Rechtsgutachten: Ungleiche Lehrerbesoldung (in NRW) ist verfassungswidrig

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DÜSSELDORF. Gleiche Ausbildung, gleiche Aufgaben, aber ungleiche Bezahlung. Die Besoldung der nordrhein-westfälischen Lehrer verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen das Grundgesetz, urteilt ein Rechtsgutachten der Universität Würzburg im Auftrag der GEW. Die Landesregierung müsse jetzt zeitnah die besoldungsrechtliche Konsequenz aus der Umstellung der Lehrerausbildung im Zuge des Bologna-Prozesses ziehen.

Die unterschiedliche Besoldung in gleichwertigen Lehrämtern ist in Nordrhein-Westfalen einem Rechtsgutachten zufolge verfassungswidrig. Demnach lässt sich eine niedrigere Besoldung der Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I im Vergleich zu Lehrern an Gymnasien, Berufskollegs und in der Sekundarstufe II nicht länger rechtfertigen.

Geschätzt rund 20 Millionen Euro jährlich würde die Neuordnung der Lehrerbesoldung das Land NRW kosten. Foto: Qpictures / pixelio.de
Geschätzt rund 20 Millionen Euro jährlich würde die Neuordnung der Lehrerbesoldung das Land NRW kosten. Foto: Qpictures / pixelio.de

Das geht aus Gutachten des Würzburger Jura-Professors Ralf Brinktrine für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW hervor. Nachdem der Landesgesetzgeber 2009 einen einheitlichen Ausbildungsrahmen für alle Lehrer beschlossen habe, seien alle Rechtfertigungen für unterschiedliche Besoldungen entfallen, erläuterte Brinktrine.

Die bisherige Besoldung der Lehrkräfte orientiert sich an der alten Lehrerausbildung und stuft lediglich die Lehrkräfte an Gymnasien, Berufskollegs und der S II der Gesamtschulen in den höheren Dienst (Eingangsbesoldung A 13) ein.

In Folge des europaweit begonnenen „Bologna-Prozesses“ wurde jedoch auch die zuvor unterschiedliche Lehrerausbildung auf gleichlange Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Dies geschah in NRW zwar bereits mit dem Lehrerausbildungsgesetz (LABG) von 2009, die besoldungsrechtliche Konsequenz sei aber bisher nicht gezogen worden, so die GEW. Seitens der Landesregierung gebe es zwar Signale, dass man sich des Problems bewusst sei, doch scheue man wohl auch die jährlichen Mehrkosten.

Die Gewerkschaft fordert, dass Landesregierung und Landtag zeitnah gesetzgeberisch initiativ werden. Es reiche nicht aus, die Beschäftigten auf den Klageweg zu verweisen. Eine eigene Klage behielt sich die GEW vor.

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Ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der verfassungswidrigen Besoldung von Lehrkräften betreibt bereits der nordrhein-westfälische Verband Bildung und Erziehung (VBE). Es liege aktuell beim Verwaltungsgericht Arnsberg zur Entscheidung. Lehrerinnen und Lehrern unterliegen in NRW auch heute noch einem sozialen Ranking, das aus dem im 19. Jahrhundert stammt und bereits damals als ungerecht empfunden wurde, Verbandsvorsitzender Udo Beckmann.

Die Ungleichbezahlung der Lehrkräfte ist dem neuen Gutachten zufolge verfassungswidrig und verstoße gegen die den Vorgaben des Alimentationsprinzips nach Art. 33 Abs. 5 GG. Die Ungleichbehandlung könne weder mit dem Kriterium divergierender Aus- und Fortbildung noch mit dem Merkmal unterschiedlicher Aufgaben und Anforderungen des Amtes begründet werden. Aus dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen ergäben sich vielmehr Aufgaben, die für alle Lehrerinnen und Lehrer gälten und von ihnen allen unabhängig von Schulstufen oder Schulformen zu erfüllen seien. Möglicherweise in dieser Hinsicht früher bestehende Unterschiede seien nicht mehr gegeben.

