Studie: Immer mehr Grundschüler haben Gesundheitsprobleme – ihre Lehrer auch

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HAMBURG. Konzentrationsschwäche, Verhaltensauffälligkeiten, Bewegungsdefizite – gesundheitliche Probleme bei Grundschülern haben in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Lehrerbefragung, die das Forsa-Institut für die Krankenkasse DAK-Gesundheit durchgeführt hat. Auch viele Grundschullehrer sind belastet und befürchten deshalb, bereits vor dem Pensionsalter aus dem Beruf ausscheiden zu müssen.

Die DAK hat Lehrer zur Gesundheitssituation ihrer Schüler befragt. Ergebnis: besorgniserregend. Foto: DAK
Die DAK hat Lehrer zur Gesundheitssituation ihrer Schüler befragt. Ergebnis: besorgniserregend. Foto: DAK

Den Gesundheitszustand der Grundschüler sowie ihrer Lehrer untersucht die Forsa-Analyse „Gesundheitsfalle Schule“, für die 500 Lehrkräfte im gesamten Bundesgebiet befragt wurden. Hauptergebnisse der DAK-Studie: Rund 70 Prozent der Lehrer stellten mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre einen Anstieg von Gesundheitsproblemen bei den Schülern fest. So leiden immer mehr Kinder an Konzentrationsproblemen – dieser Meinung sind mehr als 50 Prozent der Lehrkräfte. Außerdem beobachteten die Lehrer einen starken Anstieg von Schülern mit Verhaltensauffälligkeiten (45 Prozent), motorischen Defiziten (36 Prozent) und psychosomatischen Beschwerden (27 Prozent).

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Laut DAK-Studie hat auch die Stressbelastung der Kinder in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer (91 Prozent) bezeichnete die mediale Reizüberflutung durch Fernsehen, Computer und Co. als Stressfaktor Nummer eins. Auch Erwartungsdruck seitens der Eltern ist aus Sicht von 83 Prozent der Lehrkräfte Auslöser für Stress bei den Grundschülern. Auffällig ist ebenfalls: Rund 30 Prozent der befragten Lehrer gaben an, dass sich der Gesundheitszustand der Kinder innerhalb der ersten vier (beziehungsweise sechs Schuljahre in Berlin) verschlechtert hat.

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Ein weiteres Ergebnis der DAK-Studie: Die meisten Lehrkräfte (87 Prozent) sind mit ihrem Beruf zufrieden. Doch die gesundheitliche Belastung ist hoch: Jeder Vierte macht sich sehr große oder große Sorgen, dass er aufgrund der körperlichen und psychischen Berufsanforderungen schon vor dem Pensionsalter aus dem Beruf ausscheiden muss. Als besonders belastend bezeichneten die befragten Lehrer den Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern (64 Prozent), Lärm (61 Prozent) und fehlende Erholungspausen im Schulalltag (54 Prozent). Auch „Präsentismus“ ist an deutschen Grundschulen an der Tagesordnung: Fast drei Viertel der befragten Lehrer sind im vergangenen Jahr mindestens einmal krank zur Arbeit gegangen, 55 Prozent davon sogar mehrmals.

fit4future-Grafik-Gesundheitszustand-Schueler-1-1799848.2Die DAK-Studie zeigt, dass die Angebote zur Gesundheitsförderung an Schulen ausbaufähig sind. So gaben knapp 60 Prozent der Lehrer an, dass es an ihrer Schule Bewegungsangebote für die Pausen gibt. Seltener sind in den Unterricht integrierte Bewegungspausen abseits des Schulsports (29 Prozent) oder Sportförderunterricht für Schüler mit motorischen Defiziten (16 Prozent). Auch Rückzugs- und Entspannungsmöglichkeiten für Schüler nannten nur 18 Prozent der Lehrer als Schulangebot. Gesundheitsförderung für die Lehrkräfte steht noch seltener auf dem Stundenplan: Nur neun Prozent der Befragten gaben an, dass solche Maßnahmen an ihrer Schule umgesetzt werden. N4t

 

