Der Hörsaal im Netz – So funktionieren MOOCs

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POTSDAM. Für manchen Experten galten sie vor ein paar Jahren als die Zukunft des Lernens. Inzwischen hat sich die Aufregung um sogenannte MOOCs wieder gelegt. Für Neugierige sind die Seminare im Netz aber trotzdem weiter einen Blick Wert – gerade dann, wenn man nicht studiert.

Witzbolde haben sich auch schon des Themas Mooc angenommen - hier ein imaginäres (Horror-)Filmplakat. Illu: Giulia Forsythe / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Witzbolde haben sich auch schon des Themas Mooc angenommen – hier ein imaginäres (Horror-)Filmplakat. Illu: Giulia Forsythe / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Es gibt Leute, die studieren, ohne je eine Uni von innen zu sehen. Neu ist das nicht. Das Prinzip Fernstudium gibt es schließlich schon seit Jahren. Und Hochschulen stellen ihre Vorlesungen auch nicht erst seit gestern ins Netz, ob als Video oder Text. Das Prinzip der MOOCs ist dagegen etwas jünger. Die Abkürzung steht für Massive Open Online Course: Große und offene Kurse im Internet, für Studenten und andere Wissensdurstige.

Im Gegensatz zur reinen Online-Vorlesung funktionieren die Kurse wie eine richtige Lehrveranstaltung, mit allem Drum und Dran: Jeder Kurs beginnt nicht irgendwann, sondern zu einem festgelegten Termin, und dauert immer ein paar Wochen. Üblich sind sechs bis zehn. Jede Woche gibt es neuen Input von den Dozenten, meistens in Videoform.

Allerdings sollen sich die Teilnehmer nicht nur berieseln lassen: Übungsaufgaben gehören bei den meisten MOOCs dazu, genau wie ein Abschlusstest. Zwei bis vier Stunden Arbeitsaufwand müssen die Online-Studenten dafür pro Woche mindestens einplanen. Außerdem können sie sich über Foren und ähnliche Systeme miteinander austauschen und Fragen an den Dozenten stellen.

Für Professor Christoph Meinel ist es vor allem diese relativ feste Struktur, die MOOCs interessant macht: «Das reine Ins-Netz-Stellen funktioniert bei einer Minderheit an Nutzern, die autodidaktisch begabt sind – alle anderen brauchen eine Gruppe, die sie mitzieht, und die Intensität fester Termine.» Meinel ist Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts, einem der größten Anbieter von MOOCs in Deutschland. 35 000 Zertifikate für erfolgreich abgeschlossene Kurse hat das Institut nach eigenen Angaben schon ausgestellt.

Neben den Potsdamern, die ihre Kurse auf der Plattform OpenHPI ins Netz stellen, gibt es unter anderem noch die privatwirtschaftlichen Angebote Iversity und OpenCourseWorld. Beide konzentrieren sich vor allem auf Themen aus der BWL, auf OpenHPI steht dagegen die Welt der IT im Mittelpunkt. Etwas breiter ist das Themenspektrum auf Mooin, der MOOC-Plattform der Fachhochschule Lübeck: Hier gibt es zum Beispiel auch Onlinekurse über Videoschnitt, Geschichte oder Sexualität.

Abseits dieser Plattformen existieren in Deutschland noch ein paar andere MOOCs verschiedener Unis und Fachhochschulen. Einen Überblick gibt zum Beispiel die Suchmaschine von OpenEducationEuropa. Insgesamt ist das Angebot aber eher übersichtlich. Dabei gab es um die Online-Kurse vor ein paar Jahren noch einen riesigen Hype: Die «New York Times» erklärte 2012 sogar zum «Jahr der MOOCs» und prophezeite dem Seminar im Netz eine glorreiche Zukunft. «Die Erwartungen waren vielleicht ein bisschen überzogen», sagt Klaus Wannemacher vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung in Hannover. «Das hat sich inzwischen auf einem normalen Niveau eingependelt.»

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Für eine Eintagsfliege hält Wannemacher das Thema allerdings nicht. Gemeinsam mit seiner Kollegin Imke Jungermann hat er untersucht, wie es um MOOCs an deutschen Hochschulen bestellt ist. Das Ergebnis: Viele Hochschulen halten das Thema für sehr wichtig – allerdings nicht zwingend als Alternative zum klassischen Studium, sondern als Ergänzung zum regulären Angebot. «Viele Hochschulen nutzen das zum Beispiel, um sich zu internationalisieren», sagt Wannemacher. Viele MOOCs gibt es daher auch nur auf Englisch.

Auch für das Hasso-Plattner-Institut ist die Zielgruppe gar nicht unbedingt der klassische Student. «In der Mehrzahl sind unsere Nutzer interessierte Berufstätige, die Schritt halten wollen», sagt Christoph Meinel. «Vor allem in der IT-Branche gibt es ja ständig neue Entwicklungen.»

Und auch darüber hinaus gibt es am OpenHPI und auf anderen Plattformen viele Kurse, die sich gezielt an Wissensdurstige abseits der Uni richten, vom Einsteigerkurs für IT-Sicherheit bis zu Tipps rund um die Unternehmensgründung. «Wir wollen da auch noch mehr ausprobieren, um besser zu verstehen, was funktioniert und was nicht», erklärt Meinel.

Ausprobieren lohnt sich daher auch für Nutzer: Schließlich sind MOOCs grundsätzlich gratis, Kosten entstehen höchstens durch Lehrbücher oder andere Arbeitsmaterialien. Ansonsten brauchen Teilnehmer fürs Mitlernen nur Zeit, Neugier und einen halbwegs aktuellen Computer mit schnellem Internetzugang. Dafür gibt es bei einem erfolgreichen Abschluss allerdings nur ein Zertifikat für den Lebenslauf – Bachelor oder Master wird auf diesem Wege niemand.

Grund dafür ist, dass auch der Abschlusstest am heimischen PC stattfindet, so Meinel. «Da können wir nicht überprüfen, ob der Teilnehmer die Aufgaben tatsächlich eigenständig gelöst hat.» Allerdings will das OpenHPI ab Herbst 2016 auch anbieten, seine Online-Studenten beim Lösen der Aufgaben per Webcam zu überwachen. Dafür soll es dann zwar auch noch keinen Abschluss, aber wenigstens Creditpoints geben. Von Tobias Hanraths, dpa

Hier geht es zur MOOC-Suchmaschine von OpenEducationEuropa.

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