Nach Meinung der GEW gebietet die Rechtslage dem Gesetzgeber, die Einordnung aller Lehrerinnen und Lehrer in das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 (ehemaliger höherer Dienst) vorzunehmen. Die GEW fordert für alle Lehrerinnen und Lehrer aus der neu geordneten Lehrerausbildung eine Eingangsbesoldung mit A 13.

Dem Vorbild anderer Länder folgend sollten auch die bereits vor der Bologna-Anpassung ausgebildeten Lehrkräfte entsprechend eingruppiert werden, da deren Erfahrung in der Praxis dem Wert der jetzigen Ausbildung entspreche. (News4teachers, pm. dpa)

• zum Gutachten

· zum Bericht: „A13 für alle“: GEW fordert, dass Lehrer einheitlich bezahlt werden – Demo geplant
· zum Bericht: Gutachten: Ungleiche Besoldung von Lehrern verstößt gegen das Grundgesetz

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15 Kommentare
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dickebank
8 Jahre zuvor

Wo bleiben eigentlich die ganzen Postings, dass die armen Studienräte doch viel länger studiert haben, das Studium qualitativ höherwertig und die Unterrichtsvorbereitung in der Obersufe sowie die abendfüllenden Korrekturen eine andere Besoldung verdienen als die Erziehungsarbeit in der Schulwelt außerhalb der GY und BK?

Ich bin echt enttäuscht …

Georg
8 Jahre zuvor

Keine Sorge, das dauert sicherlich mehr lang.

Küstenfuchs
8 Jahre zuvor

Über die beide Kommentare über mir muss ich mich doch – gelinde gesagt – wundern. Haben Sie den Artikel nicht durchdrungen? Es geht doch hier nicht darum, wer was „verdient“ hat, sondern um eine rein formaljuristische Beurteilung (gleicher Studienabschluss+gleiche 2. Ausbildungsphase = gleiches Gehalt).

Daran führt für alle NEU ausgebildeten Lehrer kein Weg vorbei, es wird A13 für alle kommen. Zumindest dürfte dies eine (schon vorbereitete) Klage der GEW in Schleswig-Holstein bringen. Allerdings wird man dann die Arbeitszeiten insbesondere der Grundschullehrer unter die Lupe nehmen und schauen, ob sie tatsächlich den Studienräten(erheblich längere Korrekturen, komplexere und damit längere Unterrichtsvorbereitung, längere Klassenfahrten) gleich ist oder ob sie nach oben (oder die Studienräte nach unten) angepasst werden muss .

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Liegt vermutlich an meiner Grenzdebilität. Es hat ja vermutlich Gründe, warum ich nicht verbeamtet bin und eine laufbahnrechtliche Prüfung für das lehramt 16 in NRW habe …

Bezüglich der Wochenstundenzahl brauche ich mir allerdings keine Gedanken machen, dass kriegt keine Regierung durch, dass die lehrkräfte an GeS in NRW mit unterschiedlichen Stundenzahlen arbeiten werden müssen.

Btw es geht auch nicht um den „verdient“, es geht allenfalls um das Entgelt.

Fiduziaria
8 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Die Ansicht stützt sich auf ein Rechtsgutachten der GEW. Es ist kein Geheimnis, dass ein Rechtsgutachten insbesondere bei Verfassungsfragen regelmäßig zu Gunsten des Bestellers ausfällt, weil Verfassungen sich naturgemäß zu vielen Fragen nicht explizit klar und deutlich äußern.

Ich habe große Zweifel daran, dass letztinstanzlich ein Gericht Länder zu gleicher Besoldung verpflichten wird. Es ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Frage, ob es sich um Jobs mit gleicher Anforderung handelt, unerheblich, wie lang die Ausbildung ist. Relevant ist, ob letztendlich im Beruf die gleiche Qualifikation notwendig ist. Und es lässt sich nicht bestreiten, dass in der gymnasialen Oberstufe zumindest inhaltlich (nicht pädagogisch) deutlich höhere Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden als in der Grundschule.

Svosh
8 Jahre zuvor

Hatte der VBE nicht vor vier Jahren eine Klage gegen die Besoldungszustände eingereicht? Ich meine, die wären damals sehr aktiv gewesen und das läge jetzt bei irgendeinem Verwaltungsgericht.