Die Präventionsinitiative fit4future
„Unsere Studie zeigt, dass Gesundheitsförderung in der Schule dringend nötig ist“, kommentiert DAK-Chef Herbert Rebscher die Ergebnisse der Studie. „Denn schon im Grundschulalter wird die Basis für ein gesundes Erwachsenenleben gelegt. Deshalb nehmen wir den Auftrag des neuen Präventionsgesetzes ernst. Wir wollen Schule zu einem Ort der Gesundheit machen – für Schüler und Lehrer.“ Als Konsequenz startet die DAK-Gesundheit gemeinsam mit der Cleven-Stiftung die neue Präventionsinitiative fit4future für gesunde Schulen. In den kommenden Jahren sollen rund 600.000 Schüler an 2.000 Schulen daran teilnehmen. Im ersten Jahr stehen zehn Städte im Fokus, darunter Berlin, Hamburg, Dresden, Stuttgart und Düsseldorf. Anschließend wird die Initiative auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet. Schirmherr der Kampagne ist Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, nationaler Botschafter Ski-Star Felix Neureuther.

Jede Schule wird drei Jahre lang professionell bei der Umsetzung von Maßnahmen aus den Bereichen Bewegung, Ernährung und Brainfitness begleitet und persönlich gecoacht. Dazu gehören Workshops für Lehrer, Aktionstage für Schüler und Eltern und eine Vielzahl von Materialien, die Lust auf eine gesunde Lebensweise machen. Darüber hinaus erhalten die Schulen Unterstützung bei ihrer Weiterentwicklung zu einer gesundheitsfördernden Schule. Damit erhöhen sie die Qualität, mit der sie ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen.Auch die Gesundheitsförderung der Lehrkräfte ist Teil des Programms.

Hier können sich Schulen bewerben.

 

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Yvonne Segata
7 Jahre zuvor

Ja, jetzt kommt endlich das ans Licht, was in den so hoch gelobten Ländern Schweden und Frankreich seit Jahren an der Tagesordnung ist und in Deutschland totgeschwiegen wird. Durch die frühe Fremdbetreuung häufen sich laut Studien aus eben diesen Ländern – in den USA ist das genauso – Verhaltensauffälligkeiten und Co in genau dieser Altersgruppe und es wird danach noch mehr. Das kann man leicht recherchieren, nur ist das hierzulande nicht erwünscht, da ja Frau gleich nach dem Kreißsaal arbeiten gehen soll, um genug Steuergelder in die Kasse zu bringen. Aber das kurzfristige Denken der Politiker ist ja nichts Neues! In ein paar Jahrzehnten wird dann groß gejammert und die Kosten für die Therapie dieser Kinder muss ja auch wieder finanziert werden. Ein Kreislauf….

g. h.
7 Jahre zuvor
Antwortet  Yvonne Segata

Sie sprechen mir aus der Seele, Frau Segata!

Joss Hans
7 Jahre zuvor

Unterstützung der Schulen in Richtung ‚Weiterentwicklung zu einer gesundehitsfördernden Schule‘ ist sehr sinnvoll und zukunftsweisend. Ohne gleichzeitige Weiterentwicklungen des Schulsystems wird es leider bei zeitlich beschränkten (3 Jahre) Symptombekämpfungen bleiben.
Ich denke an den destruktiven, unlösbaren Auftrag der Volksschule, Heranwachsende zu selektionieren, zu diskriminieren und zu stigmatisieren – und gleichzeitig zu integrieren. Eindrücklicher Videofilm dazu (30‘): http://www.ndr.de/regional/hamburg/lehrer281.html

GriasDi
7 Jahre zuvor

Nehmt den Kindern ihre Bildschirme weg und sie werden wieder ruhiger, gelassener, konzentrierter.

GriasDi
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Studien belegen: Facebook macht Stress. Smartphone-Nutzung macht Stress. Zu viel Zeit vor dem Bildschirm vermindert automatisch die Zeit, in der sich Kinder bewegen. In England gab es eine Studie bei der herauskam, dass ein Handy-Verbot an Schulen gerade den schwächeren Schülern zu besseren Leistungen verhalf usw.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

„Nehmt den Kindern ihre Bildschirme weg und sie werden wieder ruhiger, gelassener, konzentrierter“

— nachdem sie die Entzugserscheinungen überwunden haben. Die Kommunen müssten aber die Sportplätze wieder eröffnen.

mama51
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@ xxx
Stimmt! Bei meinen zahlreichen Klassenfahrten in der GS mit Viertklässlern lässt sich das wunderbar beobachten:
ohne Handy, Smartphone, X-Box, TV, … usw. mutieren sie zu normalen Kindern, die kreativ und draußen tobend ihren „Alltag“ leben können. Auch dass sie dort ihren Helikopter – Eltern entronnen sind trägt viel zu ihrem Wohlbefinden bei!