Studie kritisiert Wartezeit von Flüchtlingskindern auf Schulbesuch – „Herausforderungen waren vorhersehbar“

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BERLIN. Das Thema Flüchtlingskinder beschäftigt in Berlin die Kultusminister der 16 Bundesländer. In punkto Schulpflicht für junge Migranten liegt nach einer Studie noch manches im Argen. Auch seien mehr Lehrerstellen dringend nötig, fordert die Bildungsgewerkschaft GEW.

Bei der Schulpflicht für Kinder von Zuwanderern und Flüchtlingen präsentiert sich Deutschland nach einer neuen Studie derzeit als Flickenteppich. Es gebe noch großen Nachholbedarf in vielen Bundesländern, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Nur in Berlin und im Saarland bestehe von Beginn an eine gesetzliche Pflicht zum Unterrichtsbesuch auch ohne Aufenthaltsstatus und schon vor Beginn des Asylverfahrens.

In den anderen Ländern gelte dies hingegen nicht automatisch. «Das Verfahren kann derzeit mehrere Monate, teilweise länger als ein Jahr dauern. Auch wenn in diesem Zeitraum ein Recht auf Schulbesuch besteht, sind die Kinder und Jugendlichen häufig faktisch vom Schulbesuch ausgeschlossen», kritisierte die Mitautorin der Mercator-Studie, Mona Massumi. Sie empfahl, dass zwischen Ankunft und Schulbesuch nicht mehr als drei Monate liegen sollten.

Auch bei der Organisation des Unterrichts gebe es in den Ländern unterschiedlich verbindliche Regelungen – von integrativem Unterricht in normalen Klassen ab dem ersten Tag bis zur Einrichtung von parallel geführten Klassen, in denen die Schüler zunächst Deutsch lernen. Die Studie zeigt ferner, dass die Länder zunehmend Unterstützungs- und Fortbildungsangebote für Lehrer und Schulen auf den Weg bringen. «Das Angebot ist jedoch häufig unübersichtlich.»

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 Lehrerinnen und Lehrern haben eine gesellschaftlich sehr wichtige Funktion - darauf macht der Weltlehrertag u.a. auch aufmerksam. (Foto Wondleywonderworks/Flickr CC BY 2.0)
Wann Flüchtlingskinder in Regelklassen kommen, ist von Land zu Land unterschiedlich. (Foto Wondleywonderworks/Flickr CC BY 2.0)

Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) sieht die Länder beim Umgang mit Schülern aus Flüchtlingsfamilien grundsätzlich auf einer Linie. «Die Übereinstimmung ist ganz eindeutig, dass es darum geht, die jungen Menschen möglichst schnell in Regelklassen einzuschulen», sagte er vor der Sitzung der Kultusministerkonferenz in Berlin. Es gebe «die Grundlinie, möglichst rasch Sprachkompetenz herzustellen», sagte er. «Ob es bei dem einen Land drei Monate oder beim anderen fünf Monate sind bis zur Einschulung in eine Übergangs- oder Regelklasse, ist dann eher sekundär.»

Laut Mercator-Studie sind 2014 knapp 100 000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter neu nach Deutschland zugewandert. Die Zahl bezieht sich nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auf alle 6- bis 18-jährigen Migranten. «Die aktuellen Herausforderungen waren, wenn auch nicht in der Dimension der letzten drei Monate, vorhersehbar», sagte Institutsdirektor Michael Becker-Mrotzek. «Die Frage, wie neu zugewanderte Kinder und Jugendliche im Bildungssystem aufgenommen werden können, ist jahrelang vernachlässigt worden.» Weiterführende Schulen stünden vor besonderen Herausforderungen: Laut Studie sind gut zwei Drittel der Migrantenkinder zwischen 10 und 18 Jahre alt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert für die Bildung von Flüchtlingen Zehntausende zusätzliche Lehrer- und Erzieherstellen. «Alle Flüchtlinge und Asylsuchenden müssen von Anfang an Zugang zu Bildung bekommen», forderte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Vor allem müssten Kitas, Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen so ausgestattet werden, dass Flüchtlinge und Asylsuchende schnell die deutsche Sprache lernen könnten. Der Bund müsse den größten Teil der Kosten tragen.

Die GEW rechnet in den nächsten zwölf Monaten bundesweit mit rund 300 000 zusätzlichen Schülern, die allein oder mit den Eltern geflüchtet sind. Rund 8000 Lehrkräfte je 100 000 Schüler würden zusätzlich gebraucht, also 24 000, sagte Tepe. In den Kitas erwarte die GEW bis zu 100 000 geflüchtete Kinder – rund 14 000 Erzieherinnen und Erzieher müssten zusätzlich eingestellt werden. dpa

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