Migrationsbeauftragte: Zu wenige Flüchtlinge gehen in eine Kita

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Der Flüchtlingszustrom ebbt nicht ab. Nach der Erstversorgung geht es nun um die Integration der geflüchteten Menschen. Kindergärten spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch noch gehen zu wenige Flüchtlingskinder dorthin.

Kinder im Kindergarten / Kita. Foto: flickr/ woodleywonderworks CC BY 2.0
Flüchtlingsfamilien sollen über die Vorteile der Kinderbetreuung im Kindergarten aufgeklärt werden: ihre Kinder lernen die deutsche Sprache schneller, bekommen Kontakt zu Gleichaltrigen und lernen die Kultur ihrer neuen Heimat kennen. Foto: flickr/ woodleywonderworks CC BY 2.0

ERFURT. Nach Ansicht der Thüringer Migrationsbeauftragten Mirjam Kruppa sollten deutlich mehr Flüchtlingskinder in Kindergärten gehen. Die Angebote müssten stärker beworben werden, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen müssten die Flüchtlingsfamilien informiert werden, wie in Deutschland das System Kindergarten funktioniere. „Kindern fällt es deutlich einfacher als Erwachsenen, eine neue Sprache zu erlernen“, sagte Kruppa.

Der OECD-Jahresbericht „Bildung auf einen Blick 2015“ bescheinigt Deutschland eigentlich gute Voraussetzungen, die Integration von Flüchtlingen zu meistern – gerade wegen der guten frühkindlichen Förderung. 92 Prozent aller Dreijährigen in Deutschland nehmen demnach an Programmen der frühkindlichen Bildung teil – weit mehr als im Durchschnitt der 30 verglichenen OECD-Länder (74 Prozent) und weit mehr als noch im Jahr 2005 (80 Prozent). Erleichternd kommt hinzu, dass in der frühkindlichen Bildung in Deutschland ein Erzieher im Schnitt auf fünf Kinder kommt, in der Vorschulbildung zehn. Damit ist das Verhältnis günstiger als im OECD-Schnitt mit je 14 Kindern pro Erzieher/Lehrer.

„Gerade Kinder mit Migrationshintergrund oder die neu ankommenden Flüchtlingskinder können in den Kitas und Kindergärten durch den Kontakt mit Betreuerinnen und Betreuern und den gleichaltrigen Muttersprachlern ihre Deutschkenntnisse verbessern“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) laut der „Welt“.
Deswegen dürfe es spezielle Kindergärten nur für Flüchtlinge nicht geben, unterstrich die Migrationsbeauftragte Kruppa. Die Kinder sollten in gemischten Gruppen zusammen mit Einheimischen erzogen werden und so die deutsche Gesellschaft kennenlernen. „Es gibt freie Kita-Plätze“, so Kruppa, räumte aber ein, dass die Suche in Städten wie Erfurt oder Jena nicht einfach sei. „In solch einem Fall müssen Kinder leider längere Zeit auf einen Platz warten oder liegt der Kita-Platz auch mal nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnung.“

Das Bundesinnenministerium hatte zuletzt mit 70 000 zusätzlich nötigen Plätzen gerechnet. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rechnet damit, dass deutschlandweit bis zu 100.000 weitere Kita-Plätze nötig sein könnten, um die Kinder der Flüchtlinge unterzubringen, berichtet die „Huffington Post“. Falls noch mehr Asylsuchende ihre Familien nachholen, sei auch diese Prognose vermutlich zu niedrig angesetzt. „Diese Entwicklung stellt viele Kommunen vor eine nur schwer lösbare Aufgabe“, sagte Uwe Lübking, der Bildungsexperte des Städte- und Gemeindetags, der „Huffington Post“. Der Markt für Erzieher sei „mancherorts leergefegt“.

Nach Angaben der Migrationsbeauftragten Kruppa können Kindergartenbetreiber Anträge auf eine Erweiterung ihrer Kapazitäten stellen. Davon machten allerdings noch zu wenige Träger Gebrauch. Laut Bildungsministerium sind in acht Kindertagesstätten 27 Extraplätze für Flüchtlingskinder genehmigt worden. In Thüringen gingen schätzungsweise 850 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in eine Kita, erklärte ein Ministeriumssprecher. 90 000 Kinder werden insgesamt betreut.

Wichtig sei aber, dass die Qualität der Betreuung erhalten bleibe und keine Absenkung des Personalschlüssels erfolge, forderte Kruppa. Kinder aus Flüchtlingsfamilien benötigten häufig wegen ihrer traumatischen Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht wenigstens zu Beginn eine intensive Betreuung, begründete sie. „Die Erzieher dürfen dabei nicht allein gelassen werden.“ Es müsse deshalb Fortbildungsangebote und eine fachliche Beratung geben.

Unterdessen plant das Ministerium in den nächsten Wochen, eine Broschüre für Flüchtlinge herauszugeben. „Darin soll den Eltern die Chancen erläutert werden, die ihnen ein Kindergarten bietet“, erläuterte der Sprecher. Die Informationen seien in sechs Sprachen übersetzt worden. Die Broschüre soll etwa in den Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte ausliegen. Kruppa sieht vor allem in der Zusammenarbeit zwischen Kita und den Eltern einen wichtigen Baustein für die Integration. «Es ist sehr wichtig, Kontakt zu ihnen zu bekommen.»
„Kinder haben keine Berührungsängste, wenn überhaupt sind es die Eltern“, erklärte die Migrationsbeauftragte. Nach Auffassung des Bildungsministeriums fällt es Familien mit einer Fluchtgeschichte jedoch schwer, ihre Kinder in eine Kita zu bringen und sie nicht ständig bei sich zu haben. Das Vertrauen müsse Schritt für Schritt aufgebaut werden, erklärte Kruppa. dpa / News4teachers

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