Es ist Wahlkampf – da werden die Geister plötzlich wach und wärmen diese Themen auf. Es wäre sinnvoll, wenn sich VBE und GEW hier mal zusammenschließen würden.

Georg
8 Jahre zuvor
Antwortet  Svosh

Ihr Wort in Gottes Ohr.

In vielen Punkten liegen sie ja recht eng beeinander und das würde in jedem Fall die Schlagkraft erhöhen…

Werner Wolf
7 Jahre zuvor

Man sollte geschichtlich noch mal aufarbeiten wie sich das Gehalt eines Grundschullehrers bis Eingangsamt A 12 hochentwickelt hat. Z.B. der Betriebsprüfer beim Finanzamt fängt immer noch mit Eingangsamt A 9 an und wenn er Glück hat geht er vielleicht mit A 12 in Pension. Die Lehrer sollten sich bedeckt halten, da diese Anmeldung von Ansprüchen auch nach hinten gehen könnte.
.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Werner Wolf

Sie dürfen den mittleren Dienst (Ausbildungsberuf) nicht mit dem höheren Dienst (Lehrer GHR) bzw. gehobenem Dienst (Lehrer Gy/BK) vergleichen. Der Azubi ist mit spätestens 19 fertig, beim Lehrer dauert es inkl. Referendariat mindestens 10 Jahre länger bis er endlich halbwegs anständig Geld verdient. Darüber hinaus ist ein Akademikereinstiegsgehalt von nicht einmal 50000 brutto im Jahr im Vergleich zur freien Wirtschaft wenig. Das gilt sowohl für die Beamten als auch — und noch viel stärker — für die Angestellten.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

A9 ist die Eingangsstufe der Inspektorenlaufbahn bzw. die Besoldungsstufe für Kommissare der Polizei, die einen Bachelorabschluss und die bestandene Anwärterprüfung vorraussetzt.

Bei den Finanzbeamten gibt es im Gegensatz zu Lehrern in NRW aber auch Höhergruppierungen (Beförderungen) abhängig vom Dienstalter (Regelbeförderung).
A10 ist dann der Oberinspektor,
A11 der Amtmann
A12 der Amtsrat
A13 in seltenen Fällen der Oberamtsrat.

Lehrkräfte egal welcher Schulform schließen ihr Studium aber mit einem Master bzw. Magister oder Erstem Staatsexamen ab, der Voraussetzung für den Vorbereitungsdienst im höheren Dienst gelten.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Lehramt GY/BK ist höherer Dienst.
Lehramt GHR ist gehobener Dienst.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Danke für die Präzisierung und Korrektur. Auf Sie kann man sich stets verlassen ;-).

Inspektor ist mittlerweile ein Bachelor? Wie war das denn vor der Umstellung? Ein ausgewachsenes Studium kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, auch kein Diplom von irgendwelchen Fachhochschulen, weil das zu hochwertig ist, um sich anschließend nur mit A9 abspeisen zu lassen. Andererseits zeigt A9 mit Bachelor auch den Wert dieses äääh „Abschlusses“. Eine dreijährige Ausbildung sollte dafür ausreichen.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Inspektoren hatten schon immer einen Abschluss einer Verwaltungsakademie (Verwaltungsfachwwirt) bzw. einen FH-Abschluss. Aus den Verwaltungsakademien sind die Fachhochschulen öffentlichen Rechts (FHöR) entstanden

Die Beamten der Finanzverwaltung haben deshalb ja auch eine eigene Akademie im schönen Münsterland (Nordkirchen).

Jeder Polizeibeamte im Wach- und Wechseldienst der Polizei in NRW hat einen Bachelorabschluss (Bachelor of Arts). Es gibt (so gut wei) keinen mittleren Dienst mehr bei der NRW Polizei – also kaum blaue aber viele silberne Sterne.

