G8/G9-Streit: Das Gymnasium wird in NRW zum Wahlkampfthema – und: Wahlfreiheit für Schulen soll es nicht geben

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DÜSSELDORF. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann machte jetzt klar: Eine grundsätzliche Änderung des „Turbo-Abiturs“ wird vor der Landtagswahl im Mai nicht mehr eingeleitet. Der G8/G9-Streit wird im Wahlkampf also in Nordrhein-Westfalen ein Aufreger-Thema bleiben. Die GEW fordert dabei „eine breite und im Ergebnis offene schulpolitische Debatte, wie die ‚Reform der Reform‘ aussehen soll“ – hat aber durchaus eine eigene konkrete Vorstellung.

Mag vor der Wahl im Mai den G8/G9-Streit nicht mehr entscheiden: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Foto: Maik Meid / flickr (CC BY-SA 2.0)
Mag vor der Wahl im Mai den G8/G9-Streit nicht mehr entscheiden: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Foto: Maik Meid / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Entscheidung über das Turbo-Abitur in Nordrhein-Westfalen bleibt offen. Knapp sieben Monate vor der Landtagswahl will die rot-grüne Landesregierung keine neuen Weichen für das Abitur nach acht oder neun Jahren Gymnasium stellen. «Es ist nicht sinnvoll, dass der jetzige Landtag in dieser Legislaturperiode darüber noch eine Entscheidung trifft», sagte Löhrmann am Dienstagabend in Düsseldorf.

Die Grünen-Politikerin hatte Akteure aus Verbänden, Parteien und Initiativen zum vierten Mal seit 2014 an einen Runden Tisch zur Schulzeitverkürzung geladen, um über die Zukunft des umstrittenen «Turbo-Abiturs» zu diskutieren. Rund 50 Gäste nahmen teil. CDU und Piraten boykottierten die Veranstaltung.

„Die Regierung taucht ab“

Die Bürgerinitiative «G-ib-8» gegen das achtjährige Gymnasium warf Löhrmann vor, eine klare Entscheidung aus wahltaktischen Gründen zu vermeiden. «Die Regierung taucht ab», sagte die Sprecherin der Initiative, Anja Nostadt. Ihr Eindruck nach der dreistündigen Konferenz: «Es gibt eine eindeutige Tendenz weg von G8».

Darüber sei aber in der Runde nicht abgestimmt oder entschieden worden, stellte Löhrmann klar. «Natürlich nicht.» Den meisten sei klar gewesen, dass eine mögliche Entscheidung gründlich vorbereitet werden müsse. Immerhin würde ein Gesetzgebungsverfahren rund sechs Monate dauern.

Viele Einzelfragen seien zu klären, erklärte die Ministerin. Etwa: Welches Stundenvolumen ist gewollt? Soll die zweite Fremdsprache weiter in der 6. oder künftig lieber in der 7. Klasse beginnen und welche Auswirkungen hätten Änderungen am Gymnasium auf Schulträger und andere Schulformen?

Die Unzufriedenheit mit dem «Turbo-Abitur» ist in den vergangenen Jahren bei Schülern, Eltern und Lehrern gewachsen. Ende 2015 hatten sich die Teilnehmer an Löhrmanns drittem «Rundem Tisch» noch mehrheitlich auf Entlastungen der Schüler im «Turbo-Abitur» geeinigt. Jetzt fordert die Landeselternschaft der Gymnasien die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9).

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CDU will eigenes Konzept vorstellen

CDU-Fraktionschef Armin Laschet kündigte im WDR-Fernsehen für Ende des Monats ein eigenes Konzept der CDU an. Die größte Oppositionsfraktion nahm nicht am Runden Tisch teil, weil sie kein diskussionswürdiges Konzept der Landesregierung sah. Für die Piraten kommt nur eine konsequente Rückkehr zu G9 infrage. Die FDP möchte die Schulen wählen lassen.

Das Treffen habe aber gezeigt, dass viele eine staatliche Leitentscheidung über ein Grundsystem an den Gymnasien erwarteten statt jede Schule entscheiden zu lassen, ob sie G8 oder G9 wolle, sagte Löhrmann. Die Ministerin hatte im vergangenen Monat selbst flexiblere Lernzeiten für Schüler in allen Schulformen vorgeschlagen.

Die SPD möchte zurück zu sechs Jahren Schulzeit in der Sekundarstufe I. Dies würden auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Verband Bildung und Erziehung begrüßen. Andere hätten hingegen die Meinung vertreten, dass an drei Jahren Oberstufe festgehalten werden sollte, sagte Löhrmann.

