Studie: Kinder in Deutschland abgesichert, anspruchsvoll und vergleichsweise unzufrieden

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FRANKFURT/MAIN. Bei einer großen Studie zur weltweiten Zufriedenheit von Kindern ist Deutschland nur auf dem zehnten Platz im Feld der 15 Teilnehmer-Länder gelandet. Hiesige Jugendliche seien nur mäßig motiviert zu lernen, befinden Experten.

Am glücklichsten zeigten sich einer Rangliste zufolge die 12-Jährigen in Rumänien, gefolgt von Kolumbien und Israel. Sie wurden gebeten, ihr subjektives Wohlbefinden auf einer Skala einzuschätzen. Am unzufriedensten äußerten sich die zwölfjährigen Kinder in Südkorea.

Bei Studien zur Kinderfreundlichkeit landet Deutschland regelmäßig auf hinteren Plätzen. Deutsche Kinder landen im Mittelfeld, was ihre Zufriedenheit angeht. Foto: Nick See/Flickr (CC BY-NC 2.0)
Bei Studien zur Kinderfreundlichkeit landet Deutschland regelmäßig auf hinteren Plätzen. Deutsche Kinder landen im Mittelfeld, was ihre Zufriedenheit angeht. Foto: Nick See/Flickr (CC BY-NC 2.0)

Befragt wurden für die Studie, an der in Deutschland die Frankfurter Goethe-Universität beteiligt war, 53 000 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren. Der Bericht, der auch in Brüssel veröffentlicht wurde, soll Erkenntnisse zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern auf der ganzen Welt bringen. Die Studie «Children’s World» fülle eine Lücke der internationalen Forschung.

Befragt wurden für die Studie Jungen und Mädchen in den Jahren 2013 und 2014 in Algerien, Äthiopien, Deutschland, England, Estland, Israel, Kolumbien, Nepal, Norwegen, Polen, Rumänien, Südafrika, Südkorea, Spanien und Türkei.

Schulpsychologe Klaus Seifried (Berlin) ist nicht verwundert über die deutschen Resultate: «Kinder, die im Wohlstand aufwachsen, sind sehr anspruchsvoll und somit auch schneller unzufrieden. In unserer Gesellschaft dreht sich viel um Wohlstand, Konsum und Freizeitsensationen, während es für Kinder in ärmeren Ländern um die Existenzabsicherung geht.» Kinder in Afrika oder Asien seien oft froh, wenn sie täglich etwas zu essen bekämen und zur Schule gehen dürften. In Deutschland seien viele Kinder eher mäßig motiviert zu lernen, sagte der Experte vom Berufsverband Deutscher Psychologen. «Hierzulande tragen ein großer Fernseher und eine Spielkonsole im Kinderzimmer oder ein neues Fahrrad eher zum Kinderglück bei.»

Deutlich wurde in der Studie: Kinder erleben in ihrer Wahrnehmung große Unterschiede. In europäischen Ländern sind sie den Angaben zufolge zufriedener mit ihren Freundschaften, während Kinder aus afrikanischen Ländern tendenziell glücklicher mit ihrem Schulleben sind. Kinder in nordeuropäischen Ländern hingegen sind insbesondere unzufrieden mit ihrem Aussehen und ihrem Selbstbewusstsein.

Zu den bundesweiten Ergebnissen sagte Studienleiterin Sabine Andresen von der Universität Frankfurt: «Kinder in Deutschland sind im hohen Maße mit ihren Freundinnen und Freunden zufrieden. Mit Blick auf die Erwachsenen ist ihnen wichtig, dass sie ernst genommen und einbezogen werden. Generell sinkt das Wohlbefinden bei den Zwölfjährigen, vor allem Mädchen sind weniger zufrieden mit ihrem Aussehen.»

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Die Studie gibt Auskunft über grundlegende Lebensbereiche wie Familie, Freundschaften, Geld und Besitz, Schulleben, Wohnumgebung, Freizeit und Zeitnutzung, persönliches Wohlbefinden und Kinderrechte.

In Europa und Südkorea verringert sich laut der Erhebung das Wohlbefinden von Kindern zwischen zehn und zwölf Jahren, während in anderen Ländern, wie zum Beispiel Israel und Äthiopien, keine Altersunterschiede sichtbar wurden.

Zwischen den Ländern wurden Unterschiede deutlich, wie Kinder ihre Zeit verbringen. In Estland wenden sie zum Beispiel mehr Zeit für ihre Hausaufgaben auf als in Südkorea und England. Kinder in Polen, Norwegen und Israel sind eher sportlich aktiv. Kinder in Algerien, Nepal und Südafrika verbringen hingegen viel mehr Zeit damit, sich um ihre Geschwister oder andere Familienmitglieder zu kümmern als in anderen Ländern, wie etwa Deutschland, Türkei und Südkorea.

