Wird das Gymnasium zur Gesamtschule? Eltern-Umfrage: 71 Prozent wollen ihr Kind aufs Gymnasium schicken

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DÜSSELDORF. Wird das Gymnasium die neue Gesamtschule? Immer mehr Eltern in Deutschland melden ihre Kinder an der vermeintlich besten Schulform an. Jetzt lässt eine Umfrage aufhorchen: Die Stadt Düsseldorf hat die Väter und Mütter aller Zweit- und Drittklässler angeschrieben, um deren Schulwahlpräferenz zu ermitteln. Ergebnis: 71 Prozent wollen ihr Kind auf ein Gymnasium schicken, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Schulformen, die kein Abitur anbieten, scheinen keine Chance mehr bei den Eltern zu haben.

In den 70-er Jahren gingen im Schnitt nur rund 25 Prozent der Schüler aufs Gymnasium. Foto: Michael Dr Gumtau / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
In den 70-er Jahren gingen im Schnitt nur rund 25 Prozent der Schüler aufs Gymnasium. Foto:
Michael Dr Gumtau / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Umfrage unter den Eltern von Sieben- und Achtjährigen ist sicher nicht gleichbedeutend mit der dann später tatsächlichen Schulwahl, und die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf ist auch nicht repräsentativ für ganz Deutschland. Aber der Trend ist in der Umfrage erkennbar: Jede andere Schulform neben dem Gymnasium gilt für die meisten Eltern allenfalls noch als Notlösung. Mehr als 10.000 Eltern waren von der Stadt Düsseldorf über die Schulen angeschrieben worden, gut 6.000 (57 Prozent) hatten die Fragebögen schriftlich oder online beantwortet.

Ergebnis: Ginge es – ungeachtet der Empfehlungen der Grundschullehrer – nur um die Präferenz der Väter und Mütter, würden sich 71 Prozent für ein Gymnasium entscheiden. Weit abgeschlagen folgen hinter dem Gymnasium die Gesamtschulen (die ja ebenfalls das Abitur anbieten) mit 14 sowie die Realschulen mit 13 Prozent. Lediglich ein Prozent der Grundschul-Eltern gibt an, ihr Kind an einer Hauptschule anmelden zu wollen. In Nordrhein-Westfalen ist der Elternwille bei der Schulwahl entscheidend; die Grundschulempfehlung hat nur beratenden Charakter.

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Gravierende soziale Unterschiede

Bei der Umfrage fällt auf, dass es durchaus soziale Unterschiede bei der Präferenz fürs Gymnasium gibt – in wohlhabenden, bürgerlichen Stadtteilen klettert sie auf 85 Prozent, wogegen in sozial schwächeren Gegenden die Quote auf bis zu 52 Prozent sinkt. Und: Diejenigen, die ihr Kind aufs Gymnasium schicken möchten, sind offenbar auch die am besten Informierten. 83 Prozent dieser Befragten gaben an, sich bereits über die möglichen Gymnasien in der Nachbarschaft kundig gemacht zu haben – wohlgemerkt: ein bis zwei Jahre, bevor die Grundschule überhaupt ihre Empfehlung abgeben wird.

Zuletzt, so berichtet die „Rheinische Post“, wechselten in Düsseldorf 49 Prozent des Jahrgangs auf ein Gymnasium. Damit liegt Düsseldorf, trotz freier Schulwahl in NRW, durchaus im Durchschnitt vergleichbarer Städte. In Leipzig beispielsweise schlagen 50,4 Prozent der Schüler den Weg zum Gymnasium ein  – obwohl im Freistaat der Notenschnitt am Ende der 4. Klasse entscheidend ist., „Fakt ist, dass an Schulen, wo der Migrantenanteil hoch ist – also erst Deutsch erlernt werden muss – und dort, wo sozial schwache Familien sich eine Wohnung noch leisten können, weniger Kinder den Weg auf das Gymnasium schaffen. In Vierteln dagegen, wo die Mieten sehr hoch sind, kehrt sich das Bild um“, so berichtet die „Leipziger Volkszeitung“ aktuell. Bei Grundschulen mit einer wohlhabenden Elternklientel bedeutet das: Bis zu 93,2 Prozent der Kinder bekommen eine Bildungsempfehlung fürs Gymnasium.  Agentur für Bildungsjournalismus

Zum Bericht: Umgedrehtes Problem: Dieses Jahr wollen zu wenig Viertklässler aufs Gymnasium wechseln

Die Schulwahlempfehlung

Außer in Sachsen gibt es nur noch in Bayern, Brandenburg, Bremen und Thüringen bindende Empfehlungen. In etlichen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg wurde der Elternwille freigegeben. Der Anteil der Schüler in Gymnasien (gesamte Sekundarstufe I) ist zwischen 2003 und 2013 laut Statistischem Bundesamt allerdings in allen Bundesländern gestiegen – in Sachsen beispielsweise von 33,7 auf 39,2 Prozent. Bundesweit stieg der Anteil von 30,7 auf 34,3 Prozent.