Zentrales Reformziel müsse die Rückkehr zu einer sechs Jahre umfassenden Sekundarstufe I sein, betonte dann auch die GEW in einer Pressemitteilung. Diese Schulstufe müsse künftig für alle Schulformen gleich lang sein und auch am Gymnasium mit einem mittleren Schulabschluss beendet werden können. Die Bildungsgewerkschaft lehne es ab, den einzelnen Schulen die Wahl zwischen G8 und G9 zu überlassen. Auch G8 und G9 an einer Schule seien nicht sinnvoll. „Die anstehende Reform darf nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte umgesetzt werden. Bei allen notwendigen Veränderungen muss nicht jedes Gymnasium ein eigenes Konzept entwickeln. Das würde die Schulen und unsere Lehrerinnen und Lehrer sinnlos überfordern. Wir wollen eine sechsjährige Sekundarstufe I, verbunden mit einer flexiblen Oberstufe, die in zwei, drei oder vier Jahren durchlaufen werden kann“, erklärte GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer.

Die Schulzeitverkürzung von neun auf acht Jahre Gymnasium hatten 2005 alle Landtagsparteien im Prinzip befürwortet. Die rot-grüne Koalition musste allerdings ein zuvor unter schwarz-gelber Regierung beschlossenes Modell umsetzen, das den Unterricht in der Sekundarstufe I verdichtete. SPD und Grüne wollten eigentlich die Schulzeit in der Oberstufe verkürzen. dpa

Zum Bericht: Wildes Wende-Manöver: von Fans zu Feinden des G8 – die Landeselternschaft der Gymnasien NRW

Hintergrund: GEW gegen ein schlichtes „Roll Back“

Das SPD-Modell mit einer sechsjährigen Sekundarstufe I und einer Doppelfunktion für die Klasse 10 komme, so die Landesvorsitzende der GEW, Dorothea Schäfer, den Vorstellungen der Bildungsgewerkschaft schon sehr nahe. Aus Sicht der GEW müssten die bislang vorliegenden Modelle aber noch konkretisiert werden. Schäfer: „Es muss aber klar sein, was in Klasse 10 praktisch passiert. Wenn die Schülerinnen und Schüler sich eben nicht bereits im vierten Schuljahr für den acht- oder neunjährigen Bildungsgang entscheiden müssen, sondern erst später, muss genau geklärt sein, zu welchen Zeitpunkten Weichenstellungen nötig sind.“ Das Konzept einer Individualisierung der Lernzeit – wie von Schulministerin Löhrmann ins Gespräch gebracht –  bedürfe sicher weiterer Konkretisierung.

Mit der Einführung einer einheitlich langen Sekundarstufe I muss aus Sicht der GEW die Wiederherstellung der Orientierungsstufe mit den Klassen 5 und 6 einhergehen, und zwar an allen Schulformen. „Das erfordert auch das Einsetzen der zweiten Fremdsprache beziehungsweise des Wahlpflichtbereichs I erst in Klasse 7“, sagte die GEW-Landesvorsitzende.

Kritik äußerte Schäfer am geplanten Volksbegehren der Elterninitiative „G9 NRW jetzt“: „Abitur nach 13 Jahren ohne Pflicht zum Nachmittagsunterricht – das klingt nach bildungspolitischem Roll Back. Dass gerade gebundene Ganztagsschulen zu mehr Chancengleichheit führen, leuchtet dieser Initiative nicht ein und dass auch Eltern über die Vorschläge der Parteien diskutieren wollen, scheint hier nicht zu interessieren.“

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Wolfgang Kuert
7 Jahre zuvor

Wolfgang Kuert informiert aus wdr-aktuell über die Aussage des Vorsitzenden des Philologenverbandes NRW, Peter Silbernagel, nach dem heutigen „Runden Tisch“.

Also ich glaube, es hat eine gewisse symphatische Variante, wenn man sagt, das Gymnasium darf das Alleinstellungsmerkmal G8 behalten, aber auch eine Öffnung, oder ein Ventil hin zu einer längeren Schulzeit zulassen, sprich hin zu G9. Ich glaube, das wird auch der politisch vernünftige Weg sein.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

die frage ist nur, wie das ventil ausgestaltet wird. bei zu großer flexibilität wird die wahlurne jubeln, aber der lehrer stöhnen, weil sich die politik aus der planungsarbeit zurückziehen wird. hat sie beim zentralabitur, bei g8 alt, inklusion ja auch gemacht.

