Ende der Willkommenskultur? Von wegen – Lehrerverband fordert mehr Hilfe für traumatisierte Flüchtlingskinder

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Traumatisierte Flüchtlingskinder machen den Lehrern zu schaffen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) geht davon aus, dass 40 Prozent aller Flüchtlingsschüler im Freistaat unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Er fordert mehr Unterstützung aus der Politik.

Ein multiprofessionelles Team in den Schulen sowie Beratung für die Lehrkräfte seien wichtig, sagte Klaus Wenzel vom BLLV am Freitag in München. Wenn Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das Ende der Willkommenskultur verkünde, «dann ist das wie eine Ohrfeige gegenüber den Menschen, die sich Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat darum bemühen, mit der Situation zurechtzukommen».

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Die Herausforderungen sind groß, aber es mehren sich die Stimmen, die Deutschlands Schulen zur Integration von Flüchtlingen gut aufgestellt sehen. Foto: Enno Lenze / flickr (CC BY 2.0)
Kindern, die schon hier sind, kann man schlecht sagen, ihr seid jetzt doch nicht mehr wilkommen, meint der BLLV. Foto: Enno Lenze / flickr (CC BY 2.0)

Derzeit gehen knapp 23 000 Flüchtlingskinder in bayerische Grund- und Mittelschulen, im September waren es noch rund 17 200. Etwa 3200 dieser Schüler sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Zusammen mit dem Münchner Institut für Traumatherapie veranstaltete der BLLV in München ein zweitägiges Seminar für Lehrer. Ziel sei es, den Lehrern die Angst vor dem Umgang mit traumatisierten Kindern zu nehmen, sagte Institutsleiter Willi Butollo. Im neuen Schuljahr sollen in weiteren Städten in Bayern entsprechende Seminare angeboten werden. dpa

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14 Kommentare
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xxx
7 Jahre zuvor

Ich verstehe den Zusammenhang zwischen „keine Willkommenskultur“ und „Lehrerverband fordert mehr Geld für Flüchtlingskinder“ nicht. Ich bin aber auch nur Lehrer und kein (Bildungs-) Politiker.

Sabine
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wie war das eigentlich nach den Weltkriegen? Wie konnten sich da so viele traumatisiere (Flüchtlings)Kinder überhaupt noch an den Schulen und im Leben zurecht finden ohne ein Heer an Psychologen und multiprofessionellen Teams?
Mir kommt der ganze Wirbel um Traumata übertrieben vor. Gehören sie nicht auch zum Leben und hat nicht jeder Mensch irgendwo sein Trauma?
Mich stößt der ganze Wirbel, der heutzutage um seelische Befindlichkeiten gemacht wird, furchtbar ab. Diese voyeuristische Barmherzigkeit finde ich morbide und bezweifle, dass sie richtig ist und guttut.

MMeier
7 Jahre zuvor
Antwortet  Sabine

Nach den Weltkriegen wurden vermutlich „zappelige“ Kinder unter Umständen anders eingruppiert. Sprich, sie galten als unerzogen, unnormal usw. (keine Ahnung was es da noch für Begriffe gab). PTBS-Fälle wurden einfach nicht erkannt. Das ist aber reine Spekulation.

Allzu oft denke ich mir aber auch, dass hier die Flüchtlinge missbraucht werden sollen, um Ausgaben für eine sich gebildete Sozialindustrie (und anderer Akteure) zu rechtfertigen oder maximieren.

Aber besser man diskutiert nicht zuviel über das Thema (werde ich auch nicht), da es ein politisches Minenfeld ist, durch dieses Duckmäusertum aber auch superleicht verdientes Geld für die Sozialverbände.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  MMeier

schwer erziehbar

Die Geschichten der Heimkinder füllen heute viele Gerichtsakten – die Länder verweigern immer noch adäquate Entschädigungszahlen für die Opfer der „schwarzen Pädagigik“.

timo
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Indem Sie den Blick auf diesen zweifellos schlimmen Teil der Erziehung lenken, der übrigens bei weitem nicht nur Flüchtlingskinder betraf, lenken Sie m. E. zugleich vom Kern der Sache ab.
Ich bin Sabine und MMeier dankbar, dass sie mutig etwas ansprechen, was auch ich als hinterfragenswert empfinde und keineswegs so edel, hilfreich und gut ist wie immer dargestellt.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Nee, ich lenke nicht ab.

Tatsache ist, dass viele Kinder der Kriegszeit nach 45 älter als 14 Jahre alt waren und damit nicht mehr schulpflichtig. Da der Arbeitsmarkt zu jener Zeit aber leergefegt war, wurden die jungen Männer ohne formalen Schulabschluss oder mit den während des RAD oder als Mitglied der HJ in den FlaK-Zügen erworbenen Schulabschlüssen in den Arbeitsmarkt integriert. in den Wirtschaftswunderjahren hatte ein großer Teil der Beschäftigten keinen formalen Schul- oder Berufsabschluss.

