt. Der heutige Professor für Energietechnik im bayrischen Hof, sieht in Salem gar eine «sich anbahnende wirtschaftliche Krise aufgrund von Fehlentscheidungen der Führung».

Für den Vorstandsvorsitzenden Leicht ist das alles Nostalgie: «Die Frage ist, ob die Schule in 20 Jahren noch in der Lage ist, Herausforderungen zu meistern», sagt er. «Und nicht, ob sie nostalgisch verklärende Vorstellungen von Ehemaligen aufrechterhalten kann.» Schulleiter Westermeyer hält die Umstrukturierung für überfällig: «Mit der Zusammenlegung beenden wir eine Dauerdiskussion, die schon seit vielen Jahren geführt wird.»  Anette Le Riche, dpa

Zum Bericht: Neuer Leiter – Salem soll wieder die Leistungselite ansprechen

 

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Ulrich Lange
8 Jahre zuvor

Sic transit gloria mundi!

Ob sich Bernd Westermeyer das bei seinem Dienstantritt als „Kapitän“ des „Flaggschiffs der deutschen Privatschulen“ (siehe http://suite101.de/article/schule-schloss-salem-misslungene-selbstinszenierung-a142546#.VUY3spPfVI4 ) so vorgestellt hatte? Mit der Aufgabe seines sicheren Beamtenpostens als Leiter eines staatlichen Elitegymnasiums in Sachsen-Anhalt ist er nun in der harten Realität der privaten Bildungsindustrie aufgeschlagen. Davon, die geistige Elite nach Salem zu holen, ist schon drei Jahre nach Dienstbeginn am Bodensee nicht mehr die Rede. Angesichts schwindender Schülerzahlen kann man sich die Schüler noch weniger aussuchen als zuvor schon aufgrund des hohen, gern „Elternbeitrag“ genannten, Jahrgeldes von 36.000 Euro (ohne „freiwillige“ Mehrzahlung, die so manchem „schwierigen Fall“ den Zugang zur „Eliteschule“ ebnet). Nun wird er lernen, was es bedeutet, Schule unter den Bedingungen des freien Bildungsmarktes zu halten. Wo jeder unvorhergesehene Abgänger ein großes Loch in die Bilanz reißt, beginnt eine unaufhaltsame Abwärtsspirale: Immer mehr leistungsschwache und verhaltensauffällige Schüler, die die „bessere Kundschaft“ vertreiben. Das hat schon zu Zeiten des legendären Schulgründers Kurt Hahn die Blütenträume von einer „neuen Charakterelite“ alsbald platzen lassen.

Die Frage, „ob die Schule in 20 Jahren noch in der Lage“ sei, „Herausforderungen zu meistern“, stellt sich so nicht. Salem war von der Gründung an allein damit beschäftigt, sich von einer pädagogischen und/oder wirtschaftlichen Pleite zur nächsten durchzuwurschteln. Wenn jetzt die Axt an drei von vier Schulstandorten gelegt wird, ist das lediglich der nächste Einbruch im Auf und Ab der Privatschulkonjunktur. Lieber ein Ende mit (Burg) Schrecken(stein) als ein Schrecken ohne Ende? Was waren knapp 100 Jahre Schulgeschichte denn anderes?

GriasDi
8 Jahre zuvor

Es spricht sich halt auch mittlerweile herum, dass die Leistungen der Schüler an Privatschulen nicht besser sind als an staatlichen.

