Die Zukunft der Bildung? Was die britische Lerntechnik-Messe BETT zu bieten hat

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LONDON. Weltmetropole London, Messeplatz ExCel an der Themse vis-à-vis der gigantischen Konzerthalle Millenium Dome: Rund 35.000 Besucher aus 128 Staaten tummeln sich auf der „BETT“, der British Educational Training and Technology Show. In Deutschland klagt der Lehrerverband VBE darüber, dass die IT-Ausstattung der deutschen Schulen „mittelalterlich“ sei. Hier, auf der „BETT“, stellen Lernforscher ihre neuesten Erkenntnisse vor. Hier grüßen Weltstars der Bildung, etwa Wikipedia-Initiator Jimmy Wales oder Salman Khan  (der Gründer der gemeinnützigen Khan Academy, die Millionen von Lernenden weltweit kostenlos Online-Unterricht erteilt). Hier machen Hunderte von Anbietern anschaulich, welche spannenden Perspektiven sich mit digitalen Lernmedien verbinden – vorneweg: der Technologiekonzern HP. Er wartet mit einer echten Innovation auf.

Die BETT hat Strahlkraft für den gesamten europäischen Bildungsmarkt. Foto: Frans Peters / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Die BETT hat Strahlkraft für den gesamten europäischen Bildungsmarkt. Foto: Frans Peters / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Alles schon mal dagewesen? Könnte man in der Pädagogik manchmal meinen. Ein Touch-Sceen-Computer mit überhängender Haube, die auf eine flach davor liegende Matte einen zweiten Bildschirm projiziert, gab’s allerdings in dieser Form noch nicht – und schon gar nicht das, was sich mit dem Gerät so alles anstellen lässt. Der Sprout Pro, so der Name, von HP tut nichts Geringeres, als die digitale Welt (fast) nahtlos mit der realen zu verbinden. Heißt konkret: Gegenstände, die in die Projektionsfläche gelegt werden, lassen sich dreidimensional scannen und dann digital weiterverarbeiten. Ob’s eine Gesteinsprobe ist oder ein Blatt von einem Baum, wie von Zauberhand erscheint ein digitales Modell auf dem Bildschirm darüber, das sich drehen, vermessen, verändern, vergrößern, beschriften, bearbeiten und am Ende auch ausdrucken lässt. Sogar ebenfalls dreidimensional, denn ein 3D-Drucker, mit dem Modelle und Figuren geformt werden können, gehört „zum Ökosystem“, wie der Hersteller sagt, ist also bezieh- und dann anschließbar.

Ein weiteres Beispiel dafür gefällig, wie eng der Sprout Pro tatsächlich die digitale und die reale Welt zusammenführt? Noch für den Unterricht in deutschen Schulen Zukunftsmusik, aber für einige englischsprachige Materialien bereits möglich: Das Gerät vermag gedruckte Bücher und Hefte, die in der Projektionsfläche liegen, mit digitalen Inhalten anzureichern. Felder, die Interaktion erlauben (ob kleine Aufgaben lösen oder Filme einspielen), werden auf das Papier projiziert. Eine Berührung durch den Schüler – und der Bildschirm darüber liefert die entsprechenden Informationen. Der „Daily Prophet“ aus den Harry-Potter-Büchern, die Zeitung also mit den lebendigen Bildern, erscheint damit nicht länger als Fiktion aus der Welt der Zauberei. Der Sprout Pro wird ab einem Preis von 2.599 Euro voraussichtlich ab März für die deutschen Schulen verfügbar sein.

Die BETT wird alljährlich von 35.000 Experten besucht - die meisten davon sind Lehrer. Foto: Ian Usher / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Die BETT wird alljährlich von 35.000 Experten besucht – die meisten davon sind Lehrer. Foto: Ian Usher / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Was gab’s sonst auf der BETT? Britisches Unterstatement statt Großklotzerei – die Giganten der Branche präsentierten sich allesamt mit eher kleinformatigen, betont schlicht gehaltenen Ständen. Apple etwa ließ in einem pur weißen Rund Schüler auftreten, die auf iPads hübsch Musik machten. Google hatte ein Hexenhäuschen mit verpixelten Wölkchen darüber aufgebaut; die Außenwände durften Kinder mit Filzstiften dekorieren. Drinnen gab’s Botschaften für die dort versammelte Lehrerschaft – etwa die, dass es bei Google 150.000.000 Treffer zum Thema „classroom control“ gebe, obwohl die pädagogische Praxis der Zukunft doch mehr eine moderierende Tätigkeit als eine kontrollierende sei. Salman Khan hingegen warb (stilecht per Videobotschaft) für den Einsatz von mehr Videos in der Bildung – ein bemerkenswert konservativer Ansatz, denn was sind seine weltweit verbreiteten Unterrichtsfilme anderes als Frontalunterricht?

Tatsächlich ist es eher unwahrscheinlich, dass Lehrer künftig die Kontrolle im Klassenraum abgeben – nicht nur, weil der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie in seiner wegweisenden Meta-Studie die Bedeutung des Lehrerhandelns für den Unterrichtserfolg herausgearbeitet hat. Auch deshalb, weil auch im digitalen Zeitalter schülerzentrierter Unterricht und die Steuerung des Unterrichtsgeschehens durch die Lehrkraft sich keineswegs ausschließen – Software wie dem HP Classroom Manager sei Dank. Er gibt dem Lehrer von seinem Bildschirm aus Kontrolle über das, was die Schüler auf ihren so treiben. Surft Mia unerlaubt auf Facebook, obwohl sie doch Informationen zur Schwerkraft recherchieren soll? Mit einem Tastendruck vom ihrem Platz aus kann der Lehrer die private Social-Media-Sitzung beenden – und die Schülerin wieder auf die gewünschten Inhalte führen. Mehr noch: Die Lehrkraft kann von vorneherein für die Klasse verfügbare Quellen definieren. Lernziele sind definierbar, etwa durch bestimmte Schlüsselbegriffe operationalisierbar. Aufgaben können gestellt werden. Erfüllt ein Schüler diese, erscheint ein grüner Haken auf dem Lehrer-Bildschirm vorne: Paul hat’s geschafft. Luis hängt noch hinterher.

Im Königreich ist der Einsatz digitaler Technik im Unterricht sehr viel weiter verbreitet als in Deutschland; seit September 2014 ist Programmieren für Grundschüler und Mittelschüler verpflichtend. Britische Schulen müssen es bereits in der ersten Klasse unterrichten. Auf der Heimfahrt von der BETT mit dem Zug konnten die Lehrer lesen, dass die Probleme an den Schulen trotzdem auch in Großbritannien weiterhin handfest sind: Der „Evening Standard“ berichtete auf seiner Titelseite, dass ein Vater einer Lehrerin nach Schulschluss aufgelauert und sie mit einem Faustschlag  niedergestreckt habe; sein bewusstloses Opfer, das dann von einem Passanten gefunden wurde, ließ er hilflos liegen. Der Mann bekam vom Gericht zur Strafe dafür lediglich eine Bewährungsstrafe aufgebrummt. News4teachers

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