Der Anteil der „Hilfsschüler“ – also von Schülern, die nicht an der achtjährigen Volksschule sondern an Sonderschulen unterrichtet worden sind – war entsprechend hoch. daneben gab es dann noch die Gruppe von Jugendlichen, die in Einrichtungen der „Kinder- und Jugendhilfe“ untergebracht/(inhaftiert) waren.

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  Sabine

Ihr Kommentar ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die in Kriegs- oder Krisengebieten eingesetzt sind/waren oder dort leben mussten und die mit den gesehenen Gräueltaten nur schwerlich leben können.
Da geht es nicht um „mir geht es heute nicht so gut“, sondern um Traumata, die einen am Leben und Überleben zweifeln lassen.

Wie es nach dem Krieg ging?
„Augen zu und durch“ oder „Augen zu und tot“ – es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie man mit Traumata umgeht, damals wie heute.
Jemanden sich selbst zu überlassen, halte ich für falsch. Das tut man bei physischen Verletzungen doch auch nicht.

Im übrigen spricht man nicht umsonst vom „Krieg im Altenheim“, weil die Menschen vom Verdrängten immer wieder eingeholt werden, selbst wenn viel Zeit vergangen ist.

MMeier
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Galt das jetzt mir?

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  MMeier

Nein, es bezog sich auch auf den Beitrag von Sabine …
Bei N4t ist die Darstellung z.T. missverständlich. Auch ich habe mich gewundert, dass mein Beitrag so weit unten landet.
Weiterer Beitrag unten unter timos Erklärungen Ihrer Sichtweise.

timo
7 Jahre zuvor

@Palim
Es gibt zwei Seiten der Medaille. Diejenige, die immer im Mittelpunkt steht und die andere, die wie MMeier ganz richtig sagt, „ein politisches Minenfeld“ darstellt. Wer sie erwähnt, erntet nur Verachtung und moralische Empörung. Deshalb gibt es das von MMeier erwähnte Duckmäusertum, obwohl die nähere Betrachtung jeder steuergeldfinanzierten Hilfe, nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig wäre.
Es geht doch nicht darum, Menschen, die unbedingt Hilfe brauchen, diese zu verweigern.

Vielleicht lesen Sie mal bei wikipedia nach, was dort unter „Helfer(innen)industrie“ steht, wenn Sie Andersdenkende besser verstehen wollen und nicht nur verurteilen. Es lohnt sich!!

Vielleicht genügt aber auch dieses Zitat:
«Die Helferindustrie ist die größte Jobmaschine. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die seit Jahren explosive Ausweitung des Helferpotentials in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen steht. Institutionen, die angeblich zur Überwindung von Problemen geschaffen wurden, halten diese geradezu aufrecht. Es kommt nicht mehr auf das Was und Wie an, sondern darauf, dass eine große Anzahl verschiedener Menschen mit den Problemen ein und desselben Kindes ihren Lebensunterhalt verdienen.» (Anton Bittler)

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  timo

Auch ich kenne Themen hinsichtlich Hilfe, bei denen ich streiten kann: ADHS und der Umgang damit, Nachhilfe oder andere Unterstützungssysteme etc.

In den letzten Wochen merke ich bei vielerlei Themen, dass wir alle auch immer aus der Sicht schreiben, die wir vor Ort finden. Und die ist sehr regional und immer auch föderal geprägt.

Da gibt es Bundesländer, in denen es nur halb so viele Schulpsychologen gibt wie anderswo… und nur die schlimmsten Fälle überhaupt Beachtung erhalten.
Und Länder, in denen Inklusion zwar angesetzt, aber durch nahezu keine Ressourcen unterstützt wird.
Therapeuten und Therapiezentren sind so überlaufen, dass Kinder 1 Jahr warten auf Termine warten müssen – beim Augenarzt oder anderen Spezialisten, Hilfe über Therapien wird ihnen verweigert.
Das hat meiner Ansicht nach wenig mit Helferindustrie zu tun, sondern damit, dass den Kinder medizinische Hilfe verwehrt wird.

„Es geht doch nicht darum, Menschen, die unbedingt Hilfe brauchen, diese zu verweigern. “
Doch. Genau darum geht es. Dass die Infrastruktur in jeder Region so gut ausgebildet sein muss, dass jeder und jede, die Hilfe benötigt, diese auch bekommen kann.
Und dazu gehört m.E. auch Hilfe bei Traumata gleich welcher Art, auchTrauerbewältigung und andere psychologische Hilfe.

Mein Beitrag bezog sich auf Sabrinas Post:
„Mir kommt der ganze Wirbel um Traumata übertrieben vor. Gehören sie nicht auch zum Leben und hat nicht jeder Mensch irgendwo sein Trauma?“
Ich stelle mir auch die Frage, wie es in D nach dem Krieg war. Aber ob man die Situationen wirklich vergleichen kann? Meiner Meinung nach haben sicherlich sehr viele versucht, das Beste aus der Situation zu machen und irgendwie darüber hinwegzukommen (s.o.), aber ich bin auch sicher, dass viele an der Situation zerbrochen sind.
Die Menschen, die heutzutage in D mit Kriegstraumata leben, zerbrechen u.a. daran, dass das Leben hier im Frieden weitergeht und die meisten Menschen nicht einmal eine winzige Ahnung davon haben, was in Kriegsgebieten geschieht, Traumata auslöst und eben nicht verarbeitet werden kann. Sicherlich braucht nicht jedes geflüchtete Kind Hilfe bei der Traumabewältigung, aber diese zu verwehren, empfinde ich als grausam.