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Wobei man vielleicht zwischen „Privatschulen“, insbesondere katholischen Gymnasien in größeren Städten mit ihrer handverlesenen Schülerschaft, und privaten Internatsschulen unterscheiden sollte. In letzteren ist ein überdurchschnittlicher Leistungsstand der Absolventen durchaus vorstellbar. Teure Internate wie Salem & Co. dagegen, die ja nur deshalb „Eliteschulen“ genannt werden, weil nur eine Einkommenselite sich hier in ein karrierefördendes Beziehungsnetzwerk einkaufen kann, haben Mühe, den Anschluss an das staatliche Schulwesen zu halten. Sie schaffen dies nur, indem sie die Abiturnoten ihrer Schüler(innen) künstlich aufhübschen. Das Zentralabitur kann solche Mogeleien nicht verhindern, denn durch großzügige Vornoten und Beurteilungen in den mündlichen Prüfungen lassen sich schlechte Leistungen in den schriftlichen Prüfungsfächern leicht „korrigieren“. Hier habe ich mal eine Beschreibung der Salemer Benotungspraxis aus dem Internet:

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Schule_Schloss_Salem

Die meisten Gerüchte die über Salem im Umlauf sind , stimmen nicht !Wissen Sie, mir liegt sehr viel daran Salem gut zu präsentieren und wieder ins rechte Licht zu rücken. Erst einmal, ich bin von einer Realschule mit notendurchschnitt 3,4 nach Salem gewechselt . Ich habe kein Stipendium bekommen, da ich nicht den Erforderungen nachkommen konnte. Nun, im nächsten Zeugnis auf Salem, einem staatlich anerkannten Gymnasium, habe ich einen Durchshnitt von ca 2,3 gehabt! So geht es vielen Schühlern und Schülerinnen hier, da wir pedagogisch sehr gut betreut sind! Die Klassen sind viel kleiner (manchmal sogar nur 13 Schüler in einer Klasse!!) und dadurch können die Lehrer viel besser auf jeden Einzelnen eingehen und dessen Schwächen fördern ! So kommt es auch, dass viele ein Stipendium bekommen da sie wirklich den Notendurchschnitt im Zeugniss vorweisen können ! In meinem Jahrgang bei den Mädchen , haben allein 8 von 14 ein Stipendium und von diesen 8 sind 3 Lehrerkinder und nur 1 adeliger Herkunft. Sie können sagen was Sie wollen, aber dieses Beispiel sollte Ihnen zeigen, dass sie etwas falsch mit der Annahme liegen, dass fast nur Adelige oder Leute aus der oberen Schicht auf Salem sind.

Die Tatsache, dass dein Notendurchschnitt von 3,4 auf 2,3 gestiegen ist, beweist nicht dass der Unterricht in Salem qualitativ so viel höher liegt, sondern lediglich, dass Deine Bewertung an der einen Schule anders vergeben wird als an einer anderen. Wie man, mit verlaub gesagt, an Deiner Schreibweise erkennt.

Ich bin ebenfalls ein „Ehemaliger“, und kann ganz andere Erfahrungen beisteuern. Als ich nach der 10. Gymnasialklasse einer Deutschen Auslandsschule in das Salemer Internat kam, verbesserte sich mein Notendurchschnitt ebenfalls leicht. Einen besonders guten Unterricht habe ich jedoch nicht erlebt. Der Untrrichtsstoff war relativ einfach, und genau auf die Prüfungen abgestimmt; so bekamen Schüler teilweise Hausaufgaben, die später mit den Prüfungsaufgaben bis auf wenige Details übereinstimmten. Als ich später für das Abitur in der 12. Klasse wieder wechselte, sackte mein Notendurchschnitt in der neuen Schule sofort wieder ab, sodass ich die 12. Klasse freiwillig wiederholte, um nicht meine Hochschulreife zu gefährden. Wer nun in Salem alles ein Stipendium bekam, und wer nicht, hat mich damals nicht interessiert (ich bekam keines), und kann ich daher heute auch nicht bestätigen. Allerdings fiel mir damals schon auf, dass Schüler aus besonders wohlhabenden Familien „freiwillig“ Geld spendeten, um der schule die Vergabe von stipendien zu ermöglichen. Diese Schüler wurden im Ausgleich dazu indirekt von der Schulleitung bevorzugt. Ein ansonsten durchweg streng geregeltes Internatsleben wurde in der Praxis auf solche Schüler nicht angewandt, sie genossen somit Privilegien. Mobbing, Diebstahl, Vandalismus, das prahlen mit dem Väterlichen Einkommen oder dessen adeliger Stellung, sowie Bevorzugung und Diskriminierung bringe ich mit Salem in erster Linie in Verbindung. So gesehen findet in Salem zwar keine Schulausbildung auf besonders hohem Niveau statt, aber eine Vorbereitung auf das spätere Leben bekommt man auf alle Fälle, wenn auch auf eine andere Art und Weise, als es die von Arroganz und Überheblichkeit geprägte Schulleitung proklamiert. Douglasdakota 14:06, 27. Mai 2006 (CEST)

