Hausaufgaben ja oder nein? – Wissenschaftler: Es kommt auf die Einbindung an

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TÜBINGEN. Hausaufgaben gehören zur Schule, doch die Meinungen über ihren Nutzen gehen auseinander, unter Lehrern, Eltern, Experten und Schulpolitikern gleichermaßen. Sinnvoll geplant und in die Unterrichtskonzeption eingebunden, können Hausaufgaben wohl auch im modernen, individualisierten Unterricht ihren Platz haben. Einer Studie der Universität Tübingen zufolge werden die Schüler allerdings oft nachlässig in die häusliche Auseinandersetzung mit dem Stoff entlassen.

Hausaufgaben gehören zum Schulalltag. Doch was sich für Eltern oft als „zäher Kampf am Küchentisch“ (Gerlinde Unverzagt) darstellt, ist umstritten. Für die einen bieten Hausaufgaben eine wichtige Anregung für die Schüler, sich selbstständig mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen und bilden damit eine wichtiges Element der Übung und zur Festigung der im Unterricht erworbenen Kenntnisse. Für andere dagegen, wie den Hausaufgaben-Kritiker Armin Himmelrath, sind sie ein überlebtes pädagogisches Ritual, das der individuellen Förderung zuwiderläuft und die herkunftsbedingte Bildungsungleichheit fördert.

Die Forschungslage zum Nutzen von Hausaufgaben präsentiert sich alles andere als eindeutig. Foto: chrismetcalfTV / flickr (CC BY 2.0)
Die Forschungslage zum Nutzen von Hausaufgaben präsentiert sich alles andere als eindeutig. Foto: chrismetcalfTV / flickr (CC BY 2.0)

Wissenschaftliche Studien liefern insgesamt keine eindeutigen Ergebnisse. Der bekannte Bildungsforscher John Hattie etwa ermittelte in seiner Auswertung von Bildungsstudien, dass Hauaufgaben in den sprachlichen Fächern einen leicht positiven Effekt hätten. In Mathematik dagegen sei ein Effekt des häuslichen Lernens nicht nachweisbar.

Zu viele Hausaufgaben schadeten nach Hatties Erkenntnissen den Schulleistungen eher. Ein Schluss zu dem auch Forscher der Universität Oviedo kamen. Regelmäßige Hausaufgaben, seien zwar nach Meinung der spanischen Forscher durchaus förderlich für die Selbstdisziplin von Teenagern. Allerdings dürften diese einen Umfang von ein bis zwei Stunden nicht übersteigen.

Ist die Belastung durch Hausaufgaben dagegen zu groß können sich auch negative Effekte einstellen. So können Hausaufgaben auch dazu beitragen die Lernmotivation zu untergraben. Studien, wie etwa des Max Plank-Instituts deuten darauf hin, dass insbesondere in den frühen Schuljahren eher auf Hausaufgaben verzichtet werden sollte.

Bieten die Korrelationsstudien Lehrerinnen und Lehrern mithin nur wenig Unterstützung bei der Frage „Hausaufgaben ja oder nein“, können sich diese in der Praxis durchaus als Bereicherung des Unterrichts darstellen. Nach Professor Georg Lind, von der Universität Konstanz könnten Hausaufgaben abgestimmt zur eigenen Unterrichtsstrategie etwa vorbereitend eingesetzt werden.

Um eine sinnvolle häusliche Nachbereitung des Unterrichtsstoffes zu ermöglichen müssen nach Lind Hauaufgaben verschiedene Kriterien erfüllen. Auch er meint, sie dürften nicht zu umfangreich ausfallen. Überdies dürften sie auch Schüler mit Unterstützungsbedarf nicht vor unlösbare Probleme stellen.

In jedem Fall bedürfen Hausaufgaben also im Vorfeld einer genauen Planung, die auch eine Abstimmung unter den Kollegen erfordert. Das es darum nicht immer zum Besten steht, davon können viele Eltern ein Lied singen. Denn einzelne Hausaufgaben aus verschiedenen Fächern summieren sich für die Schüler zu Hause oft zu größeren Arbeitskontingenten.

Ein weiteres Problem bei der Vergabe von Hausaufgaben ist der Zeitpunkt. Lind weist deutlich darauf hin, dass die Aufgabenstellung allen Schülern so vermittelt werden müsse, dass sie zuhause noch wissen, was zu tun ist.

