Roggen oder Gerste? Studie bescheinigt Schülern nur rudimentäre Kenntnisse der wichtigsten Nutzpflanzen

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MAINZ. Roggen und Gerste werden von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe nur selten erkannt – Biologiedidaktiker fordern neue Unterrichtsmaterialien und Methoden.

Schülerinnen, vor allem aber Schüler kennen sich mit Nutzpflanzen und ihrer Verwendung kaum noch aus. In einer Studie, die Biologiedidaktiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt haben, gelang es zwar 92 Prozent der Schülerinnen und Schüler, Maiskörner korrekt zu identifizieren. Die Maispflanze selbst wurde jedoch anhand ihres Wuchses nur noch von 60 Prozent der Teilnehmer erkannt, Roggen und Gerste gar nur von 30 beziehungsweise 20 Prozent. Bei der Studie wurden 926 Schülerinnen und Schüler im Alter von 9 bis 18 Jahren befragt. „Die Ergebnisse decken die unzureichenden Kenntnisse unserer Schülerinnen und Schülern auf, wenn sie Kulturpflanzen bestimmen oder ihre Verwendung erklären sollen“, kommentiert Univ.-Prof. Dr. Daniel Dreesmann, Leiter der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie, die Resultate. Die größeren Defizite zeigen Jungen. Mädchen haben in der Studie signifikant besser abgeschnitten.

Roggenfeld im Schraden bei Elsterwerda. (Foto: S. John, Elsterwerda/Wikimedia (CC BY-SA 3.0)
Roggenfeld im Schraden bei Elsterwerda. (Foto: S. John, Elsterwerda/Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Diskussionen über nachwachsende Rohstoffe und eine biobasierte Wirtschaft haben in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz dazu steht die Beobachtung von Lehrkräften, dass weltweit das Interesse von Schülerinnen und Schülern an Pflanzen und an Landwirtschaft abnimmt und in der Öffentlichkeit wenig oder gar kein Wissen über Pflanzen vorhanden ist. Dabei sind gerade die Früchte von Nutzpflanzen wie Mais, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse und Raps Grundlage unserer Nahrung, andere Pflanzenteile dienen der Herstellung von Textilien, Möbeln oder Kosmetik. „Wir denken, dass unsere Schülerinnen und Schüler während ihrer Schulzeit die grundlegenden Kenntnisse über den Anbau und die Biologie von Nutzpflanzen erwerben sollten“, erklärt Dr. Eva-Maria Fritsch die Ergebnisse der Studie, die sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hat. „Nur dann können sie auch an den öffentlichen Diskussionen über Nahrungssicherheit, gesunde Ernährung, Umweltschutz und Verwendung erneuerbarer Ressourcen fundiert teilnehmen.“

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Derzeit werden solche Kenntnisse in den Schulen offenbar nur bedingt vermittelt. Die 926 Studienteilnehmer – sie stammen aus 44 Klassen der Jahrgangsstufen 5 bis 13 an sechs Schulen in Deutschland – verwechselten das ihnen in Testgläschen präsentierte Saatgut relativ häufig und konnten beispielsweise Körner von Weizen nur zu 25 Prozent und von Hafer nur zu 17 Prozent richtig bestimmen. Hierbei gab es kaum Unterschiede zwischen den Alters- und Jahrgangsstufen. Ging es um Fragen zur Verarbeitung, wussten 91 Prozent der Schülerinnen und Schüler, dass Mais zur Herstellung von Popcorn dient. Dass aber auch Cornflakes aus Mais gemacht werden, war nur 18 Prozent der Studienteilnehmer bekannt. Die Studie bezog außer den 926 Schülerinnen und Schüler auch 314 Eltern ein, die den entsprechenden Fragebogen mit insgesamt besseren Ergebnissen beantwortet haben.

Welche Möglichkeiten es gibt, die Kenntnisse über Nutzpflanzen zu verbessern, zeigt eine weitere Studie der Mainzer Biologiedidaktiker, in der Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 11 und 18 Jahren die Entwicklung wichtiger Kulturpflanzen von der eigenen Aussaat bis hin zur gemeinsamen Ernte im Rahmen des von der AG Didaktik der Biologie entwickelten „Grünhaus-Projektes“ begleitet und analysiert haben. Dabei verbesserten sich die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zur Pflanzenbestimmung und ihr Wissen über die Morphologie und zwar sowohl in objektiven Tests als auch in ihrer subjektiven Selbsteinschätzung. „Durch die über mehrere Monate erfolgende originale Begegnung mit Nutzpflanzen wie Mais, Weizen, Raps und Zuckerrübe ist es im regulären Unterricht zu einer intensiven Auseinandersetzung mit deren Anbau und späteren Verarbeitung zu wichtigen Grundnahrungsmitteln gekommen“, erläutert Dr. Cornelia Lechner-Walz die Grundidee des von ihr betreuten „Grünhaus-Projektes“. „Dass Getreide kurz nach der Aussaat zunächst eher wie Gras aussieht, werden die Schüler so schnell nicht vergessen“, so Lechner-Walz weiter.

„Insgesamt weisen unsere Ergebnisse nachdrücklich darauf hin, dass wir neues und besseres Unterrichtsmaterial und neue und bessere Methoden brauchen, um die Kenntnisse und vor allem auch das Interesse der Schülerinnen und Schüler an Pflanzen und somit den Grundlagen unserer Ernährung zu steigern“, fasst Dreesmann die Arbeiten zusammen. Die AG Didaktik der Biologie wird daher auch weiterhin das Thema Nutzpflanzen und Pflanzenzüchtung im Kontext des Unterrichts der Fächer Biologie und Naturwissenschaften bearbeiten. nin

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mehrnachdenken
8 Jahre zuvor

Mal ehrlich, welcher Erwachsene kann heutzutage denn noch sicher die Getreidearten am Halm und als Korn sicher voneinander unterscheiden? Möglicherweise gibt es in diesem Punkt auch noch ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Zumindest kriegt die Landbevölkerung noch mit, dass Äcker bearbeitet werden, und dass später etwas Grünes aus dem Boden sprießt.