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

„In letzteren ist ein überdurchschnittlicher Leistungsstand der Absolventen durchaus vorstellbar.“

Sorry! Muss heißen: In e r s t e r e n ist ein überdurchschnittlicher Leistungsstand der Absolventen durchaus vorstellbar. Der Satz bezieht sich auf katholische Gymnasien ohne Internat.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

Die konfessionsgebundenen Schulen – egal ob in Trägerschaft der katholischen oder evangelischen Kirchen – sind im regelfall staatliche Ersatzschulen und keine Privatschulen im eigentlichen Sinne. Ihr Vorteil ist unbestritten, dass sie nicht jeden Schüler nehmen müssen. Nichts desto trotz müssen sie ihre Klassen vollbekommen – und das macht per se kompromisbereit.

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Privatschulen im „eigentlichen“ und „uneigentlichen“ Sinne gibt es nicht. Es handelt sich nach allgemeinem Begriffsverständnis um einen Oberbegriff für alle als Schulen anzusprechende Bildungseinrichtungen, die sich in nichtstaatlicher Trägerschaft befinden. Diese nichtstaatlichen Träger bzw. deren Verbände bevorzugen statt des Begriffs „Privatschule“ allerdings die Bezeichnis „Schule in freier Trägerschaft.

Ich kann aber sehr gut verstehen, dass Sie sich angesichts eines Anteils der staatlichen Ersatzschulfinanzierung von mindestens 85%, bezogen auf die Vollkostenberechnung an den staatlichen Schulen (Beispiel Hessen; in jedem Bundesland anders geregelt), an der Bezeichnung „Privatschule“ für Lehranstalten evangelischer und katholischer Träger stören.

Privatschulen/Schulen in „freier“ Trägerschaft/ nichtstaatliche Schulen oder wie immer man diese bezeichnen will, sind nach ihrem Rechtsstatus zu unterscheiden in (genehmigungspflichtige) Ersatzschulen und (lediglich anzeigepflichtige) Ergänzungsschulen. Ersatzschulen sind nochmals unterteilt in staatlich genehmigte und staatlich anerkannte private Ersatzschulen. Nur letztere werden im Rahmen der Ersatzschulfinanzierungsgesetze der Länder mit dem jeweiligen Höchstsatz bezuschusst, müssen sich dafür aber an die staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen halten, für Schüler aller Einkommensschichten zugänglich sein und hinsichtlich Qualifikation und Bezahlung ihrer Lehrkräfte sowie Unterrichtsqualität (Lehrpläne, Ausstattung, Methoden) den Maßstäben vergleichbarer öffentlicher Schulen gerecht werden (Prinzip der Gleichwertigkeit, nicht unbedingt der Gleichartigkeit).

Ein Problem besteht darin, dass staatlich anerkannte Ersatzschulen diesen Auflagen oft nicht nachkommen. Dasselbe gilt allerdings auch für die staatlichen Aufsichtsbehörden, die vielfach durch die Finger sehen, weil die Privatschulen und ihre Verbände oft in der Politik sehr gut vernetzt sind und sich so gegen Kontrollen und Sanktionen absichern.

