Interview zur Lehrereinstellung: Neuer Bildungsminister Tullner setzt auf Kreativität

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MAGDEBURG. „Das hat etwas mit Marketing zu tun“: Sachsen-Anhalts neuer Bildungsminister Marco Tullner (CDU) erwägt auch unkonventionelle Wege, um ausreichend zusätzliche Lehrer einzustellen. Im Interview äußert er sich überdies zum Stellenwert der Kultur, um die Staatskanzlei und sein Ministerium ringen.

Redaktion: Mehr als eine Woche nach der Regierungsbildung ist immer noch nicht klar, wo die Kultur angesiedelt sein wird – wie bislang im Kultusministerium oder in der Staatskanzlei. Da gibt es immer noch keine Entscheidung.

Tullner: Wenn man es mal positiv sieht, kann man zumindest sagen: Wenn zwei Häuser um den Bereich der Kultur ringen, ist es auch eine Wertschätzung der Kultur. Die Wertschätzung muss sich aber dadurch dokumentieren, dass klar ist, wer Ansprechpartner ist.

Sachsen-Anhalts neuer Schulminister Marco Tullner (CDU) will kreative Wege gehen um mehr Lehrer zu gewinnen. Foto: EvDa13 / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)
Sachsen-Anhalts neuer Schulminister Marco Tullner (CDU) will kreative Wege gehen um mehr Lehrer zu gewinnen. Foto: EvDa13 / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Redaktion: Das Kultusministerium heißt inzwischen Ministerium für Bildung. Der Begriff Kultur kommt auf Ministeriumsebene nicht mehr vor. Welches Signal geht davon aus?

Tullner: Wenn am Ende die Frage ist, die Kultur taucht nicht im Namen auf, dann habe ich dafür zwar Verständnis. Letztlich ist das aber nicht die zentrale Frage. Wichtig sind die Inhalte und nicht das Label. Ich habe ähnliche Debatten geführt vor fünf Jahren im Bereich Wissenschaft/Wirtschaft. Da ging es darum, was das erste im Namen ist. Aber egal, wie das ausgeht: Ein Bildungsministerium, wie ich es verstehe, wird immer die Kultur auch mitdenken. Denn Bildung ohne Kultur kann man gar nicht denken. Die Schnittstellen wird es so oder so geben – egal, wo die Kultur ressortiert.

Redaktion: Eine der größten Baustellen ist der Lehrermangel. Im Koalitionsvertrag ist von 3500 bis 4000 Neueinstellungen die Rede. Wie viele Lehrer müssen 2016 und 2017 eingestellt werden?

Tullner: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mit konkreten Zahlen sehr zurückhaltend agiere. Da haben wir ja eine vielfältige Problemlage. Am Ende geht es darum, dass wir eine ausreichende Zahl Lehrer einstellen wollen. Es kommt jetzt darauf an, dass wir auf der einen Seite auf dem schwierigen nationalen Markt Lehrerinnen und Lehrer gewinnen – andere Länder haben ähnliche Probleme. Das hat etwas mit Marketing zu tun, mit kreativen Ideen. Wir werden unsere ganzen Energien und Kräfte darauf verwenden, möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Aber wo die genaue Zahl liegt, ist schwierig.

Redaktion: Deutsch/Englisch-Lehrer für Gymnasien in Großstädten finden sich, wenn es aber um den Physiklehrer für eine Sekundarschule in Mansfeld-Südharz geht, gibt es große Probleme. Muss man da auch über finanzielle Anreize nachdenken?

Tullner: Ich denke, es darf keine Denkverbote geben. Wir müssen der Kreativität und dem gesunden Menschenverstand auch Bahn und Lauf lassen. Am Ende muss es aber rechtlich und haushalterisch so sein, dass sich niemand in Deutschland davon bevor- oder benachteiligt fühlt. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann man aber nicht mehr Absolventenlenkung wie zu DDR-Zeiten machen.

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Ich kann mich noch an meine Eltern erinnern: Sie waren an der Pädagogischen Hochschule in Magdeburg und wurden dann in Klötze eingesetzt. Das geht heute nicht mehr. Wir müssen es auch schaffen, den ländlichen Raum attraktiver für Fachkräfte zu machen. Ich setze da auch auf eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr.

Redaktion: Wo sehen Sie die größten Reibungspunkte mit den Grünen als neuem Koalitionspartner?

Tullner: Ich habe Claudia Dalbert als eine sehr engagierte Kultuspolitikerin kennengelernt und ich will auch nicht das Trennende betonen. Mir geht es darum, dass wir gemeinsam die Schulpolitik im Land gestalten und voranbringen. Da werden wir uns ideologische Grabenkämpfe nicht leisten können. Ich bin überzeugt davon, dass man mit einem gewissen Pragmatismus weiterkommt.

Redaktion: Gibt es etwas, was Sie möglichst schnell auf den Weg bringen wollen?

Tullner: Wir müssen jetzt gucken, dass wir das neue Schuljahr ordentlich vorbereiten. Das wird vermutlich noch nicht ganz so elegant gelingen, da ist die Zeit einfach zu kurz. Die Problemlagen sind ja erstmal da, die wir abarbeiten müssen. Deswegen ist mein Ziel, sichtbare Akzente vor allem im nächsten Jahr setzen zu können.

Ich finde, am Ende muss man den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern das Gefühl geben, dass Motivation und Eigeninitiative wichtig sind. Ich will versuchen, mitzuorganisieren, dass da viele Freiräume für Kreativität sind und dass es Hilfestellungen gibt. So verstehe ich mich ein bisschen serviceorientiert.

ZUR PERSON: Marco Tullner ist seit dem 25. April Sachsen-Anhalts neuer Bildungsminister. Zuvor war der 47-Jährige Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft. Tullner sagt von sich selbst, gemessen an Noten sei er ein guter Schüler gewesen. Er ging in Magdeburg zur Schule, studierte später Geschichte und Politikwissenschaft in Halle. Tullner ist verheiratet und Vater von zwei Kindern im Alter von 14 und 10 Jahren. (Interview: Dörthe Hein, dpa)

zum Bericht: Sachsen-Anhalt: Dorgerloh muss weichen – die CDU will das Schulministerium übernehmen

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Ursula Prasuhn
7 Jahre zuvor

„Der Begriff Kultur kommt auf Ministeriumsebene nicht mehr vor.“
Wenn Sachsen-Anhalts neuer Bildungsminister so tut, als sei die Streichung des Kulturbegriffs unbedeutend, widerspreche ich. Begriffe legen einen Rahmen fest – sie fordern ein und schließen aus.
Herr Tullner meint: „Wichtig sind die Inhalte und nicht das Label.“ Das klingt scheinbar einleuchtend, ist es aber nicht. Der Satz stimmt nur, wenn Inhalte unter einem Siegel stehen, das ihre Notwendigkeit, Wichtigkeit und Legitimität begründet.
Fehlt das Etikett, kann die Institution Schule noch ungehemmter als bisher umfunktioniert und eingespannt werden für alles, was Funktionäre, Lobbyisten oder Ideologen sich aus Eigeninteresse von ihr wünschen.
Ich würde Herrn Tullner gerne fragen, warum der Begriff Kultur auf Ministeriumsebene gestrichen wurde, wenn er denn so bedeutungslos ist. Offensichtlich haben das einige Koalitionäre anders gesehen und auf einer Eliminierung bestanden.