Gutachten: Pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen nicht erlaubt – auch Berlin muss Gesetz wohl nun ändern

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BERLIN. Das Berliner Neutralitätsgesetz muss nach einem Gutachten auf den Prüfstand. Erneut geht es um das Kopftuch muslimischer Frauen. Ob sie es pauschal in Berliner Schulen nicht tragen dürfen, wird jetzt angezweifelt.

Junge Frau mit Kopftuch - «Namentlich ein Kopftuch ist nicht aus sich heraus religiöses Symbol.», befanden die Karlsruher Richter. Anders als ein Kruzifix an Schulwänden, stelle es daher auch keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben dar. Foto: wahyucurug / pixabay (CC0)
«Namentlich ein Kopftuch ist nicht aus sich heraus religiöses Symbol.», befanden die Karlsruher Richter. Anders als ein Kruzifix an Schulwänden, stelle es daher auch keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben dar. Foto: wahyucurug / pixabay (CC0)

Das Berliner Neutralitätsgesetz sei in seiner jetzigen Fassung verfassungswidrig, da es ein pauschales Verbot enthalte, religiöse Symbole oder Kleidungsstücke in Schulen, Gerichten oder bei der Polizei zu tragen, heißt es in dem Gutachten. Lehrerinnen in Berlin muss danach unter bestimmten Bedingungen das Tragen eines Kopftuchs in der Schule erlaubt werden. Zu diesem Schluss kommt eine Expertise des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes im Auftrag der SPD-Fraktion. Die Änderung des 2005 erlassenen Neutralitätsgesetzes sei nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes geboten, schlussfolgern die Gutachter.

Ein pauschales Verbot verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit der Frauen, urteilten die Karlsruher Richter im Januar. Nordrhein-Westfalen hat bereits auf das Urteil reagiert und die gesetzliche Grundlage für das bislang geltende Kopftuchverbot geändert.

Die höchsten Verfassungsrichter hatten über die Beschwerde zweier muslimischer Lehrerinnen aus Nordrhein-Westfalen entschieden. Insofern beziehe sich das Karlsruher Urteil nur auf Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, nicht auf Richter oder Erzieherinnen in öffentlichen Kitas, so die Gutachter. Das bedeute, dass nach dem Berliner Gesetz zum Beispiel Richterinnen «bei der Ausübung ihres Amtes in Berliner Gerichten auch weiterhin nicht das islamische Kopftuch tragen dürfen», hieß es.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist ein pauschales Kopftuch-Verbot nicht zulässig, wenn die betreffende Lehrkraft «nachvollziehbar ein als verpflichtend empfundenes Glaubensgebot» geltend macht und «nur eine abstrakte, aber nicht eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die religiöse Neutralität des Staates vorliegt», so die Parlaments-Gutachter.

Es müsse also in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Lehrerin das Kopftuch als Glaubensgebot trägt und ob sich an diesem Kopftuch dann so heftige Debatten in der Schüler- oder Elternschaft entzünden, dass sie den Schulfrieden und die Erfüllung des pädagogischen Auftrages gefährden.

Die Gutachter schlagen deshalb vor, Artikel 1 § 2 des Berliner Gesetzes mit dem Pauschal-Verbot des Tragens religiöser Symbole und Kleidungsstücke durch einen klarstellenden Satz zu ergänzen: «Satz 1 findet keine Anwendung, wenn das Tragen des Symbols oder des Kleidungsstücks im Einzelfall nachvollziehbar als religiös verpflichtend empfunden wird und keine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Landes Berlin darstellt.»

SPD-Fraktionschef Raed Saleh – selber Muslim – äußerte sich abwartend. «Meine liberale Haltung zu diesen Fragen ist ja bekannt; aber wir haben mit dem Berliner Neutralitätsgesetz eine gute Lösung, die alle gleich behandelt», erklärte er am Mittwoch. «Ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Änderungen führt, muss der Senat bewerten und entsprechende Vorschläge machen; dort sind die Prüfungen noch nicht abgeschlossen.» dpa

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