Auch auf der Ebene der Länderregierungen herrscht oft eine erstaunliche „Privatschulfreundlichkeit“, insbesondere gegenüber preislich gehobenen Einrichtungen. Da werden gesetzliche Vorgaben gern mal missachtet oder umgangen, insbesondere das Sonderungsverbot des Art. 7 (4) GG samt der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder haushaltsrechtliche Bestimmungen zur Bezuschussung von Baumaßnahmen. Man muss manchmal wirklich staunen, welcher „diskreten Gunst“ sich manche Privatinstitute aufgrund persönlicher Beziehungen erfreuen.

Beispiele:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14321145.html

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/odenwaldschule-die-herren-vom-zauberberg-1957240.html

http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=3966

https://www.freitag.de/autoren/ulrich-lange/internat-salem-rent-a-minister-president

http://suite101.de/article/schule-schloss-salem-im-sumpf-der-netzwerke-a142791#.VUyMI4uJjcs

Besonders deutlich verstoßen natürlich hochpreisige „Eliteinternate“ gegen die Verfassung, denn die staatliche Regelfinanzierung bezuschusst nur den Schul-, nicht aber den Internatsbetrieb.
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-Beschluss des I. Senats vom 9. März 1994 1 BvR 682, 712/88, BVerfGE 90, 107) verletzt bereits ein verhältnismäßig bescheidenes Schulgeld von umgerechnet 85 Euro das Sonderungsverbot. Salem und ähnliche Nobel-Internate liegen trotz aller Ermäßigungen und Stipendien jedoch im Mittel weit darüber. Das Finanzgericht Köln (Urteil vom 14. Februar 2008, Az.: 10 K 7404/01) zog aus der Tatsache, dass es in Deutschland staatlich anerkannte Ersatzschulen mit einem jährlichen Schulgeld bis zu 30.000 Euro gebe, den folgerichtigen Schluss, dass das Sonderungsverbot in der Anerkennungspraxis der Bundesländer nicht ernst genommen werde.

Dass „Privatschulen“ sich auf einem freien Markt so verhalten wie andere Marktteilnehmer in der Privatwirtschaft auch und sie hinsichtlich der Anforderungen bei der Schülerauswahl entsprechend „kompromissbereit“ oder flexibel sein müssen, wird immer wieder bestätigt. Hier sind aber eben katholische Gymnasien ohne Internat, deren Standort in bevölkerungsreicher Umgebung (z.B. großstädtische Ballungsgebiete) liegt, aufgrund der starken Nachfrage sehr im Vorteil. Nur sie können sich praktisch ihre Schüler nach Leistungsbereitschaft und Sozialverhalten noch aussuchen.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

… wer als Privater zu über 90% in deiner Finanzierung vom Staat abhängt ist kein Teilnehmer eines freien Marktes. Also Privatschulen sind etwas Anderes als staatliche Ersatzschulen in privater Trägerschaft.

Hinzukommt dass der „Private“ dank Konkordat von der vom Staat beigetriebenen Kirchensteuer lebt. Der Eigenanteil, den die Elten zahlen müssen, wenn sie ihn nicht durch staatliche Transferleistungen kompensieren können, ist gelinde gesagt ein Witz.

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

@ dickebank

„… wer als Privater zu über 90% in seiner Finanzierung vom Staat abhängt, ist kein Teilnehmer eines freien Marktes. Also Privatschulen sind etwas anderes als staatliche Ersatzschulen in privater Trägerschaft.“

Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Nur zur Klärung der Begriffe:

„staatliche Ersatzschulen“ kann es nicht geben, weil der Terminus Ersatzschule bedeutet, dass hier durch einen freien Schulträger ein Schulangebot (z.B. Gymnasium) ersetzt wird, das auch der Staat anbietet. Hieraus wird die Pflicht des privaten Trägers abgeleitet, dass seine Ersatzschule im wesentlichen dem „Original“ der staatlichen Schule entsprechen muss.

Zu Wettbewerbsverzerrungen der Privatschulen untereinander kann es nicht kommen, weil ja alle nach demselben Ersatzschulfinanzierungsgesetz bezuschusst werden.