PeterPan
7 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

An dieser Stelle kann man xxx nur zustimmen. Es geht nicht um den „politisch vernünftige(n) Weg“, sondern um ein tragbares Konzept. Die bisherigen Konzepte waren politisch immer vernünftig, wenn man den Worten der PolitikerInnen glauben schenkte. Inklusion, Integration und Schulzeitverkürzung wurden beschlossen und umgesetzt und haben funktioniert – abgesehen von den vielen Problemen und den entstandenen Krisen, die von Lehrkräften und Kindern zu ertragen waren.
Es geht auch nicht um G8 als Alleinstellungsmerkmal, denn die Entwicklung, die dahinter steckt, ist mehr als fragwürdig. Es geht um ein Gymnasium, das S’uS in der Regel zum Abitur führt und sich durch mehr von Gemeinschafts- und Gesamtschulen abgrenzt als das höhere Tempo.
Diese Schulzeitdebatte führt nämlich zur Frage des Niveaus, was im Hinblick auf die Erhöhung der Abiturquote erheblich gelitten hat – besonders im Hintergund der Kompetenzen.
Um den Kreis zu schließen ist nämlich der bisherige „politisch vernünftige Weg“ danach ausgerichtet gewesen, das Abitur als Volksabschluss zu etablieren, was nur durch eine Schwächung der Gymnasien funktionierte, um im Hinblick auf die Gemeinschafts- und Gesamtschulen kein Abitur erster und zweiter Klasse einzuführen. Die Frage nach einer Rückkehr zu G9 steht im Hinblick auf das Anheben des Niveaus nämlich auf einem Scheideweg dahingehend, ob man auf einem Gymnasium die Inhalte wieder intensiver behandelt und verinnerlicht oder ob man einfach die Schulzeit im Sinne individueller Förderung wieder verlängert, um durch Üben, Helfen und Anleiten die Abiturquote weiter zu steigern, weil das bisher gesenkte Niveau im Abitur dann von jedem erreicht werden kann.

Wolfgang Kuert
7 Jahre zuvor

Das „Gesundlügen“ muss endlich ein Ende haben!

derwesten.de, 26.10.2016

Studenten
Unis beklagen katastrophale Wissenslücken bei Schulabgängern
„Die jungen Menschen werden an den Schulen leider nicht mehr breit ausgebildet“, beklagen Professoren.

Düsseldorf. Manche seien mit „einfachsten und trivialsten Dingen“ überfordert: Uni-Rektoren aus NRW zeichnen ein alarmierendes Bild von heutigen Studienanfängern.

Universitäten und Fachhochschulen beklagen eine zunehmende Studierunfähigkeit von Schulabgängern. „Die Kenntnisse mancher Erstsemester in Mathe oder Rechtschreibung sind katastrophal“, sagte Prof. Marcus Baumann, Chef der Landesrektoren der Fachhochschulen, am Mittwoch im Landtag. Viele Studenten seien schon mit den „einfachsten und trivialsten Dingen“ überfordert.

Der Chef der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, Prof. Gerhard Sagerer, berichtete von ähnlich schlechten Erfahrungen an den Unis: „Die jungen Menschen werden an den Schulen leider nicht mehr breit ausgebildet. Stattdessen spezialisieren sich die Schüler in der Oberstufe auf bestimmte Inhalte und sind dann im Studium nicht selten überfordert.“

TURBO-ABITUR
Parteien streiten über die Zukunft des Gymnasiums in NRW
Sieben Monate vor der NRW-Landtagswahl will keine Partei mehr G8 wie bisher fortführen. Aber wer steht für welchen Reform-Vorschlag? Ein Überblick:
Marcus Baumann pflichtete ihm bei. Der Lernstoff aus der Mittelstufe werde nicht richtig verinnerlicht und fehle oft beim Start ins Studium. Der Rückstand sei später kaum noch aufzuholen. Selbst Bachelor- und Masterarbeiten fielen durch „katastrophale Rechtschreibfehler“ auf.

Fast alle Anfänger brauchen einen Vorbereitungskurs
Manche Rektoren machen die Verkürzung der Gymnasialzeit (G8) für die Studierunfähigkeit vieler Erstsemester verantwortlich. Die Folge seien Defizite in Mathe und in Fremdsprachen, sagte Prof. Ingo Böckenholt, Präsident der privaten Hochschule International School of Management (ISM) in Dortmund. „Heute gibt es kaum einen Studienanfänger, der nicht einen Vorbereitungskurs absolvieren muss, um sich fehlendes Schulwissen anzueignen. Wir verstehen uns nicht als Reparaturbetrieb der Gymnasien“, erklärte Böckenholt.

