Die 16 Bundesländer im Überblick: Wie sie die Schulen für die Flüchtlingskinder ausstatten

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BERLIN. Der finanzielle Aufwand für die Schulbildung der ankommenden Flüchtlingskinder geht in die Milliarden. Doch die 16 Bundesländer krempeln offensichtlich die Ärmel hoch, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Insgesamt haben sie nach Recherchen der „Welt am Sonntag“ bereits rund 8500 zusätzliche Lehrer eingestellt, um die Lage zu bewältigen. Ausreichend ist das zwar noch nicht: Die Kultusministerkonferenz (KMK) schätzt den Bedarf auf mindestens 20.000 zusätzliche Lehrerstellen. Aber immerhin, die Schulpolitik ist in Bewegung. Ein Überblick über den Stand in den einzelnen Bundesländern.

Syrisches Flüchtlingskind in der Schule. Foto: UK Department for International Development (CC BY 2.0)
Syrisches Flüchtlingskind in der Schule. Foto: UK Department for International Development (CC BY 2.0)

BADEN-WÜRTTEMBERG: Aktuell besuchen 29.800 junge Flüchtlinge 2162 Vorbereitungsklassen. Für den Unterricht wurden zum Beginn des Schuljahres 562 zusätzliche Lehrerstellen bereitgestellt, im zweiten Nachtragshaushalt sollen 600 Lehrerstellen hinzukommen. Für frühkindliche Sprachförderung wurden 2015/16 insgesamt 4,8 Millionen Euro zusätzlich bewilligt, im Nachtragshaushalt sind weitere 3 Millionen Euro eingeplant. Zur Lehrergewinnung hat das Kultusministerium pensionierte Lehrkräfte angeschrieben. Mit Stand 7.12. erklärten 467 Pensionäre ihre Bereitschaft.

BAYERN: In 530 Übergangsklassen liegt der Schwerpunkt auf dem Erlernen der deutschen Sprache. Dazu kommen Hunderte Deutsch-Förderklassen, in denen Flüchtlingskinder mit Einheimischen zusammen lernen und zusätzlichen Deutschunterricht besuchen. Es gibt landesweit 450 Berufsintegrationsklassen mit dem Ziel, junge Menschen mit Bleibeperspektive fit zu machen für eine duale Ausbildung. «Ein bundesweit einmaliges Projekt», so das Kultusministerium. Ab Januar kann Bayern zusätzlich 160 Millionen Euro in die Schulen stecken, um vor allem Kinder und Jugendliche mit Bleibeperspektive bei der Integration zu unterstützen.

BERLIN: Hier gab es Anfang Dezember 639 Lerngruppen oder Willkommensklassen. Dort unterrichteten 701 Lehrkräfte etwa 6700 Schüler. An mehr als jeder dritten Schule lernen demnach junge Flüchtlinge. Binnen eines Jahres sollen sie gut genug Deutsch können, um in eine Regelklasse zu wechseln. Bis Ende des Jahres sollen 26 zusätzliche Sozialarbeiter eingestellt werden.

BRANDENBURG: Die rot-rote Landesregierung will 2016 weitere 260 Lehrer einstellen. Dieses Jahr war Geld für 340 zusätzliche Lehrkräfte bewilligt worden. In Erstaufnahmeeinrichtungen ruht zwar die Schulpflicht. Das Bildungsministerium bietet aber schon seit dem Schuljahr 2013/14 spezielle außerschulische Kurse für Kinder und Jugendliche im Grundschul- und Sek-I-Alter an.

BREMEN: Der Stadtstaat will die Aufgaben gleichmäßig auf die Schulen verteilen. Das Integrationskonzept besteht aus einem Sprachlernangebot über Vorkurse und paralleler Integration in den Regelunterricht. Es werden zusätzliche Vorkurse an Oberschulen wie auch neuerdings an Gymnasien eingerichtet. Durch den hohen Zuzug von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gab es den größte Anstieg der Vorkurse bei den berufsbildenden Schulen.