Marktteilnehmer ist man unabhängig von der Frage, wieviel Prozent der Selbstkosten man aus staatlichen Zuschüssen deckt. Ob dies ein „freier Markt“ ist, kann man in Zweifel ziehen. Doch gerät man da ins Uferlose, weil es natürlich auch auf anderen Märkten Anbieter gibt, die in unterschiedlichem Maß subventioniert werden (siehe Landwirtschaft).

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

In NRW werden sie aber genau so bezeichnet, sie sind staatlich (anerkannte) Ersatzschulen in Trägerschaft einer kirchlichen oder weltanschaulichen Gruppierung.

An meinem Wohnort hat nach dem Krieg ein kirchlicher Orden ein Gymnasium gegründet. Auf Grund finanzieller und vor allem personeller Probleme (der Orden hatte zu wenig Nachwuchs) wollte der orden die Schule auflösen. Zwangsläufig wären die dort angemeldeten Schüler berechtigt gewesen ein städtisches Gymnasium zu besuchen. Die Stadt hat aber nur ein einziges städtisches Gymnasium neben zwei weiteren „privaten“ Gymnasien.

Um nicht ganz blöd dazustehen, hat sich die Stadt (Rat) dann dazu entschieden, zusammen mit dem Orden einen eigenen Trägerverein zu gründen. Der orden hat den Grundbesitz und die Immobilie eingebracht in das Vereinsvermögen, die laufenden Kosten und einen EinmalBetrag leistet die Stadt. Des weiteren der Schulleiter dieser „privaten“ Schule ist vor Jahren zur staatlichen Schulaufsicht als LRSD gewechselt; ist kein Problem, da sein Entgelt wie bei allen anderen „Privatschullehrern“ vom Land NRW gezahlt worden ist. Deshalb heißen sie ja auch staatliche Ersatzschulen, sie bieten ersatzweise eine Leistung an, die andernfalls der Staat selber leisten müsste, wenn er sie als Schulträger nicht anerkennen würde.

Bei einem zweiten kirchlichen GY in der Stadt ist die Sporthalle zu klein zu alt etc. Nun hat der Rat der Stadt beschlossen an diesem Standort auf eigene Kosten eine neue Dreifachturnhalle zu bauen. Die Kirche stellt lediglich den Baugrund. Auch hier zahlt die Kommune je Schüler jährlich einen steigenden Betrag zu den laufenden Kosten, unabhängig vom Neubau der turnhalle

Das einzige wirklich „Private Gymnasium“ in Trägerschaft eines Elternvereins erhält, um nicht in Insolvenz zu gehen, den höchsten Zuschuss pro Schülerkopf aus dem städtischen Etat. Dieser Betrag ist fast doppelt so hoch wie der, der für die Schüler am eigenen, städtischen Gymnasium bezahlt wird.

Die vor sechs Jahren gegründete Gesamtschule dieser Stadt, soll zwar einen Neubau bekommen, sitzt aber seit ihrer Gründung in einem ehemaligen Hauptschulgebäude, das bereits an ein wirtschaftsunternehmen verkauft ist, welches seine Betriebsfläche erweitern will. Die ersten beiden Jahrgänge konnten zwar noch in dem alten gebäude untergebracht werden, aber seit Aufnahme des dritten Jahrgangs wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der zusätzlichen Gebäudeteile aus mobilen Raumzelllen (vulgo Containern).

Soviel zum Thema „Privatschulen“ bzw. Schulenin privater Trägerschaft.

