Umstrittenes Mathe-Abi in Niedersachsen – Ministerium räumt ein: Zu wenig Zeit vorgegeben

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Bei der Entwicklung der niedersächsischen Prüfungsaufgaben ist ein peinlicher Fehler passiert: Die Schüler hatten einfach zu wenig Zeit für die Klausuren. Die Landesregierung muss jetzt schnell handeln, fordert die Opposition.

Zum ersten Mal seit Einführung des Zentralabiturs greift das niedersächsische Kultusministerium in die laufenden Prüfungen ein. Nach Hunderten von Beschwerden von Schülern, Eltern und Lehrern soll bei den Ende April geschriebenen Mathematik-Klausuren der Bewertungsmaßstab angepasst werden. «Nach unserer Einschätzung war die Bearbeitungszeit offenkundig nicht ausreichend», sagte der für Gymnasien zuständige Referatsleiter Andreas Stein am Freitag im Kultusausschuss des Landtags in Hannover. CDU und FDP hatten eine Unterrichtung des Ausschusses über das umstrittene Mathe-Abitur beantragt.

Eine Wiederholung der Klausuren komme aber nicht in Frage, betonte der Referatsleiter. «Die Aufgaben waren anspruchsvoll, aber vom Schwierigkeitsgrad her leistbar.» Sie hätten auch den vorgegebenen Unterrichtsinhalten entsprochen. Warum nicht früher aufgefallen ist, dass die Klausuren zu umfangreich waren, konnte Stein nicht sagen. Er betonte, dass die Fachkommission, die die Prüfungsaufgaben entwickelt hatte, aus qualifizierten Fachleuten mit praktischer Unterrichtserfahrung besteht. Außerdem hätten «erfahrene Nachrechner» die Klausuren geprüft.

Betroffen sind landesweit etwa 20 000 Abiturienten, die im Leistungs- oder Grundkurs Mathematik als schriftliches Prüfungsfach belegt haben. In welchem Maße ihre Noten jetzt auf Geheiß von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) angehoben werden, steht noch nicht fest. «Wir befinden uns noch im Korrekturprozess», sagte Stein.

Die Opposition kritisierte, dass Heiligenstadt zu langsam handele. «Diese Situation ist echt Mist», sagte CDU-Generalsekretär Ulf Thiele. FDP-Schulexperte Björn Försterling sagte, es sei erschreckend, dass die ebenfalls fehlerhaften Nachschreibe-Klausuren in unveränderter Form zum Einsatz kämen, da die Zeit für eine Überarbeitung nicht mehr ausreiche.

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Der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens warf dem Kultusministerium vor, die Probleme kleinzureden und die Abiturienten im Regen stehen zu lassen. «Wir reden hier nicht von einem verunglückten Vokabeltest, sondern von der wichtigsten Prüfung im Leben eines Gymnasiasten, einer Gymnasiastin», sagte der Verbandsvorsitzende Oliver Gossel.

Aus Sicht des Vorsitzenden des Schulleitungsverband Niedersachsen, Frank Stöber, ist die Situation für das Ministerium «etwas peinlich». Die Anpassung des Bewertungsmaßstabes sei die logische Konsequenz, um für die Schüler keine Nachteile entstehen zu lassen. «In Zukunft muss man vorher sorgfältiger arbeiten», betonte Stöber. Dagegen rief der Chef des Lehrerverbandes GEW, Eberhard Brandt, zu mehr Gelassenheit auf. «Die Dramatisierung halten wir für unangemessen», sagte er.

Der Landesschülerrat hält die Anpassung des Bewertungsschlüssels für den richtigen Weg. «Nachschreiben steht gar nicht zur Debatte», sagte Landesschulsprecherin Olivia Zakrzewski. Die Schülerin regte für die Zukunft an, das Matheabitur vorab auch von Außenstehenden rechnen zu lassen – und nicht nur von Lehrern, die sich bereits ihr ganzes Leben mit Mathe-Klausuren beschäftigt hätten. dpa

Klausur zu schwer? Opposition fordert Aufklärung über Mathe-Abitur-Bewertung

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1 Kommentar
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Ulrich Kahn
7 Jahre zuvor

Interessant dürfte die Entscheidung des Kultusministeriums in ihrer rechtlichen Bewertung sein, denn es gab durchaus Prüflinge mit 14 oder gar 15 Punkten. Wie wird man denen dann gerecht, wenn der Notenschnitt angehoben wird?
Als betroffener Schüler würde ich klagen!!!