Das Thema „Getreide“ wird doch vom Kindergarten über die Grundschule und die weiterführenden Schulen in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder aufgegriffen. Dabei wird gerade in der Grundschule auf die anschauliche Vermittlung großer Wert gelegt.
Ausreichende Kenntnisse sollten also vorhanden sein. Ich bezweifle, dass anderes „Unterrichtsmaterial“ oder „bessere“ Methoden den Wissensstand erhöhen. In einer Schule ist es auch kaum möglich, sich monatelang mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Aus meiner Sicht sind die beklagten Wissensdefizite schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, dass wir Menschen auch einiges vergessen, wenn wir uns nicht immer wieder damit beschäftigen.
Stoffliche Grundlagen können in den o.g. Institutionen gelegt werden. Wer sich später aber nicht aus eigenem Antrieb z.B. für das Thema „Getreide“ interessiert, dem helfen auch die „besten“ Materialien und „ausgeklügelsten“ Methoden nichts.

Markus
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Könnte es sein, dass die Forderung „neue Unterrichtsmaterialien und Methoden“ weniger mit der Vermittlung von mehr Wissen über die verschiedenen Getreidesorten zu tun hat als mit der Vermarktung von neuen Lehr- und Lernmitteln?

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  Markus

Ja, so laufen meistens die „Spielchen“.

sofawolf
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Volle Zustimmung, mnd !

sofawolf
8 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Zum Beitrag von 10.05 Uhr.

Pälzer
8 Jahre zuvor

Ursachen? siehe „NaWi“-Lehrplan in Rheinland-Pfalz.
Wenn Schüler etwas nicht gelernt haben, mag es daran liegen, dass es nicht gelehrt wurde.

ysnp
8 Jahre zuvor

Selbst in Bayern: Die Getreidesorten, angesiedelt im Thema „Vom Korn zum Brot“ in der 4. Klasse sind seit dem Jahr 2000 aus dem Grundschullehrplan herausgefallen. Dafür wurden andere nichtbiologische Themen in den Lehrplan hineingenommen. Im neusten Lehrplan, der jetzt gerade eingeführt wird, sind wieder mehr landwirtschaftliche Themen in Bezug auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse hineingenommen.

Palim
8 Jahre zuvor

In anderen Lehrplänen sind die Themen gar nicht mehr klar aufgeführt. Da heißt es „heimische Nutzpflanzen bestimmen“…, aber es ist nicht festgelegt, ob es da um Getreide, Bohnen, Raps oder Kartoffeln geht.
Und auch mir geht es so, dass „klassische“ Themen des SU geschmälert oder gestrichen werden (müssen), weil andere Themen hinzukommen oder mehr Zeit benötigen. Die Themenpalette wird immer breiter, die zusätzlichen Anforderungen ständig erweitert, der Stundenumfang ist aber gleich geblieben.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Wozu muss man das wissen? Welches Getreide da gerade auf dem Acker steht ist für den Kauf eines Brotes beim Discounter vollkommen unerheblich. Bei der industriellen Brotfertigung sind da sowieso mehr Zusatzstoffe als Mehl drin. Es fragt doch auch kein Mensch wo der Unterschied zwischen den ganzen Zusatzstoffen ist, warum sollte also die getreidesorte interessant sein?

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Stimmt. Raps kommt in den Tank und Himbeeren sind Fotomotive für den Früchtetee (der keinerlei echte Himbeeren enthält).

Aber ernsthaft: Ob jeder Schüler zwingend den Unterschied zwischen der Weizen- und Roggenähre kennen muss, lasse ich mal außen vor. Aber zumindest sollte jeder Schüler wissen, dass Discounterbrot nicht bereits eingetütet an irgendwelchen Bäumen hängt. Ebenso sollte jeder Schüler wissen, dass ein Huhn, welches für 1,99€/kg im Supermarkt verkauft wird, _kein_ paradiesisches Leben mit viel Auslauf und Sonnenlicht hatte.
Ach ja: Kühe sind nicht lila.

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Das Wissen über die gängigsten Getreidesorten gehört für mich genauso zur Allgemeinbildung wie die Kenntnis über häufig bei uns vorkommene Nadel- oder Laubbäume.
Ein wenig sollte sich jeder Bürger in unserer Flora und Fauna auskennen.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Wozu? Allgemeinwissen fällt überwiegend in die Kategorie „unnützes Wissen“.

Für Stadtkinder sind ganz andere Fakten interessant, die zum Bewäligen ihres Alltages innerhalb ihres speziellen Lebensumfeldes benötigen. Es reicht also, wenn Auszubildende im Bereich Landwirtschaft mit der Spezialisierungsrichtung Ackerbau über entsprechende Fachkenntnisse verfügen.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Nachtrag – Wozu Roggen, Gerste und Weizen unterscheiden können, wenn auf den Äckern überwiegend Triticale angebaut wird?

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

schöner Beitrag. Aber zumindest laut Wikipedia übertrieben. weigen oder rogzen ist (noch) nicht so relevant wie durch ihren Kommentar suggeriert.

GriasDi
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Kommt drauf an. Vielleicht wären die Menschen in 10 – 20 Jahren froh, wenn sie wieder für ihren eigenen Bedarf anbauen könnten.

sofawolf
8 Jahre zuvor