Studie: Deutschlands Lehrer könnten mehr lernen – voneinander

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BERLIN. Der Lehrer als Einzelkämpfer im Klassenzimmer? Unterricht als geschlossene Veranstaltung? Das stimmt so an vielen Schulen in Deutschland längst nicht mehr. Dennoch könnten enge Zusammenarbeit und intensiver Austausch in den Lehrerkollegien noch besser werden.

Trotz wachsender Offenheit für Teamarbeit blicken Deutschlands Lehrer in ihrem Schulalltag noch zu wenig über den Tellerrand, um sich bei Kollegen etwas abzuschauen. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Studie zur Lehrerkooperation hervor. Bei den 1015 befragten Lehrern der Sekundarstufe 1 waren demnach gemeinschaftlicher Unterricht (23 Prozent) oder Hospitationen in Kollegen-Klassen (9 Prozent) kaum verbreitet.

Kollegialer Austausch ist wichtig. Kooperieren Lehrer miteinander verbessert sich in der Regel auch ihre berufliche Zufriedenheit. Foto: ChemieBW/Eppler / flickr (CC BY 2.0)
Kollegialer Austausch ist wichtig. Kooperieren Lehrer miteinander verbessert sich in der Regel auch ihre berufliche Zufriedenheit. Foto: ChemieBW/Eppler / flickr (CC BY 2.0)

An Gymnasien sei die Kooperationskultur teilweise deutlich schwächer entwickelt als in anderen Schulformen, lautet einer der Befunde des Reports. Recht gut sieht es hingegen in Schulen mit Inklusion (gemeinsamer Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung) sowie in verpflichtenden Ganztagsschulen aus.

Von ihren durchschnittlich 42,8 Wochenarbeitsstunden verwenden Lehrer fünf auf Kooperationen – mit Kollegen, anderen Pädagogen, Eltern oder Institutionen. Gleichwohl finden fast alle befragten Lehrer (97 Prozent) Austausch und Zusammenarbeit wichtig, für neun von zehn (87 Prozent) lohnt sich der Zusatzaufwand.

Doch ein Großteil der Lehrkräfte in Deutschland «erhält keine oder nur sehr wenige Einblicke in den Unterricht anderer Kollegen», heißt es in der Studie der Stiftungen Mercator, Bertelsmann, Robert Bosch und Deutsche Telekom. Kritisch-konstruktive Rückmeldungen und Feedback innerhalb der Kollegien seien hierzulande noch unterentwickelt, stellten die Autoren, die Bildungsforscher Dirk Richter (Bergische Universität Wuppertal) und Hans Anand Pant (Humboldt-Universität Berlin), fest.

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Nur jeder zweite befragte Lehrer gab an, zusammen mit Kollegen komplexe Unterrichtskonzepte oder -strategien zu entwickeln. Im internationalen Vergleich unterstützen sich in Deutschland zwar deutlich mehr Lehrer mit Materialien als im Mittelwert der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bei Diskussionen über die Lernentwicklung von Schülern oder gemeinsamen Bewertungsstandards liegt im OECD-Maßstab hierzulande aber noch einiges im Argen.

Die Studie zeigt, dass intensive Kooperation von Lehrern deren Kompetenzen, berufliche Zufriedenheit und sogar Gesundheit verbessern kann. Es sei also im Interesse von Schulleitungen, beispielsweise feste Teamzeiten oder Strukturen für jahrgangsübergreifende Projekte zu ermöglichen. Gerade auch angesichts immer vielfältigerer Klassen mit Inklusion oder mit vielen Migranten- und Flüchtlingskindern sei Teamarbeit – womöglich unter Einschluss von Schulsozialarbeitern und Psychologen – ein Schlüssel zum pädagogischen Erfolg. dpa

Austausch unter Lehrern gibt’s auch im Forenbereich von 4teachers.

Zum Artikel Von wegen Einzelkämpfer: Lehrer wollen im Team arbeiten – Strukturen dafür stehen nicht

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7 Kommentare
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rfalio
8 Jahre zuvor

Dann gebt uns aber bitte auch die Stunden dafür.
Wenn das Ganze erst einmal nur über Mehrarbeit läuft, biegt doch jeder ab.
Überschreite ich doch bereits bei 8 Unterrichtsstunden am Tag (und die leisten viele Kollegen in Ganztagsschulen) die in der Arbeitszeitverordnung für Beamte als höchstgrenze vorgeschriebenen 13 Stunden (incl. Ruhepausen!) pro Tag, wenn man die Unterrichtsstunde mit 100 Minuten a la Berechnungsmodus des bayerischen Finanzministeriums rechnet.
Übrigens: Ein angestellter Lehrer müsste schon nach 6 Stunden den Löffel schmeissen (Arbeitszeitgesetz). Hach, haben wir es als Beamte gut.
rfalio

sofawolf
8 Jahre zuvor

Diese Berechnung kommt mir komisch vor. Ist sie „selbstgemacht“?

Wieso darf ein angestellter Lehrer nicht mehr als 6 Unterrichtsstunden geben? Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Was soll das Arbeitszeitgesetz dazu sagen?

Dagegen würde ja „millionenfach“ verstoßen werden!