Außerdem seien viele Studienanfänger wegen der verkürzten Schulzeit und des Wegfalls von Zivildienst und Wehrpflicht nicht reif fürs Studium. Schon die Studienwahl falle diesen Teenagern schwer. „Aus unserer Sicht wäre eine Rückkehr zu G9 wünschenswert“, so der ISM-Präsident.

„Wir können nicht mehr so elitär denken“
Die Klagen über die Studierfähigkeit seien so alt wie das Abitur selbst, kontert Isabell van Ackeren, Bildungswissenschaftlerin und Prorektorin an der Uni Duisburg-Essen. Untersuchungen hätten keine signifikanten Leistungsunterschiede gezeigt zwischen Schülern, die nach acht oder neun Jahren das Abitur ablegten.

Für eine Rückkehr zu G9 sehe sie daher keine wissenschaftliche fundierte Begründung. „Das Problem ist vielmehr, dass die Schülerschaft heute viel heterogener ist als vor einigen Jahrzehnten“, so van Ackeren. Mittlerweile besuche etwa die Hälfte eines Altersjahrgangs ein Gymnasium. Darauf müssten sich die Hochschulen mehr einstellen und mit passgenauen Angeboten die Studienanfänger unterstützen. „Das ist heute ein Auftrag von Hochschulen. Wir können nicht mehr so elitär denken.“

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

Liebe Frau van Ackeren (auch wenn Sie das niemals lesen werden),

Ihrem Namen nach zu urteilen haben Sie niederländische Wurzeln. In den Niederlanden wird das Abitur schon seit Jahrzehnten nach zwölf Jahren abgelegt, Wehrpflicht gibt es schon seit 20 Jahren oder so nicht mehr. Das Argument G8 und Studierunfähigkeit passt also schon deshalb nicht. Unter passgenauen Angeboten verstehen Sie ja nichts anderes als Niveausenkung für (eigentlich) Studierunfähige Menschen, die nur durch jahrelange individuelle Förderung und einem Abitur, das eher einem Zeugnis der Fäule als der Reife entspricht, in den Genuss einer allgemeinen Studierberechtigung kamen.

Der nicht verinnerlichte Mittelstufenstoff ist eher der verkürzten Mittelstufe als der generell verkürzten Schulzeit anzukreiden. Nicht verinnerlicht bedeutet übrigens auch nicht (richtig) gelernt, was man einerseits mit Heterogenität, andererseits mit Faulheit übersetzen kann.

Cavalieri
6 Jahre zuvor

Am 24.6.2015 gab es eine Debatte im Landtag über G8/G9. Eine Rückkehr zu G9 wurde abgelehnt. In der Folgezeit hätte man bis zu Landtagswahl fast 2 Jahre Zeit gehabt, die „flexible“ Regelung von „sowohl als auch“ oder „teils so, teils anders“ auf den Weg zu bringen. Es ist überhaupt nicht zu sehen, warum man das Thema bis nach der Landtagswahl 2017 verschieben soll. Aber nichts geschah. Man will das Thema offenbar „aussitzen“ und hofft, dass das Bürgerbegehren für G9 letztlich scheitert. Und das, obwohl eine deutliche Mehrheit des Volkes mittlerweile gegen G8 ist. Sehr demokratisch, das ganze. Man ist nicht einmal gewillt, die Fehler der Vergangenheit wieder auszubügeln. Weiß eigentlich noch irgendjemand, mit welcher Begründung G8 eingeführt wurde und welche großartigen Sprüche damals geklopft wurden, um das anzupreisen?

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Sie kritisieren (wie fast alle Kritiker) nur die Umsetzung und nicht die Verkürzung an sich. In NRW hätte die Mittelstufe im Wesentlichen beibehalten und die Oberstufe auf zwei Jahre verkürzt werden sollen, was fachlich unproblematisch ist, weil in der Einführungsphase sehr viel gegammelt wird. Dafür war allerdings die CDU verantwortlich, die das Gymnasium unbedingt von der Gesamtschule abheben wollte.

Ach ja: Wenn Sie so gegen G8 sind, können Sie Ihre Kinder ja auf die Gesamtschule schicken. Die ist 9-jährig geblieben.

dickebank
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Genau – und hier liegt der Hase im Pfeffer. FDP und CDU haben in den Zeiten von Rüttgers-Club natürlich vollkommen unideologisch im Sinne aller Schüler die Verkürzung der SekI zur Schaffung des G8 durchgesetzt.