 

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Pälzer
7 Jahre zuvor

NRW hat eine rot-grüne Mehrheit; diese Parteien favorisieren Gesamtschulen. Aber ihre Wähler scheinen Gesamtschulen nicht als beste Schule für ihre Kinder zu sehen. Wie ist das zu erklären?

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Nicht die Schulform wird wird abgelehnt, sondern das gesamtschultypische Schülerklientel sowie der Ganztag.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Klientel sehe ich ein, wobei Vorurteilen zufolge die abgelehnte Klientel nach Klasse 10 die Gesamtschule verlassen wird …

Ganztag sehe ich weniger ein, weil gerade wegen G8 viele Gymnasien auf einen mehr oder weniger (un-) gebundenen Ganztag umgestiegen wurden.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nee, nach Jahrgang 9 mit dem HA.

HA 10 sind „Realschüler“, die den FOR nicht schaffen.

Verpflichtender, gebundener Ganztag ist etwas Anderes als die GY fahren.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

BTW viele ehemalige Gymnasiasten, die nach der 8 an eine GeS wechseln, schaffen ihren FOR-QE nicht im ersten Anlauf.
Ein Wechsel vom GY an eine GeS nach Klasse 9 ist nicht mehr möglich, da am GY dann schon die SekI abgeschlossen ist. Es kann nur ein Wechsel an ein BK erfolgen.

Sommerzeit
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Stimmt.
Und viele Eltern, wählen aus diesem Grund eine Privatschule, da sich diese ihre Schüler-/Elternschaft auswählen kann.

rfalio
7 Jahre zuvor

Interessant wäre dann die Abiturquote:
Wie viele der Gymnasialanfänger bestehen das Abitur?
Wie viele davon mit Wiederholung(en)?
rfalio

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  rfalio

Da die GY nicht mehrabschulen dürfen, erübrigt sich die Frage. Wie Wiederholungen? – Aus NRW sind Sie jedenfalls nicht. (Ham wa aus Kostengründen abgeschafft.)

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Abschulen ist verboten worden ?!?

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nee, es ist nur nicht gewünscht. Das gibt Diskussionen mit dem schulfachlichen Dezernenten.

Etwas Anderes ist es natürlich, wenn die Eltern ihren Sprößling nach Klasse 6 oder 7 nach intensiver beratung abmelden.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

„wenn die Eltern ihren Sprößling nach Klasse 6 oder 7 nach intensiver beratung abmelden“ ist natürlich etwas _gaaaaaaanz_ anderes – NICHT.

Formal vielleicht doch, weil der Schulformwechsel nach unten durch die Eltern und nicht von der Schule veranlasst wurde.

xxx
7 Jahre zuvor

Rein rechnerisch, wenn die Eltern ihren Willen bekommen und wenn man dem IQ glaubt, geht alles ab IQ 94 auf das Gymnasium und mindestens alles ab IQ 100 soll nach dem Willen der Politik das Abitur auch bestehen. Im Vergleich zur an Gesamtschulen angestrebten Drittelparität HS-RS-GY würden alle Realschüler und 20% der eigentlich Hauptschüler auf das Gymnasium gehen. Armes Deutschland …

sofawolf
7 Jahre zuvor

Darauf läuft es hinaus.

So wird das Gymnasium „durch die Hintertür“ zur „Einheitsschule“ (wogegen ich nicht viel habe), weil die anderen Schultypen mangels Nachfrage abgeschafft werden.

Dahinter steckt die falsche Politik, so viele Kinder wie möglich zu Abiturienten machen zu wollen. Ich erinnere mich gut an entsprechende Vergleiche mit anderen Ländern.

sofawolf
7 Jahre zuvor

PS: Und um das zu schaffen (dass immer mehr ans Gymnasium gehen), werden alle Anforderungen gesenkt – von Zensurenmaßstäben bis hin zu Lehrbuchtexten. Immer leichter, immer einfacher, immer simpler.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

In NRW hat Klett es geschafft, für sein Natura-Biologiebuch für Gymnasien auch die Gesamtschulzulassung zu bekommen. Laut Werbeschrift wurden alle Texte neu geschrieben in größerer Schriftart und mit Inklusionsaufgaben. Für den Verlag ist das aus wirtschaftlicher Sicht super, für alle anderen an Gymnasien, insbesondere Lehrer mit dem Ziel eines fachlich niveauvollen Unterrichts, halte ich es für bedenklich.