Palim
8 Jahre zuvor

Es wurden nur Lehrkräfte der Sek I befragt – etwas mehr als 1000. Eine Veröffentlichung zur Studie selbst findet man auf der Seite der Bertelsmänner. Die Reaktionen sind ja mal wieder prächtig. Hoffentlich werden die Ergebnisse der GEW-Studie zur Arbeitszeit, an der weit mehr Lehrkräfte aus vielfältigeren Schulen teilnehmen, dann auch so gründlich gelesen.
Interessant ist, dass die Arbeitszeit „normal“ erscheint und Lehrer dann ja durchaus noch ein bisschen mehr machen können, neben Inklusion, Integration der Migranten und anderer Schuleentwicklung.
Lesen konnte man auch, dass die Arbeitszeit noch geringer anzusetzen sei, wenn die Ferien herausgerechnet würden … klar. Andere Arbeitnehmer haben auch keinen Urlaub, warum sollten also Lehrer wirklich freie Tage im Jahr haben?
Und weil die Bedingungen so herausragend optimal sind, reißen sich junge Menschen darum, enthusiastische Lehrer zu werden. Deshalb kann jedes Bundesland jede Lehrer- und Schulleiterstelle zur Zeit dreifach besetzen, so viele Anwärter gibt es.
Darüber kann ja dann Anfang März anlässlich des „anlässlich des internationalen Gipfels für den Lehrerberuf“ gesprochen werden.
Den Auftrag, Kooperation durch feste Zeiten den Schulleitern dann noch auf den Tisch zu legen, die an den Bedingungen gar nichts ändern können, ist wirklich weltfremd. Schulleitungen sind heutzutage froh, wenn sie genügend Lehrerstunden haben, um die Schulfächer erteilen zu können.
Aber es ist schön, wenn in den Medien alle 3 Monate eine Studie das Lied der „Faulen Säcke“ erneut anstimmt: mehr Kooperation, mehr Fortbildung, mehr Absprachen, mehr Hospitationen, … weil Lehrkräfte nicht überlastet sind und die Aufgaben locker meistern.

Ich wiederhole mich, aber: Wer etwas möchte, muss auch für die Bedingungen sorgen:
Ohne Schwimmbad kein Schwimmunterricht …
ohne zusätzliche Lehrerstunden keine Hosptitationen,
ohne anerkannte und bezahlte Kooperationszeiten weniger Kooperation,
… und wer das möchte, schafft Arbeitsplätze in Schulen, erkennt zusätzliche Belastungen und Aufgaben an und verrechnet sie mit dem Deputat.
DAS habt ihr doch gemeint mit der Studie, oder?

sofawolf
8 Jahre zuvor

Ich finde nicht unbedingt, dass immer alles bezahlt werden muss, was man im Rahmen seines Berufes leistet. Dass mir eine Hospitationsstunde bei einem Kollegen als normale Arbeitsstunde angerechnet werden soll, ach, das ist sicher auch gar nicht gemeint, oder? Käme mir seltsam vor.

Nur, wenn ich eine Vollzeitstelle habe, dann habe ich eben nur wenige Freistunden, in denen ich hospitieren gehen könnte und da bereite ich eben oft auch Stunden vor oder nach, führe Gespräche, kümmere mich um viele andere „Bürokratismen“ und brauche auch mal etwas Erholung.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Eine Hospitationsstunde muss auch nicht bezahlt werden. Eine von einer weisungsberechtigten Person angeordnete dauerhafte und regelmäßige Hospitation ist aus meiner Sicht anzurechnen oder als Überstunde zu bezahlen oder irgendwann einmal abzufeiern.

dickebank
8 Jahre zuvor

Teamschulen ==> Wenn an einer sechszügigen Gesamtschule die Klassenleitungen – immerhin 12 Personen – nicht nur die Hauptfächer sondern auch fast alle Nebenfächer im gesamten Jahrgang geben sollen, dann müssen Absprachen getroffen werden. Dazu müsste die Schulleitung für die einzelnen Jahrgangsfachteams Stunden blocken, damit diese Absprachen auch getroffen werden können. Dies geschieht in der Regel aber nicht, dafür gibt es dann monatlich zusätzliche Dienstbesprechungen von 1,5 Stunden am Nachmittag.

Da dienstliche Veranstaltungen ohne Schüler den Vergütungsfaktor „Null“ haben, ist das unbezahlte Mehrarbeit.

Wenn Hospitationen innerhalb des Kollegiums gewünscht sind, dann müssen ebenfalls Blockungen für die „Tandems aus Mentor und Mentee“ organisiert werden, auch wenn der Mentor im Fall der kollegialen beratung dafür keine MAV (Mehrarbeitsbvergütung) beziehen kann. In der Regel werden die Tandemstunden aber nicht stattfinden, da der Bedarf an Vertretungen immens hoch ist und über weite Strecken des Schuljahres nicht mit „Bereitschaftsstunden“ abgedeckt werden kann.

Die vermeidlichen Unterrichtsexperten sollten doch erst einmal einen Monat in einem Organisationsbüro (Stundenplaner) einer Schule hospitieren …

Mississippi
8 Jahre zuvor

Geld hin oder her, wer kann denn einem Kollegen / einer Kollegin klipp und klar ins Gesicht sagen, was nicht gut läuft? Lob lässt sich leichter aussprechen als Kritik. Und dann? Soll sich der eine verbiegen, dass es dem anderen gefällt? Jede/r Lehrer/in ist anders.