Martin Schneider
6 Jahre zuvor

Das Gutachten der GEW ist völlig realitätsfern. Der Fehler im Gutachten ist offensichtlich, da hier von gleicher Ausbildung auf gleichen Verdienst geschlossen wird. Das ist natürlich Unsinn, denn wie in allen anderen Berufen auch, hängt das Gehalt ja nicht nur von der Ausbildung ab, sondern in erster Linie davon, welchen Beruf und welche Tätigkeit ich ausübe. Und genau so ist es bei Lehrern auch, denn die Belastung eines Gymnasiallehrers ist natürlich viel größer als die eines Grundschullehrers.
Ein Gymnasiallehrer:
1. hat pubertierende Kinder zu unterrichten und zu betreuen, was natürlich mit wesentlich mehr Aufwand verbunden ist, als bei Grundschülern.
2. arbeitet auf einem inhaltlich viel höheren Niveau, und muss daher die Stunden aufwändiger vor- und nachbereiten
3. Hat wesentlich höheren Arbeitsaufwand bei Leistungsüberprüfungen: Sowohl das Aufsetzen von Leistungsüberprüfungen, als auch die anschließende Korrekturen sind wesentlich aufwändiger. Zusätzlich kommen natürlich noch die sehr umfangreichen mündlichen und schriftlichen Abiturprüfungen, die Grundschullehrer ebenfalls nicht leisten müssen.
4. Gymnasiallehrer müssen in der Oberstufe umfangreiche Kursfahrten, größtenteils ins Ausland organisieren und durchführen. Auch solche umfangreichen Fahrten müssen bei Grundschülern nicht durchgeführt werden.
Auch die Klassenfahrten in den niedrigeren Stufen 5-10 sind aufwändiger, als die an Grundschulen.

Und von den zusätzlichen Aufgaben eines Gymnasiallehrers, bei geringer werdenden Entlastungsstunden will ich gar nicht erst anfangen.

Das Gutachten ist für die Besoldung daher völlig irrelevant, da es sich nur auf den Vergleich der Ausbildung beschränkt und das formaljuristisch prüft. Entscheidend ist aber der Arbeitsaufwand eines Lehrer. Und hier ist der Fehler im Gutachten auf Seite 2 offensichtlich, weil hier von gleichem Arbeitsaufwand der Lehrer ausgegangen wird, was ich ja oben widerlegt habe:
„Die Ungleichbehandlung kann weder mit dem Kriterium divergierender Aus- und Fortbildung noch mit dem Merkmal unterschiedlicher Aufgaben und Anforderungen des Amtes begründet werden, da möglicherweise
in dieser Hinsicht früher bestehende Unterschiede nicht mehr gegeben sind.“ Genau hier irrt der Verfasser des Gutachtens. Die Aufgaben und Anforderungen eines Gymnasiallehrers sind offensichtlich wesentlich höher als die eines Grundschullehrers. Ein Busfahrer hat genau so Verantwortung für seine Fahrgäste wie ein Pilot. Da würde man ja auch nicht auf die Idee kommen, dass hier gleiche Gehälter zu fordern sind.
Der Verfasser des Gutachtens hat die gleiche oder höhere juristische Ausbildung eines Notars. Aber der verdient mehr als 3% der Verhandlungssumme an einem Kaufvertrag. Das ist auch wesentlich mehr, als der Verfasser mit seinen fehlerhaften Gutachten verdient, auch wenn er mehr Zeit dafür benötigt, als ein Notar für ein Standard Kaufvertrag. Da nützt ein ähnliches Studium wenig.

dickebank
6 Jahre zuvor
Antwortet  Martin Schneider

Beamte haben keinen Verdienst, sie werden besoldet. Grundlage der Besoldung ist die Eingruppierung ind ie unterschiedlichen Laufbahngruppen. dabei geht es nicht um die Arbeitsbelastung sondern um die formalen Voraussetzungen. Ein Feuerwehrmann in der Berufsfeuerwehr einer deutschen Großstadt hat auch eine höhere belasrung als der Brandsamtsrat einer Kreisverwaltung am A.d.W. – Nur wird der Brandamtsrat anders besoldet als der Feuerwehrmann.

Ein Stabsfeldwebel in einer ruhigen Nachschubeinheit in MV hat auch die gleiche Grundbesoldung wie sein Kollege in Afghanistan.