HAMBURG: Derzeit gibt es laut Schulbehörde keinen Lehrermangel, auch nicht für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Dieses Jahr würden 400 Lehrer für Unterricht in Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen und Schulen zusätzlich eingestellt. Schulpflichtige Kinder in der Regelunterbringung besuchen Basisklassen oder Internationale Vorbereitungsklassen. Um die Chancen junger Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, organisiert der Stadtstaat sein Berufsschulsystem um: Ab Februar werden die berufsbildenden Schulen schrittweise auf Ganztagsbetrieb umgestellt.

HESSEN: Hessen hat einen «Aktionsplan» zur Integration von Flüchtlingen mit einem Volumen von 500 Millionen Euro. Zusätzlich 40 Millionen Euro sollen davon in Bildung fließen, unter anderem für Sprachförderung. An den Schulen sind 800 neue Stellen vorgesehen. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hat eine Rekrutierungskampagne gestartet und 10.000 Briefe verschickt – an Lehrkräfte, aber auch Studienreferendare und pensionierte Lehrer unter 67. «Das Telefon steht bei uns nicht mehr still», sagte Lorz. Seit Schuljahresbeginn wurden rund 100 neue Intensivklassen gebildet. An allgemeinbildenden Schulen stieg diese Zahl damit auf 465 (Stand November 2015).

MECKLENBURG-VORPOMMERN: Das Bildungsministerium hat zu Schuljahresbeginn 100 zusätzliche Stellen für DaZ-Lehrer ausgeschrieben und davon mit Stand Mitte November 37 besetzt. Ständig sollen 100 DaZ-Lehrerstellen als Puffer vorgehalten werden, um sie bei Bedarf schnell ausschreiben zu können. Es sei aber schwer, Lehrer dafür zu finden, räumte Minister Mathias Brodkorb (SPD) ein, da ganz Deutschland suche. Parallel werden Lehrer im landeseigenen Institut fortgebildet.

NIEDERSACHSEN: Seit Mitte März sind etwa 17 100 Schüler ohne oder nur mit geringen Deutschkenntnissen neu an die Schulen gekommen. Für ihre Integration will das Ministerium im Haushaltsjahr 2016 rund 85,5 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen. Zum Februar 2016 wurden insgesamt 1600 Vollzeitlehrerstellen ausgeschrieben, davon 400 zusätzliche für die Sprachförderung. Etwa die Hälfte aller Stellen sind laut Ministerium bereits so gut wie besetzt.

NORDRHEIN-WESTFALEN: Wie 2015 werden auch nächstes Jahr 40.000 schulpflichtige Flüchtlingskinder in dem Bundesland erwartet. Laut Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) werden «insgesamt 5766 zusätzliche Stellen eingesetzt» – davon 1200 für spezielle Sprachförderung von Flüchtlingskindern ohne Deutschkenntnisse. NRW hat bislang keine Probleme, ausreichend Lehrer mit der Qualifikation «Deutsch als Zweitsprache» zu finden, denn schon im Schulgesetz von 2009 war das verpflichtende Modul für alle Lehramtsstudenten eingeführt worden.

RHEINLAND-PFALZ: Die rot-grüne Landesregierung hat dieses Jahr 6,2 Millionen Euro allein für zusätzliche Sprachförderung in Kitas sowie Übergangsmaßnahmen für den Wechsel zur Grundschule bereitgestellt. Im Haushalt 2015 standen 22,52 Millionen Euro für die schulische Sprachförderung bereit. Durch Umschichtungen wurde dies um mehr als eine Million aufgestockt. «Die Resonanz auf die Bitte an Pensionäre, ehrenamtlich die Sprachförderung in den Schulen zu unterstützen, ist gut», so das Bildungsministerium.