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  Ulrich Lange

Die Fälle einer Bevorzugung freier kirchlicher Träger im Schulbereich, die Sie schildern, stellen in gewisser Weise Extrembeispiele für das so genannte „Kirchenprivileg“ dar (vergl. z.B. http://hpd.de/node/18876 ), durch die der demokratische, zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Staat die Großkirchen für deren Ausplünderung durch frühere Feudalsysteme „entschädigt“. Fragen Sie mich doch mal, wie der Markgraf von Baden (die Adelssippe, die mutmaßlich die Kaspar-Hauser-Leiche im Keller hat und – allerdings wohl zu Unrecht – für den „Schandfrieden“ von Versailles verantwortlich gemacht wird) in Besitz des einstigen Zisterzienserklosters Salem gekommen ist, das dann wiederum an das Land Baden-Württemberg verscherbelt wurde, als dem Markgrafen die Unterhaltskosten über den Kopf wuchsen (siehe http://www.tagesspiegel.de/kultur/schloss-salem-oettinger-zahlt-60-8-millionen-an-adelsfamilie/1363834.html). Damit wären wir dann wieder beim eigentlichen Thema, der Schule Schloss Salem, einer anderen Schule in „freier Trägerschaft“. Und wer saß da nach seiner Demission als BW-Ministerpräsident nebst Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Clemens Börsig im Vorstand des Trägervereins und versuchte, eine CSU-Politikerin als neue Schulleiterin durchzudrücken? Richtig: Schlosskäufer Günther Oettinger, unser EU-Kommissar für alles und jedes (nur nicht für Hochdeutsch und Englisch als Fremdsprache). Zwar scheiterte der Coup an der mangelnden Qualifikation der wohl ähnlich sprachbegabten Bewerberin. Doch dafür blieb Frau Prof. Dr. Dr. Haberfellner auf diesem Posten, liiert mit dem CDU-Wissenschaftsminister Prof. Helmut Engler (vgl. http://schuleschlosssalemkritik.tumblr.com/ und http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.eliteinternat-schloss-salem-verzicht-auf-csu-politikerin-page1.898bd964-4f80-440c-a2cd-5384389149bb.html ).

Wen wundert es, dass nun der Steuerzahler für das prunkvolle Schlossambiente der besserverdienenden „Eliteschüler“ aufzukommen hat wie vorher schon für einen Teil der Baukosten des im Jahr 2000 als „Jahrhundertprojekt“ eröffneten „Salem International College“, das jetzt ebenso wie Schloss Hohenfels und Schloss Spetzgart den Konsolidierungsmaßnahmen der Salemer Leitung zum Opfer fallen soll. Zumindest eine These, mit der die Alimentierung der Privatschulen aus dem Staatssäckel gern gerechtfertigt wird, ist hiermit glänzend widerlegt: Dass die freien Träger wirtschaftlicher und effektiver arbeiteten.

Weitere Links zum Thema:

https://www.freitag.de/autoren/ulrich-lange/privatschulen-goldesel-des-staates

http://suite101.de/article/schule-schloss-salem-fuer-reiche-und-arme-a144818#.VU3-JYuJjcs

http://suite101.de/article/schule-schloss-salem-im-sumpf-der-netzwerke-a142791#.VU3-sYuJjcs

http://www.online-artikel.de/article/schule-schloss-salem-wie-ein-guter-ruf-gemacht-wird-119816-1.html

Reinhard
8 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Die Tochter einer Bekannten war per Stipendium in Salem und wollte vor ihrem Mathe-Abi noch ein paar Hilfen von mir. Ich kam mir allerdings überflüssig vor, denn das Mädchen war großartig vorbereitet, wusste mehr und das sicherer als ich’s von meinen Mathe-Leistungskursen träumen könnte – es gibt also hohe Leistungen auf dieser Schule. Eine repräsentative Umfrage habe ich aber ebenso wenig wie die anderen Schreiber hier.

Ulrich Lange
8 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Die Erklärung für Ihre Beobachtung haben Sie im Grunde selbst gegeben: Ihre Bekannte war eben S T I P E N D I A T I N und gehörte damit zu der kleinen Gruppe leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler, die gegen einen Sozialrabatt nur deshalb aufgenommen werden, w e i l sie besser sind als der voll zahlende Salemer Durchschnitt. Diese Stipendiat(inn)en werden mit solchen Aufrufen (siehe http://zfiarchiv.beepworld.de/files/internatesalemstipendienpressemitteilung.pdf) angefixt, um sie in ein soziales Umfeld zu locken, in dem sie eigentlich nichts zu suchen haben.