timo
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Die Frage ist doch, ob Traumabewältigung wirklich immer gebraucht wird, oder ob nicht auchTraumata „angedichtet“ werden aus Motiven, die nicht hilfreich, edel und gut sind.
Davor dürfen doch nicht die Augen verschlossen werden.
Eine verbreitete und übertriebene Hilfsmentalität, deren Blauäugigkeit auch noch als besondere Empathie und Großherzigkeit gilt, lädt doch geradezu ein zu Missbrauch und Geschäftemacherei.
Dies nicht zu verdrängen oder zu verleugnen, weil das als pietätlos gilt, finde ich wichtig. Immerhin bezahlt die Solidargemeinschaft der meist hart arbeitenden Steuerzahler jede staatliche Hilfe, die nicht sein müsste, aber großzügig gewährt wird.
Auch in der Flüchtlingsfrage scheint mir da einiges an Veruntreuung stattzufinden. Googeln Sie doch mal unter „das Geschäft mit den Flüchtlingen“ oder einem anderen Suchbegriff. In der FAZ habe ich z.B. darüber vor einigen Monaten einen lesenswerten Artikel gefunden.
Und überlegen Sie auch mal, was heute alles unter „Trauma“ läuft und zu einer psychotherapeutischen Behandlung berechtigt. Oder haben Sie nicht den Eindruck, dass der Begriff „Trauma“ inflationär gebraucht wird und dies ein seltsames Zeichen ist?

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  timo

„Eine verbreitete und übertriebene Hilfsmentalität“
… kann ich nicht erkennen. Wohl aber Mitmenschen, die darum bemüht sind, Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu helfen, dass sie ihr Leben behalten und hier einigermaßen lebenswert gestalten können.

„Oder haben Sie nicht den Eindruck, dass der Begriff “Trauma” inflationär gebraucht wird “
Nein. Habe ich nicht.
Ich habe im Hinterkopf, dass die Kinder, die mir in meinen Klassen in den letzten Jahren anvertraut wurden, Traumata haben könnten.
Bestimmte Situationen beobachte ich. Ich würde es nicht herausfordern, aber ich wäre gerne besser informiert, damit ich auf mögliche Situationen vorbereitet bin. Genauso habe ich auch anderes im Hinterkopf und achte auf die SuS in unserer Schule.
Gut finde ich, wenn ich als Lehrkraft dann nicht alles allein bewerkstelligen soll (wie so vieles anderes, das in den letzten Jahren hinzugekommen ist), sondern Hilfsangebote zur Verfügung stehen, an die ich mich wenden kann oder an die ich verweisen kann.

Im Übrigen geht es hier doch gar nicht um großzügig gewährte (?), nicht angemessene staatliche Hilfe, sondern darum, dass Lehrkräfte (in BY) über Traumata und den Umgang mit möglicherweise traumatisierten Kindern informiert sind. Auch für anderes muss man sich informieren und verbringt damit viel Zeit und Mühe: Beeinträchtigungen unterschiedlichster Art, Krankheitsbilder etc. und den daraus resultierenden Umgang im Unterricht oder die geänderte Beschulung. Übrigens wünsche ich mir auch Informationen darüber, wie Kinder damit umgehen, wenn Eltern traumatisiert sind – ebenso, wie man auch andere Kinder in der Klasse haben kann, die mit kranken oder beeinträchtigten Eltern aufwachsen.

Ob das in Seminaren erfolgen muss, sei dahin gestellt. Vom Bildungsserver aus BY kenne ich viele gute Dokumente, andere Bundesländer sind da nicht so gut aufgestellt. In Niedersachsen wurde auf einer Schulleiter-Dienstbesprechung das Thema aufgegriffen. Das kommt in der Fläche dann aber leider nur selten an. Besser wäre es, Informationen auf dem Bildungsserver oder den Seiten des Ministeriums für alle Interessierten oder Suchenden zur Verfügung zu stellen. Die vielgefragte „Digitalisierung der Bildung“ könnte auch mal in Ministerien Einzug halten, sodass Online-FoBi zum Abruf bereitstehen.

Ist es unangemessen, Lehrkräfte in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und ihnen Informationen leicht erreichbar zur Verfügung zu stellen? Wenn diese Informationen nicht gegeben werden, ist doch die Gefahr der Geschäftemacherei und des Missbrauchs viel größer – die der Hilflosigkeit und Überlastung übrigens auch.

g. h.
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Luise Reddemann, Psychotherapeutin und Honorarprofessorin an der Universität Klagenfurth :

“Ich verwende den Begriff Resilienz schon gar nicht mehr gerne, das ist fast genauso schlimm wie mit dem Begriff Trauma, der auch ständig gebraucht wird.”

http://www.deutschlandfunk.de/musik-und-fragen-zur-person-die-psychoanalytikerin-luise.1782.de.html?dram:article_id=327907#