DÜSSELDORF. G8 oder G9 – in Nordrhein-Westfalen tobt der Streit um das «Turbo-Abitur». Schulministerin Löhrmann will weg von der Strukturdebatte. Sie meint: Jedes Kind brauche seine eigene Lernzeit.

Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann will den Streit um das «Turbo-Abitur» mit einem Vorschlag für eine flexible Länge der Schulzeit lösen. Die teilweise sehr emotional geführte Auseinandersetzung um G8 und G9 werde dem Anspruch auf beste Bildung für alle Kinder nicht gerecht, sagte Löhrmann am Mittwoch. Sie schlage deshalb vor, «jedem Kind eine an seine individuellen Voraussetzungen angepasste flexible Schulzeit zu ermöglichen». Löhrmann äußerte sich als designierte Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl.
Ihr Vorschlag baue auf den guten Erfahrungen mit der flexiblen Eingangsphase an den Grundschulen auf. Dort könnten die Schüler die ersten beiden Schuljahre, je nach Leistungsfähigkeit, in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen. Der Ansatz, «dass Schüler unterschiedlich schnell lernen», müsse konsequent auf die Sekundarstufe I und II übertragen werden – «und zwar nicht nur am Gymnasium, sondern in allen Schulformen und für alle Schulabschlüsse».
Die Bürgerinitiave familiengerechte Schule und Bildung – «G-ib-8» – appellierte an die Politik, zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium (G9) zurückzukehren und eine Flexibilisierung der Oberstufe auszuschließen.
Löhrmann sagte: «Es ist nicht wichtig, ob Kinder 12, 13 oder 14 Jahre in die Schule gehen.» Entscheidend sei, dass alle den für sie individuell besten Abschluss erreichen könnten. Das bedeute aber nicht, dass alle das Abitur machten. «Das ist weder möglich noch notwendig.»
Die nächste Schulreform in Nordrhein-Westfalen dürfe sich nicht an Organisationsformen orientieren. «Wir müssen raus aus der alten Blockade», meinte Löhrmann. Im Mittelpunkt müssten die Kinder und nicht die Strukturen stehen. Der Grundsatz solle lauten: «Jedem Kind seine eigene Lernzeit.»
Die Idee stammt aus Bayern
Ganz neu ist der Vorschlag nicht: Der Bayerische Elternverband (BEV) war unlängst mit der Idee einer internen Flexibilisierung des Lernens vorgeprescht. Heißt: ob G8 oder G9, das soll künftig vom Schüler abhängen. “Die persönliche Entwicklung und der Lernprozess eines jeden Schülers sind individuell so verschieden, dass ein vorgeschriebener fester Ablauf, sei es in acht oder in neun Jahren, nie allen Gymnasiasten gerecht werden kann”, erklärte derVorsitzende des Elternverbands, Martin Löwe.
In Nordrhein-Westfalen hat die Debatte über das «Turbo-Abitur» in den vergangenen Monaten Fahrt aufgenommen. Unter anderem die Landeselternschaft der Gymnasien fordert eine Rückkehr zum G9-Abitur. Auch «G-ib-8» will eine Umkehr und flächendeckend schon zum kommenden Schuljahr wieder G9 einführen. Sprecherin Anja Nostadt sagte, eine Flexibilisierung der Oberstufe sei ein schon oft diskutierter Vorschlag, der von Praktikern in den Schulgemeinden abgelehnt werde.
«Diese Variante würde die Situation in den Schulgemeinden nicht vereinfachen, sondern würde nur dazu führen, dass viele Schüler und Schülerinnen nicht in den Genuss eines G9 kommen könnten.» Die Flexibilisierung würde nur «ein Versprechen auf dem Papier» bleiben.
Löhrmann sieht ihren Vorstoß zunächst als Beitrag für die Debatte über das Landtagswahlprogramm der Grünen. Details müssten allerdings noch ausgearbeitet werden. Deshalb hoffe sie auf eine breite Diskussion über ihren Vorschlag. dpa
damit stielt sich die Politik aus der Verantwortung und schiebt den Schulen / Lehrern den schwarzen Peter zu.
Früher nannte man es Sitzenbleiben – jetzt heißt es individuelle Lernzeit.
nicht ganz. beim sitzenbleiben wird ein schuljahr wiederholt, bei der individuellen Lernzeit wird ein schuljahr vergammelt.
Naja man könnte auch gegenteiliges behaupten.
Früher hieß es das Kind ist dumm – heute hat es LRS, ADS und Dyskalkulie.