Schon Schulmitbegründer Kurt Hahn beschrieb die Situation in seinem „7. Salemer Gesetz“ wie folgt:
„Erlöst die Söhne reicher und mächtiger Eltern von dem entnervenden Gefühl der Privilegiertheit!
Dekadenz ist nicht immer ein unabwendbares Naturgesetz, häufiger ist sie eine absichtliche Verschwendung eines großartigen Erbes. Solange sie auf ihre Kreise beschränkt sind, haben die „armen“ Jungen und Mädchen der Reichen keine Möglichkeit, sich zu Männern und Frauen zu entwickeln, die überleben können. Lasst sie die Erfahrungen eines faszinierenden Schullebens mit Söhnen und Töchtern teilen, deren Eltern um ihre Existenz zu kämpfen haben. Keine Schule kann eine Tradition von Selbstdisziplin und tatkräftiger, freudiger Anstrengung aufbauen, wenn nicht mindestens 30 Prozent der Kinder aus Elternhäusern kommen, in denen das Leben nicht nur einfach, sondern sogar hart ist.“
Quelle:
http://suite101.de/article/schule-schloss-salem-demokratische-elite-a142677#.VUz9jpPfVI4

Die Theorie ist, dass die charakterlich und schulisch vorbildlichen Stipendiaten die „armen Mädchen und Jungen der Reichen“ durch ihr positives Beispiel auf den rechten Weg zurück führen. Die Erfahrung zeigt aber, dass sie oft genug der Faszination des Bösen erliegen und sich den dekadenten Reichen anpassen. So schrieb mir eine Stipendiatin:

„Zu den Lehrern kann ich nur sagen: In meinen 9 Jahren auf Salem hatte ich nur 4 Lehrer, die man respektieren konnte, die souverän waren, ihren Stoff solide rübergebracht haben und sich nicht von den verwöhnten Fratzen, die da meine Mitschüler waren, haben einschüchtern lassen. Alle anderen waren nur dauernd bemüht, ja nicht auf die falsche Seite zu geraten und es sich mit den „Coolen“, den Cliquenchefs, zu verderben, denn dann wäre der Unterricht fast unmöglich gewesen. So sahen Lehrer seelenruhig zu, wie meine Schulsachen regelmässig aus dem Fenster flogen und anderer Unfug mit mir oder anderen armen Hanseln getrieben wurde.
Komasaufen und anderer Blödsinn war auf der Mittelstufe schon an der Tagesordung – auf der Oberstufe verkam alles zu einem Sodom-und-Gomorrha-ähnlichen Zustand. Jeder schlief mit jedem, zum Alkohol kamen jetzt noch Drogen. Wärend meiner Zeit auf Mittel und Obestufe sah ich mehrere Schüler, die mit mir auf der untersten Hierarchiestufe waren, weil ent-weder Stipendium, Pickel oder sonst was – die Selbstmordversuche begingen. Magersucht und andere psychische Störungen waren auch ziemlich häufig. Patrice [Rapper, der zeitweilig suspendiert war, weil er sein Bett ange-zündet hatte,] war übrigens eine Klasse unter mir – ein schönes Beispiel für die generelle Haltung der Schüler – arrogant, verwöhnt, grossmäulig und nichtsnutzig. Ariane Sommer [bekannt geworden als erstes deutsches It-Girl und ein Bad in Mousse au chocolat] war 2 Klassen über mir.
Natürlich werden die fast alle was. Denn ganz egal, ob sie in der Schule oder auf der Uni was taugen, Papi hat ja schon ein erfogreiches Business, da kann man einfach als Chef einsteigen und alles ist super. Leisten muss man dafür nichts. Einige brauchen sowieso nicht zu arbeiten. Da ist schon so viel Geld, dass sie den Rest ihres Lebens damit verbringen können, um den Globus zu jetten und sich gross vorzukommen. Natürlich ist es ein herrvoragendes Aushängeschild für Salem, wenn Firmenbosse und Grafen auf der Liste ihrer ehemaligen Schüler stehen. Wie sie dazu gekommen sind, spielt da keine Rolle.
Fast nur aus den Unbeliebten, den Strebern, Hässlichen und Stipendiaten – also den Aussätzigen der Salem-Elite, ist nachher durch Leistung was geworden – ob sie allerdings psychisch in Ordnung sind, wage ich zu bezweifeln.“

