Deutscher Lehrertag – das sind die drei größten Baustellen an Deutschlands Schulen

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DORTMUND. Unter dem Motto „Gute Schule. Wie geht das?“ fand die Herbsttagung des Deutschen Lehrertages 2015 im Dortmunder Kongresszentrum Westfalenhallen statt. Zu diesem, nach Angaben der Veranstalter, größten bundesweiten Weiterbildungstag für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulstufen hatten sich knapp 800 Teilnehmer angemeldet. Eingeladen hatten der Lehrerverband VBE und der Verband Bildungsmedien. Themen waren natürlich die größten Baustellen an Deutschlands Schulen: Die Inklusion, die Integration der Flüchtlingskinder und die Digitalisierung. Ein Überblick über die Debatten des Tages.

  1. Lernen mit digitalen Medien

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte es nicht leicht auf dem Podium zwischen VBE-Chef Udo Beckmann und Wolf-Rüdiger Feldmann vom Verband Bildungsmedien. Weil er gut parierte, erwies sich der Schlagabtausch aber als höchst unterhaltsam. Als Moderator Matthias Bongard die Runde etwa fragte: „Wenn ich bei meinem Sohn ein Arbeitsblatt zum Wasserkreislauf sehe, dann ist darauf alles super erklärt. Wozu brauchen wir denn dann noch ein Tablet?“

Feldmann, für denn die Frage nach der Medienform das tägliche Brot ist, erklärte, dass man technisch in der Schule natürlich nicht immer weiter aufrüsten wolle, aber man müsse die Möglichkeit haben, Medienkompetenz auf aktuellem Stand zu lehren. Moderator Bongards ließ nicht locker und hatte noch weitere Beispiele parat: Eine ihm bekannte Schule hatte unlängst Polizisten zum Thema Cybermobbing eingeladen und etwa im gleichen Zeitraum forderte der ansässige Sportlehrer seine Schüler auf, sich gegenseitig mit dem Smartphone bei bestimmten Übungen zu filmen, um die Bewegungen besser nachvollziehen zu können. Sieht so guter Unterricht mit digitalen Medien aus, fragt Bongard ironisch, indem man den „dicken Tom“ für immer mit dem Handy eines Mitschülers auf Film bannt? VBE-Chef Beckmann kommentiert: „Da hätte man den Lehrer vielleicht auch zu der Cybermobbing-Veranstaltung schicken sollen.“ Fakt sei jedoch, dass die Ausstattung der Schulen mittelalterlich sei und Lehrer die Geräte in der Schule oft selbst warten müssten. Senator Rabe streitet das nicht ab, betont aber: „Unterricht mit digitalen Medien ist nicht nur eine Frage der Ausstattung, sondern auch eine Frage, ob man sich der Aufgabe stellen möchte.“ Das Lehrer das nicht wollen, bestreitet Verbandschef Beckmann und schlägt vor, sich zu diesem Thema noch mal separat zusammen zu setzen.

Podiumsdiskussion zur Eröffnung des Lehrertags mit Feldmann, Beckmann, Rabe und Moderater Bongard. (Foto: N4T)
Podiumsdiskussion zur Eröffnung des Lehrertags mit (v.l.) Feldmann, Beckmann, Rabe und Moderator Bongard. (Foto: N4T)

2. Unterricht und Umgang mit schwierigen, schwachen und/oder behinderten Schülern

„Bitte einmal per Handzeichen anzeigen, wer im inklusiven Unterricht doppelt besetzt ist“, fragt Referentin Gisela Ehlers im Workshop „Inklusion und Differenzierung im Englischunterricht!?“. Etwa jeder Vierte im Raum meldet sich, „in jeder dritten Stunde“, ergänzt eine Zuhörerin. Ehlers hatte es nicht anders erwartet und gab daher im Folgenden praktische Tipps, wie man trotzdem Differenzierung hin bekommen kann. Eine Auswahl ihrer Hinweise:

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Gruppen aufteilen, aber immer wieder neu mischen, so hat man nicht immer nur die schwachen Schüler beieinander. Offen über Schwierigkeiten sprechen, beispielsweise:“ Er kann nicht so gut vorlesen“ und dem Schüler stattdessen andere Aufgaben übertragen. Routinen einführen, sie bieten besonders schwachen Lernern Sicherheit. Für diese gilt auch: Emotionale Sicherheit und Klarheit bieten.

Ehlers warnt aber davor, in die Individualisierungsfalle zu tappen und die Kinder nur Nebeneinanderher lernen zu lassen. Das Ziel müsse bleiben, Unterricht für alle Lerner zu bieten. Also indem sich etwa alle Schüler in den letzten zehn Minuten wieder zusammensetzen, um das Thema gemeinsam zu erörtern.

Publikum beim Lehrertag in Dortmund. (Foto: N4T)
Publikum beim Lehrertag in Dortmund. (Foto: N4T)

3. Umgang mit Flüchtlingskindern

Beim Thema Flüchtlingskinder in der Schule ist Schulsenator Ties Rabe (SPD) aus Hamburg voraussehbar optimistischer als VBE-Chef Beckmann. Der Verbandsvorsitzende fordert: „Schule muss so aufgestellt sein, dass sie jedem Schüler die Perspektive auf gesellschaftliche Teilhabe sichern kann. Die Schülerprognosen müssen mit Blick auf die hinzukommenden Flüchtlingskinder neu aufgestellt und die Bildungsetats der Wirklichkeit angepasst werden. Lehrkräfte müssen zusätzlich eingestellt und der Klassenschlüssel darf nicht nach oben ‚aufgestockt‘ werden. Lehrer benötigen darüber hinaus Zeit für Beziehungsarbeit.“ Rabe erwidert: „Wir stellen viele neue Lehrer ein, sodass wir nicht Klassen aufstocken müssen. es ist aber eine Situation, in der wir alle gefordert sind.“ Politik, Jugendarbeit, Lehrkräfte müssten im Team zusammenarbeiten, um diese Herausforderung zu stemmen. nin

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Pälzer
8 Jahre zuvor

siehe das andere Thema „Was Lehrer alles leisten sollen …“