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Oft werden die Hausaufgaben jedoch erst am Ende der Stunde in letzter Minute gestellt, ermittelte jüngst die Tübinger Erziehungswissenschaftlerin Britta Kohler in einer empirischen Studie. An 62 baden-württembergischen Gymnasien beobachtete sie insgesamt 185 Situationen der Hausaufgabenvergabe, vorwiegend in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie in den Fremdsprachen. Oft fehlte in der konkreten Situation die Zeit für Rückfragen und gelegentlich wurde sogar die Pause beschnitten,

In der Hausaufgabenliteratur werde so Kohler seit Jahrzehnten kritisiert, Hausaufgaben würden vorwiegend am Ende der Schulstunde noch schnell gestellt oder gar aus dem Ärmel geschüttelt. Lernende hörten oft nur noch mit halbem Ohr zu, notierten sich die Aufgaben nicht und hätten sie zu Hause vergessen. Oft sprängen dann die Eltern ein oder man erkundige sich nachmittags bei Mitschülerinnen und Mitschülern.

Kohler ließ deshalb in alltäglichen Unterrichtsstunden die Unterrichtsminute erfassen, in der die Hausaufgabenvergabe begann und in der sie beendet wurde. Außerdem wurden Variablen wie die Zahl der Schülerfragen oder die Häufigkeit des Notierens seitens der Lehrenden und der Lernenden erfasst.

Es zeigte sich erwartungsgemäß, dass Hausaufgaben vorwiegend am und sogar nach dem Stundenende gestellt wurden. Dies galt für 45-minütige Einzelstunden in gleichem Maße wie für 90-minütige Doppelstunden. Die Situation der Hausaufgabenvergabe nahm im Mittel nur wenige Minuten in Anspruch, es wurden im Durchschnitt nur 0,7 Rückfragen durch Schüler gestellt. Je später die Lehrkräfte mit dem Erteilen der Hausaufgaben begannen, desto kürzer fiel dieses aus.

Bedenklich findet die Wissenschaftlerin, dass etwa ein Viertel der Vergaben in die Pause hineinreichte, gerade mit Blick auf die Gesundheit der Lehrenden und Lernenden. „Eine Verlängerung des Unterrichts in die Pause beraubt diese ihrer Funktionen, führt zu Hetze und erschwert Ruhe und Entspannung. Gerade im Fachlehrerunterricht können so genannte kleine Pausen auf diese Weise zu Zeiten besonders hoher Belastung und Beanspruchung werden.“ Eine vorschnelle und allgemeine Kritik an Lehrerinnen und Lehrer hält Kohler dennoch für nicht angebracht. „Der zeitliche Umfang der Hausaufgabenvergabe und die Qualität der Situation hängen nicht zwingend zusammen. Bei klaren Regeln und Routinen in der Klasse und bei schriftlich formulierten Aufgabenstellungen kann eine Hausaufgabenvergabe auch in kurzer Zeit erfolgreich verlaufen.“ (zab)

• zum Bericht: Studie zu Hausaufgaben: Hilfe von Eltern schadet oft mehr, als sie nützt

• News4teachers-Gastbeitrag: Hausaufgaben – Darum sind sie nur ein leeres pädagogisches Ritual

• zum Bericht: Neuer Streit um Hausaufgaben: Sind sie ungerecht – und sinnlos?

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xxx
7 Jahre zuvor

Nicht mehr als 1-2 Stunden Hausaufgaben pro Tag? Das deckt sich ungefähr mit dem Hausaufgabenerlass und wird in der Praxis selten bis nie erreicht. Hattie ist übrigens nicht unumstritten:
http://www.lehrerfreund.de/schule/1s/hattie-studie-verriss/4331

sofawolf
7 Jahre zuvor

Ich kenne nicht wenige Eltern, die darüber klagen, dass ihre Kinder bis in die Nachtstunden an den Hausaufgaben sitzen.

Meiner Erfahrung nach machen immer die die Hausaufgaben, die sie am wenigsten nötig hätten. Die anderen, die sie nötig hätten, machen sie nicht und „kassieren“ dann u.U. neue, weitere schlechte Noten (für die nicht gemachten Hausaufgaben).

Für das Aufgeben, Erklären und Vergleichen der Hausaufgaben brauche ich rund 10 Minuten pro Stunde. Die Zeit nutze ich lieber für eine Wiederholungsübung unter meiner Anleitung.

Als Hausaufgabe sinnvoll finde ich allerings alles, was zu lernen ist – nicht nur für einen Test.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Sagen die Eltern Ihnen auch, wann ihre Kinder mit den Hausaufgaben anfangen? Ansonsten decken sich Ihre Erfahrungen mit meinen.