Eine Sendung des SWR2 erklärt unter dem Titel „Der feine Unterschied und seine Folgen“ das Salemer Stipendiensystem:

„Die Leistungsträger unter den Schülern, die sich in den sozialen Diensten engagieren,
Schulsprecher sind oder im Schülerrat mitmachen, sind in der Regel Stipendiaten. Etwa ein Drittel der Schüler bekommt ein Stipendium. Sie werden sorgfältig ausgewählt. Wer jedoch voll zahlt, wird unbesehen genommen. Man wirbt um die „Vollzahler“, denn sie sichern den Bestand der Schule, und mit ihren Gebühren bringen sie auch die Kosten für die Stipendiaten auf.
In puncto Leistungsverteilung ist es in Salem genau umgekehrt wie an anderen Schulen: Hier gibt es nicht die übliche Normalverteilung mit viel Durchschnitt, wenigen Spitzen und ein paar Versagern, sondern mehr Extreme: Hohe Leistungen und diejenigen, die
durchgeschleppt werden müssen.“
Quelle: http://zfi-archiv.beepworld.de/files/salemfeinerunterschiedswr2.pdf

Eine weitere Einnahmequelle neben den Vollzahlern, die „unbesehen genommen“ werden, sind „schwierige Fälle“ von Jugendämtern, für die mindestens der volle Satz gezahlt wird. Siehe
http://zfi-archiv.beepworld.de/files/internatejugendmtersalemlouisenlund.pdf

Allerdings kann das auch mal böse ins Auge gehen. Siehe
http://zfi-archiv.beepworld.de/files/internategewaltexzesse.pdf

Wie man an Ihrem Post sieht, funktioniert das Aufhübschen einer Problemschule mit Hilfe von Stipendiaten doch wunderbar. Klar gibt es auch hohe Leistungen in Salem. Und es gibt noch eine Menge anderer Möglichkeiten, den Abi-Notendurchschnitt zu heben. Nur zwei Quellen:
http://zfi-archiv.beepworld.de/files/internatesalemabischnitteschulradar.pdf
http://zfi-archiv.beepworld.de/files/internbergiersiepennnz.pdf

Silvia Schulz
8 Jahre zuvor

Guten Tag, also ich kann als Ehemalige des humanistischen Gymnasiums Steglitz nur sagen, dass man sich bei vielen Leuten als reiches Versager-Kind outet, wenn man sagt, dass man im „Club Med“ war.
Salem gilt bei vielen als Nachhilfeanstalt für Reiche. Ein paar Schüler, die es bei uns nicht geschafft haben, aber reiche Eltern hatten, sind nach Salem gegangen. Abgesehen davon fand ich Salem – Schüler und -Eltern meist borniert und unangenehm. So benimmt sich keine Elite sondern Neureiche. Echten geistigen Adel produziert man nur durch Bildung, nicht dadurch, dass man sich elitär fühlt. Das mag in England anders sein, in Deutschland beweist man überdurchschnittliche Begabung bis jetzt noch immer ganz gut an staatlichen Gymnasien, auch wenn es nur eine Handvoll sein mag. Dass die SalemFamilien oft Liebe durch Geld ersetzt haben, und die Kinder auf hohem Niveau verwahrlost waren, ist mir damals bei zwei, drei Fällen stark aufgefallen.