SAARLAND: Anfang November wurden an allgemeinbildenden und Berufsschulen des kleinsten Flächenlandes 3135 Flüchtlings- und Zuwandererkinder beschult, 550 mehr als einen Monat zuvor. Dabei mussten Gemeinschaftsschulen und Berufsschulen den stärksten Anstieg verkraften. Anders als in vielen anderen Ländern kommen die Kinder laut Ministerium an den meisten Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien von Anfang an in Regelklassen.

SACHSEN: Sachsen bereitet Flüchtlinge in Vorbereitungsklassen auf die Teilnahme am regulären Unterricht vor. Rund 5000 Kinder mit Migrationshintergrund besuchen laut Kultusministerium derzeit eine solche Klasse. Die Zahl der Lehrer wurde um 300 auf 632 Stellen aufgestockt, weitere 160 sollen noch dazukommen. Künftig sollen mehr Lehrer für den DaZ-Unterricht ausgebildet werden. Beim Projekt Willkommens-Kitas werden ausgewählte Einrichtungen mit Fortbildungen, Beratern vor Ort und dem Aufbau von Netzwerken bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern unterstützt.

SACHSEN-ANHALT: In Sachsen-Anhalt haben Ende September mehr als 3300 Flüchtlingskinder eine spezielle Förderung in Sprachklassen oder Sprachgruppen erhalten. Allein an den Grundschulen waren es laut Kultusministerium rund 2100. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 77 Lehrer zusätzlich eingestellt worden – weitere sollten folgen.

SCHLESWIG-HOLSTEIN: Das Land hat laut Bildungsministerium die DaZ-Strukturen für Sprachförderung seit langem geschaffen. An mehr als 100 DaZ-Zentren im Land arbeiten demnach 358 zusätzlich ausgebildete Lehrkräfte, davon kamen in diesem Jahr 125 neu dazu. 728 neue Lehrerstellen wurden bis 2017 generell zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung beschlossen. Dazu gab es jetzt noch einen Zuschlag von 240 Stellen wegen der hohen Flüchtlingszahlen. Mit der Pensionierung bekommt jeder Lehrer einen Handzettel, mit dem die Bereitschaft zum Weiterarbeiten abgefragt und nachgefragt wird, ob eine Zusatzausbildung DaZ vorliegt. Mehr als 290 Lehrer stehen auch nach der Pensionierung zur Verfügung.

THÜRINGEN: Das Land hat die Zahl seiner Lehrer aufgestockt. Neben den ohnehin für 2015 geplanten Neueinstellungen von 500 Pädagogen kamen 50 weitere für DaZ-Unterricht hinzu. Bis zum Frühjahr sollen 50 weitere Lehrer mit dieser Qualifikation eingestellt werden. Im Doppelhaushalt 2016/17 sind noch einmal 300 Lehrer eingeplant, um sich speziell um Flüchtlingskinder zu kümmern. Von Ursula Mommsen-Henneberger, dpa

Zum Bericht: Sind „Willkommensklassen“ für Flüchtlingskinder pädagogisch sinnvoll? Kritik wird laut

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2 Kommentare
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parkuhr
8 Jahre zuvor

Mich wurde interessieren, wie die zusätzlich eingestellten Lehrerstellen bezahlt werden. Planstellen oder Angestellte? Die junge Lehrergeneration sollte auch eine positive Zukunftsperspektive und Wertschätzung vermittelt bekommen. In Brennpunkten werden sie ja schon ohne Flüchtlingskinder „verbrannt“. Die Länder haben auch eine Fürsorgepflicht für sie.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  parkuhr

Auch angestellte Lehrer bzw. Tarifbeschäftigte sitzen auf Planstellen. Bezahlt werden sie grundsätzlich wie Beamte aus Haushaltsmitteln, die über Steuern erhoben werden.

Lehrer an Brennpunktschulen können sich versetzen lassen. Sie müssen nur im Vorfeld eine andere Schule finden, an der eine Planstelle frei ist. Versetzung geht immer vor Neueinstellung, deshalb auch die unterschiedlichen Fristen für die Verfahren.