15 Jahre nach der ersten PISA-Studie: Die OECD lobt Deutschland für sein Bildungssystem

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BERLIN. Lange hat die OECD, Herausgeberin der PISA-Studie und anderer internationaler Bildungsvergleiche, Deutschland für sein Bildungssystem kritisiert. Doch es tut sich was – 15 Jahre nach der Erhebung des ersten PISA-Leistungsvergleichs. Besonders bei der lange umstrittenen frühkindlichen Bildung geht es voran, wie eine neue OECD-Studie zeigt. Und siehe da: Es gibt Lob aus Paris, dem Sitz der Industrieländer-Vereinigung.

Unerwartetes Lob: OECD-Generalsekretär Angel Gurria. Foto: World Economic Forum / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Unerwartetes Lob: OECD-Generalsekretär Angel Gurria. Foto: World Economic Forum / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Es fühlt sich immer ein wenig wie Zeugnis-Ausgabe an, wenn die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren Jahresbericht «Bildung auf einen Blick» abliefert. Die am Dienstag vorgestellte Studie zu rund 150 Indikatoren enthält zwar keine Schulzensuren für das Bildungssystem, sie schreibt Experten und Politikern aber doch eine Reihe wertvoller Erkenntnisse ins Klassenbuch. Deutschland kommt insgesamt gut weg.

VORSCHULBILDUNG: Schon bei den Jüngsten beginnt die oft beschworene Chancengerechtigkeit. Die Bundesrepublik hat dabei nach den Vergleichszahlen für über 30 OECD-Länder viele Fortschritte gemacht. Knapp zwei von drei Zweijährigen (59 Prozent) nehmen Angebote der frühkindlichen Bildung wahr – viel mehr als im OECD-Durchschnitt (39 Prozent). Schon bei den Dreijährigen (92 Prozent), erst recht bei den Vier- und Fünfjährigen ist die Teilnahme quasi flächendeckend. Allerdings besucht bundesweit nur etwa jedes dritte Kind im Vorschulbereich öffentliche Kitas (OECD: 61 Prozent), oft werden private und kirchliche Einrichtungen genutzt.

SCHÜLER-LEHRER-QUOTE: In der frühkindlichen Bildung in Deutschland betreut ein Erzieher im Schnitt fünf Kinder, in der Vorschulbildung zehn. Damit ist das Verhältnis günstiger als im OECD-Schnitt mit je 14 Kindern pro Erzieher/Lehrer. In den Grundschulen erreicht Deutschland mit 16 Schülern pro Lehrer eine Quote auf OECD-Niveau, im Sekundarbereich mit 13 Schülern je Lehrer ebenfalls.

SCHULABSCHLUSS: Das Bildungsniveau in Deutschland ist hoch. Fast neun von zehn jungen Menschen zwischen 25 und 34 Jahren in Deutschland (87 Prozent) haben mindestens einen weiterführenden Abschluss der Sekundarstufe II (Gymnasium, Berufsschule, Abendschule). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 83 Prozent. Und: «Deutschland ist eines der wenigen OECD-Länder, in denen über mehrere Generationen hinweg nahezu 90 Prozent der Bevölkerung wenigstens einen Sek-II-Abschluss erworben haben.»

ÜBERGANG IN DEN ARBEITSMARKT: Wer die Schule hinter sich hat, rutscht in Deutschland vergleichsweise reibungslos in den Arbeitsmarkt. Das liege auch am «dualen System» aus betrieblicher Lehre und Berufsschule, hebt der OECD-Bericht hervor. So lag nach den Vergleichsdaten für 2014 die Quote der 20- bis 24-Jährigen, die weder in Arbeit noch in Aus- oder Weiterbildung waren, hierzulande bei niedrigen 10,1 Prozent. Im Durchschnitt von 33 OECD-Staaten waren es 17,9 Prozent, in Ländern wie Spanien (29,0) und Italien (34,8) blieben extrem viele junge Menschen auf der Strecke. Pikant: Gerade die duale Ausbildung war der OECD lange ein Dorn im Auge – immer wieder war Deutschland aufgrund seiner vergleichsweise niedrigen Studierendenquote gerügt worden.

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BILDUNGSABSCHLÜSSE: Rund 53 Prozent eines Jahrgangs in Deutschland beginnen derzeit ein Studium oder einen anderen sogenannten tertiären Bildungsgang wie Meister oder Techniker. Der OECD-Schnitt liegt mit 60 Prozent noch ein gutes Stück darüber. Der stellvertretende OECD-Generalsekretär Stefan Kapferer führt dies auch auf die «attraktive Alternative durch eine berufliche Ausbildung» in Deutschland zurück. Dennoch müsse man auf dem Weg zu Top-Bildung vorankommen, denn: «Die entstehende Fachkräftelücke kann nur geschlossen werden, wenn sich der Anteil gut ausgebildeter Jugendlicher an den zahlenmäßig schwächeren, nachrückenden Jahrgängen weiter erhöht.»

MASTER UND PROMOTION: Die auf den Bachelor fußende Master- und Promotionsebene ist bei Studenten in Deutschland beliebt. 25 Prozent wollen den Master draufsatteln (OECD: 22 Prozent), 5,4 Prozent den Doktor (OECD: 2,4 Prozent). Die meisten Promotionsstudenten erwerben ihren Doktorgrad in mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Fächern und Ingenieurwesen. In diesem sogenannten MINT-Sektor hat Deutschland mit 40 Prozent im OECD-Vergleich den höchsten Anteil von Studienanfängern – aber nur knapp ein Viertel davon sind Frauen.

BILDUNGSAUSGABEN: «Der Punkt, wo die OECD immer noch meckert», sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Dabei liege Deutschland in punkto Bildungsausgaben pro Schüler und Student immer über dem Durchschnitt. Dennoch: Die OECD stellt fest, dass insgesamt 9,8 Prozent der öffentlichen Ausgaben Deutschlands für Bildung aufgewendet werden – «weniger als der OECD-Durchschnitt von 11,6 Prozent, es entspricht jedoch nahezu dem Durchschnitt der OECD-Länder, die auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind».

LOB UND KRITIK: Wanka und die Chefin der Kultusministerkonferenz der Länder, Brunhild Kurth (CDU), freuen sich: «Der OECD-Bericht bescheinigt Deutschland ein gut funktionierendes und leistungsfähiges Bildungssystem.» Problematisch seien hohe Studienabbrecher-Quoten, so Wanka. Die Grünen-Opposition im Bundestag bemängelt, Deutschland spiele «weiterhin nicht in der internationalen Spitzengruppe mit», man sei «im OECD-Vergleich unterfinanziert und steht bei der Bildungsgerechtigkeit weltweit weit hinten». Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert Bund und Länder auf, angesichts der festgestellten Mängel «ihre Anstrengungen für ein qualitativ besseres und zukunftsfähiges Bildungssystem massiv zu steigern». Von Werner Herpell, dpa

Zum Bericht: Rolle rückwärts der OECD: Deutschland ist mit seiner dualen Ausbildung plötzlich Vorbild

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Pälzer
8 Jahre zuvor

Wie lange hat die OECD gebraucht, um das duale System, das ja nicht ganz neu ist, als gut anzuerkennen?
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