Kapo
7 Jahre zuvor

Ich bin Lehrerin an einer Grundschule und auch als leidgeprüfte Mutter kein großer Hausaufgaben-Fan. Seit einem halben Jahr bekommen bei mir die Kinder montags einen Hausaufgaben-Plan in einer Mappe mit den Arbeitsblättern für die ganze Woche und können sich so selbst einteilen, wann sie was machen. Bisher bin ich sehr zufrieden und auch die Kinder finden es prima! Außerdem kann ich so prima individuell variieren, was in die Mappe kommt. Freitags geben die Kinder die Mappe ab und ich kontrolliere und gebe auf einem Zettel, der immer in der Mappe bleibt, Rückmeldung, die die Eltern unterschreiben. Die Hausaufgaben beziehen sich dann manchmal auch nicht direkt auf das aktuelle Thema, sondern dienen der Wiederholung/ Festigung.

SR500
7 Jahre zuvor
Antwortet  Kapo

Hallo Kapo!

Wie viel Zeit benötigen Sie für die Vor- und Nachbereitung pro Woche? Wieviele Kinder sind in Ihrer Klasse?
Steigt Ihnen ihr/e Rektor/in bzgl. der Kopierkosten nicht aufs Dach?

LG

alexander
7 Jahre zuvor
Antwortet  Kapo

… na, wenn Sie regelmäßig freitags 20 bis 30 individuelle Mappen zur Durchsicht bekommen, für die Sie individuell über das Wochenende bis zum Montag weitere individuelle Arbeitsblätter kopieren, dann wird Ihnen am Sonntag sicher auch nicht langweilig… ;- )) Nachgefragt: was denken Sie, wie lange Sie das durchhalten können? Auf jeden Fall bin ich zutiefst beeindruckt.

SR500
7 Jahre zuvor
Antwortet  alexander

Ich kann mich nur anschließen. Lehrer sein kann eine (sollte eine) Berufung sein, aber es gibt Grenzen und ein Privatleben, das nicht gänzlich aufgegeben werden sollte!

Kapo
7 Jahre zuvor
Antwortet  alexander

Dazu muss ich sagen, dass ich nicht ’nur‘ 20h arbeite und es sich nur auf das Fach Deutsch bezieht. Mein Kollege in Mathe arbeitet mit Wochenplan, in dem auch die HA schon aufgelistet sind.
Ich bin seit 20 Jahren im Schuldienst und habe mich oft genug über die nervige HA-Kontrolliererei geärgert. Dann hat sie einer nicht… welche Konsequenzen hat das? Er muss sie nachmachen, dann muss ich wieder kontrollieren… Es nimmt doch sehr viel Unterrichts-Zeit in Anspruch. Jetzt mache ich es eben mal so und bin bisher zufrieden.
Es sind 20 Kinder und Kopien sind es nicht mehr, als bei täglichen Hausaufgaben. Oft stelle ich „offene“ Hausaufgaben, z.B. Schreibe 15 Nomen aus deinem Kinderzimmer mit Artikel und Mehrzahl auf… oder Aufgaben aus dem Sprachbuch/ Lesebuch. Manche Kinder geben auch schon vorher die Mappe ab und ich kann früher kontrollieren.
Freitags habe ich in ca. einer Stunde alle Mappen durchgeschaut. Wobei ich bei einzelnen Kindern ganz genau schaue, bei anderen mehr oberflächlich, weil sie die Hausaufgaben sehr ordentlich machen. Die Vorbereitung dauert auch etwa 1 Stunde! Natürlich kann man den Plan auch an einem anderen Wochentag starten und sich das Wochenende freihalten 😉
Und individuell mache ich auch nicht immer und wenn, dann bekommen einige Kinder eben etwas mehr oder Schwierigeres.

Mich hat das tägliche Aufgeben/ Kontrollieren oder Besprechen mehr gestresst, als dieses Vorgehen und Privatleben habe ich genug. 😉 Es gibt ja auch nicht so viele Hausaufgaben, dass die Kinder ewig beschäftigt sind, denn wie gesagt bin ich kein großer HA- Fan.

Kapo
7 Jahre zuvor
Antwortet  Kapo

es muss natürlich heißen, dass ich ’nur‘ 20h arbeite… Ich wollte erst schreiben, dass ich nicht Vollzeit arbeite, daher das „nicht“

Pälzer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Kapo

In Grundschulen dürfte das eine gute Vorgehensweise sein. Aber in weiterführenden Schulen wird es komplexer.

Corina Gründel
1 Jahr zuvor

Ich bin 1943 geboren,hatte kein eigenes Zimmer und habe Hausaufgaben gemacht.Wie weltfremd sind Sie denn.Da sollte man die Schule abschaffen ist ja so anstrengend!!!