Nicht nur die Noten sehen: Was eine Psychologin am Zeugnistelefon Eltern rät

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HANNOVER. Mit Niedersachsen und Bremen starten am Mittwoch die ersten Bundesländer in die Sommerferien. Auch wenn viele Schüler Angst vor schlechten Noten haben: Sie seien eine wichtige Orientierungshilfe, sagt Schulpsychologin Plasse. Als konkrete Anleitung zur Verbesserung seien Zensuren aber nicht geeignet. Dafür bedürfe es der Gespräche mit den Lehrkräften.

Zeugnisse geben Orientierung, bieten aber keine konkrete Hilfestellung. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr (CC BY 2.0)
Schlechte Noten? Für Eltern (und Schüler) ein Albtraum. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr (CC BY 2.0)

Zensuren sind zur Einschätzung der eigenen Leistungen wichtig. Doch um Wege für eine Leistungsverbesserung zu finden, sei das Gespräch zwischen Lehrkraft und Schüler unverzichtbar, betont die Schulpsychologin Gertrud Plasse. Die ausgebildete Familientherapeutin arbeitet für die niedersächsische Landesschulbehörde. Dort können besorgte Eltern und Schüler beim Zeugnistelefon anrufen, wenn am Mittwoch die Zeugnisse verteilt werden.

Welche Bedeutung haben Zeugnisse oder andere Leistungsbewertungen?

Plasse: Zeugnisse bieten eine wichtige Orientierungsmöglichkeit über das Ergebnis der Leistungen in einem Schuljahr. Schülerinnen und Schüler brauchen diese Orientierung, um einschätzen zu können, wo sie stehen und was noch getan werden muss. Im besten Fall ist das Zeugnis eine Belohnung für die geleistete Arbeit.

Die klassische Zensur ist da für viele hilfreicher als lange Texte, allerdings ist sie als konkrete Handlungsempfehlung ungeeignet. Da sind begleitende Gespräche hilfreich, in denen die Lehrkraft – ähnlich wie der Fußballtrainer – Hinweise gibt, wie man beispielsweise in einem Fach von einer 5 auf eine 4 kommen kann. So kann geklärt werden, was genau zu tun ist, um etwa das Leseverständnis zu verbessern, die mündliche Mitarbeit zu steigern oder das Ausdrucksvermögen zu erweitern.

Hat der Leistungsdruck zugenommen und welche Rolle spielen da Noten?

Plasse: Druck entsteht vor allem durch Orientierungslosigkeit und wenn keine Perspektiven gegeben werden. Zusätzlich zu Zensuren sind Gespräche wichtig, in denen Selbst- und Fremdurteil abgeglichen werden, in denen Tipps für die Weiterarbeit erfolgen. Es sollte nicht nur das Endergebnis beurteilt werden, sondern auch der individuelle Lernfortschritt und das Arbeitsverhalten. In diesen Bereichen können die Schüler dann selbst ansetzen, sehen ihre Stärken und bekommen dadurch Motivation.

Wer ruft beim Zeugnistelefon an, was können Sie raten?

Plasse: Beim Zeugnistelefon rufen hauptsächlich Eltern, manchmal auch Großeltern oder Paten an. Die Schülerinnen und Schüler selbst sind in der Regel schon gut genug auf die Zeugnisse vorbereitet durch die Gespräche mit den Lehrkräften. Gute Noten sind nicht selbstverständlich, aber auch Dreien oder Vieren können bedeuten, dass das Kind sich sehr angestrengt und verbessert hat. Bei schlechten Noten sollten Sie dem Kind Mut machen und dem Kind signalisieren: «Das stehen wir gemeinsam durch.»

Eventuell ist ein Gespräch mit dem Lehrer sinnvoll, um zu überlegen, in welchen Bereichen zuerst geübt werden muss. Jedes Kind braucht wenigstens eine Person, die um sein Wohlergehen besorgt und ein echter Ansprechpartner ist, unabhängig von den Leistungen und Noten. Interview: Peer Körner, dpa

Zum Bericht: Precht provoziert mit seinen Forderungen: Weg von Noten und klassischen Fächern

Zur Person

Gertrud Plasse ist Familientherapeutin und arbeitet seit 1999 in Hannover für die niedersächsische Landesschulbehörde. Ihre Schwerpunkte sind alle Fragen rund um das Schulschwänzen. Sie leitet die Lehrerfortbildung KIK (Kommunikation, Interaktion und Kooperation), ein Programm für Klassenlehrer.

Die Landesschulbehörde hat für niedersächsische Eltern und Schüler wieder eine Hotline eingerichtet. Die Schulpsychologen am Zeugnistelefon sind am Mittwoch (22. Juni), dem letzten Schultag vor den Sommerferien, von 9.00 bis 17.00 Uhr unter der Telefonnummer +49 5141 924735 zu erreichen. Mit allen Fragen, Nöten und Ängsten rund ums Zeugnis könnten sich Schüler, Erziehungsberechtigte und andere Ratsuchende auch per Mail an die Adresse zeugnishotline@nlschb.niedersachsen.de wenden, um Fragen zu stellen oder Kummer loszuwerden.

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