Wann ist der Schulfrieden in Gefahr? Experten ringen um Schulrechtsänderung nach dem Kopftuch-Urteil

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DÜSSELDORF. Ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen ist nur rechtens, wenn der Schulfrieden in Gefahr ist. Aber wann ist das der Fall? Damit muss sich nun der Landtag auseinandersetzen.

Die geplanten Änderungen des nordrhein-westfälischen Schulrechts nach dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts stoßen auf geteilte Meinungen. Während Rechtswissenschaftler sie einhellig begrüßen, sind Lehrer skeptischer. Sie fragen, wie Schulen beurteilen sollen, ob eine muslimische Pädagogin mit Kopftuch den Schulfrieden stört oder nicht. Das geht aus Stellungnahmen an den Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags hervor. Das Thema ist dort am Mittwoch Gegenstand einer Sachverständigen-Anhörung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Januar festgestellt, dass eine Bevorzugung christlich-abendländischer Bildung- und Kulturwerte nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ein entsprechender Satz im NRW-Schulgesetz muss daher gestrichen werden. Außerdem urteilten die Karlsruher Richter, dass ein generelles Kopftuch-Verbot an Schulen gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit verstößt. Das Tragen eines Kopftuchs oder eines anderen religiösen Symbols dürfe nur verboten werden, wenn davon im Einzelfall eine konkrete Gefährdung für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgehe.

Mit dem Streichen eines Satzes im Schulgesetz ist es für die Landeselternkonferenz NRW und den Philologenverband nicht getan. Beide fordern in ihren Stellungnahmen an den Landtag praktikable und verbindliche Regelungen. Eine Einzelfallprüfung überfordere die Schulen und schreibe Rechtsunsicherheit fest, warnte der vor allem Gymnasiallehrer organisierende Philologenverband.

Auch das Katholische Büro NRW und der Münsteraner Rechtswissenschaftler Prof. Hinnerk Wißmann empfehlen Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Die Vertretung der katholischen Bischöfe wünscht sich eine Formulierung, die es Lehrenden ausdrücklich verbietet, politische, religiöse oder weltanschauliche Bekundungen von sich zu geben, die die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern verletzen oder den Schulfrieden stören. Die Feststellung, dass das Neutralitätsgebot nicht im Religionsunterricht und in öffentlichen Bekenntnisschulen gelte, müsse aber im Gesetz erhalten bleiben.

Rechtswissenschaftler Wißmann empfiehlt dem Landtag hingegen, diese Festlegung zu streichen. «Wenn Kleidung oder Verhaltensweisen von Lehrkräften dem Unterrichtserfolg entgegenstehen, bleiben sie auch nach neuer Rechtslage verboten», hält er in seiner Stellungnahme fest. Dies gelte dann auch für den Religionsunterricht. Er rät der rot-grünen Landesregierung, das «verpflichtende Toleranzgebot» durch Verwaltungsvorschriften und Beratung vor Ort sicherzustellen.

Der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht betont: «Wer die Religion aus der Schule aussperrt, treibt Außenseiter ebenso wie Eliten letztlich in ein abgesondertes privates Schulwesen.» Religion sei ein Faktor persönlicher Identität, der in Erziehungsfragen Berücksichtigung verdiene. Auch das Katholische Büro begrüßte, dass die Verfassungsrichter Schulen nicht als «religionsfreie Räume» sehen. Das neue Schulrecht soll nach weiteren Beratungen am 1. August in Kraft treten. dpa

Zum Bericht: Sieben Bundesländer betroffen – Kopftuch-Urteil sorgt bundesweit für Diskussionen

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2 Kommentare
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sofawolf
8 Jahre zuvor

Wenn man ein Kreuz tragen darf, dann muss man auch ein Kopftuch tragen dürfen.

Ich sehe darin keine Gefahr, sondern eher Klarheit. Die Kinder erkennen schnell(er), warum sich jemand wie äußert. („Ahh, das sagt sie ja nur, weil sie eine Muslima ist.“)

Stefan B.
8 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Soweit ich unterrichtet bin, hat das Kopftuch ebenso wie die Burka weniger mit Religion zu tun als mit islamischen Gesellschaftsvorstellungen, in denen sich die Frau gemäß ihrer untergeordneten Rolle zu verhüllen hat.
Warum orthodoxe Muslime und Muslima daraus ein primär religiöses Zeichen machen, liegt auf der Hand. Nur so ist es möglich, sich aufs Grundgesetz zu beziehen.