Asher Ben-Arieh (Israel), einer der Untersuchungsleiter und der Vorsitzende der International Society of Children’s Indicators, sagte: «Dieser Bericht ist der Höhepunkt vieler Jahre Arbeit an einem vertieften Verständnis für die Perspektive von Kindern, über ihre Lebenswelt und ihr Wohlbefinden. Unsere Arbeit beweist, dass es möglich und wertvoll ist, Kinder zu fragen, was sie von ihrem Leben halten.»

• Ergebniszusammenfassung (engl.)
Webseite zur Studie

zum Bericht: Kinderfreundlichkeit: Deutschland bleibt am unteren Ende
zum Bericht: Studie: Eltern suchen Orientierung in Erziehungsfragen – und zwar bei Lehrern

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3 Kommentare
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drd
8 Jahre zuvor

Sabine andresen hat mit mir in hd studiert und war dann bei oelkers mitarbeiterin bevor sie professorin wurde. Sie ist eine eiskalte quantitative empirikerin die subjektive theorien und selbstkonzepte erheben für unwissenschaftlich hält. Sie glaubt an statistische zahlen. Nichteinmal ein relativierender vergleichsfaktor ist hier drin. Ich sage nur: „rumänische kinder glücklicher als deutsche“. Wer setzt die merkmale für „glücklich?“

Ursula Prasuhn
8 Jahre zuvor
Antwortet  drd

Mir ist eine „eiskalte quantitative Empirikerin“ lieber als sog. Wissenschaftler, die mit der Art ihre Befragungen vor allem das beweisen wollen, was ihnen bzw. ihren Auftraggebern genehm ist. Diese zunehmenden Pseudo- bzw. Gefälligkeitsstudien dienen nicht der Aufklärung, sondern Fremdinteressen.
Es mag befremdlich wirken, dass Kinder aus dem Armenhaus Europas – Rumänien – sich häufiger glücklich nennen als deutsche Kinder. Mich überrascht dieser Befund zwar auch etwas, aber er haut mich nicht um. Immer wieder ist zu hören, welch gravierende Seelenstörungen Kinder in Vorzeige-Sozialstaaten wie Finnland oder Frankreich haben. Jugendliche aus diesen Ländern liegen in Sucht- und Selbstmord-Statistiken weltweit ganz vorn. In Schweden, dem Mekka staatlicher Fürsorge sieht es nicht viel besser aus.
Die „eiskalte quantitative“ Befragung nach der subjektiven Selbstwahrnehmung halte ich für weitaus vertrauenswürdiger als relativierende Vergleichsfaktoren, die eine Objektivität vorgaukeln, die es bei manchen Fragen nicht gibt und auch nicht geben kann. Ob sich jemand glücklich fühlt oder nicht, kann nur er sagen. Diese Selbsteinschätzung durch Gesichtspunkte von außen in Frage zu stellen, bedeutet für mich immer häufiger, sie ideologisch zu „bereinigen“, damit die eigene Gesellschafts- und Bildungspolitik nicht in Frage gestellt wird.

M. J.
8 Jahre zuvor

In Ländern, die geprägt sind von einer Politik, die Gerechtigkeit und Gleichheit in Quotenregelungen, Umverteilungszwängen und staatlichen Gesinnungsvorschriften sieht, müssen persönliche Glückserfahrungen seltener werden. An ihre Stelle tritt die vielzitierte „Zwangsbeglückung“, die Bürger in staatlich verordnete Korsetts presst und diese als Wohlfühlgewänder verkauft.
Kinder sind nicht ausgenommen. Durften sie sich früher bis zum Schuleintritt noch relativ frei entwickeln, heißt es heute: Früh raus aus den Familien und rein ins staatliche Bildungskorsett. Zum guten Staatsbürger gehört nicht Individualismus, sondern Kollektivismus.
Glück ist jedoch ein sehr persönliches Gefühl, das nicht verordnet werden kann, auch nicht von Leuten aus der politischen Führungsschicht, die den Nachwuchs am liebsten gleich gepolt sähen.
„Nichts bringt uns mehr vom Weg zum Glück ab, als dass wir uns nach dem Gerede der Leute richten, statt nach unseren Überzeugungen.“ (Seneca)
Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn in „Armutsländern“ Kinder glücklicher sind als in „Wohlfahrtsstaaten“, wo körperlich überernährt wird, geistig-seelisch aber unterernährt, so dass eigene Überzeugungen als Voraussetzung für persönliches Glück zur Mangelware werden.