Der Witz dabei war schon damals, dass einzelne Schüler bzw. Schülergruppen durch „Springen“ die Möglichkeit zum G8 hatten Viele sind so von der 9.1 ind die 10.2 gesprungen oder haben die 8 oder die 11 übersprungen. Diese Möglichkeit war im NRW-Schulgesetz vorhanden.
Die Variante, die die schwarz-gelbe Regierung gewählt hatte, hatte zwar den Vorteil, dass Gymnasiasten nicht mehr an den ZP10 teilnehmen mussten, der gravierende Nachteil dieser Variante war allerdings, dass Gymnasiasten, die die ihre Schule nach der Neunten verließen die Vollzeitschulpflicht nicht erfüllten und somit keinen Schulabschluss hatten. Sie konnten somit nach der 9 keine Ausbildung anfangen. Der Wechsel an eine andere Schulform – egal ob HS, RS oder GeS – war ihnen aber verwehrt, da sie ja die SekI am GY durchlaufen hatten. So blieb in diesen Fällen nur das BK, da es eine SekII-Schule ist.
Dieser Murks ist dann durch Änderung der APO für die Gymnasien abgestellt worden, so dass Gymnasiasten nach Durchlaufen der EF (vormals 11. Jhg.) der MSA zuerkannt werden durfte.
Die hohe Zahl von minderjährigen Abienten ist Folge der überstürzten Einführung des G8, die Ede in BY initiiert hatte. Das G8 wurde in den Geburtsjahrgängen eingeführt, die bereits mit 5,5 Jahren eingeschult werden konnten und in denen mit dem jahrgangsübergreifenden Konzepten in Klasse 1 und 2 (JÜL) experimentiert worden war.
Bei einem Regelalter von 6 Jahren zur Einschulung ist jeder – auch bei einem Abitur nach 8 Gymnasialjahren – 18 Jahre. Dass im gleichen Zeitraum die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt worden ist, kam dann noch einmal verschärfend hinzu.
Des Weiteren hat dann der Bologna-Prozess dazu geführt, dass „Kindern“ ein akademischer Grad verliehen werden konnte. – Also Abi (AHR) mit 17,5 Jahren plus Bachelor in 6 Semestern und schon hatte die Wirtschaft junge, sudierte Nachwuchskräfte, die genauso alt waren wie die im dualen System innerhalb des Betriebes ausgebildeten „Jungwerker“ bzw Gesellen. Vermutlich hatte denen auch keiner gesagt, dass Bachelor „Juggeselle“ heißt …

Und bei dieser ganzen verquirlten braunen Masse, die eben nicht Folge rot-grüner Bildungsbemühungen ist, hat jetzt die CDU unter dem Druck der Elternschaft, die nicht damit fertig wird, dass der eigene Nachwuchs bereits so früh eigenständig werden könnte, aus rein wahltaktischen Gründen die Notbremse gezogen.
Wenn sowohl die GY als auch die GeS im Ganztag geführt werden müssen, die GeS aber den Vorteil eines neunjährigen Bildungsganges gegenüber den GY bietet, stellt sich die Frage welche Schulform in Frage kommt, neu.
CDU und FDP hatten sich ein dickes Ei ins eigene Nest gelegt und sind somit zu einem willfährigen Partner der Landeselternschaft geworden, die ja mittlerweile für alle Schulformen von den 188 Pflichtstunden im Bereich der SekI ablassen möchte und eine Verkürzung der Pflichtstundentafel auf 164 Wochenstunden in der APO-SekI verankert sehen möchte. 164 WS in sechs Schulbesuchsjahren bedeutet rund 28 Unterrichtsstunden je Schulwoche, dabei sind die Stunden für individuelle (zusätzliche ) Förderung allerdings nicht eingerechnet.
Es gab Zeiten Anfang der Sechziger, da hatte eine Schulwoche wegen des Samstagsunterrichtes noch 34 Wochenstunden. Rein rechnerisch hat man den Schülern mittlerweile einen ganzen Unterrichtstag je Schulwoche und Schuljahr genommen. – Und im Gegenzug beschwert sich jeder Hinz und Kunz über Schulabsolventen, die immer weniger geeignet sind eine Ausbildung oder ein Studium zu überstehen.
Was vorne gestrichen worden ist, muss eben von Hochschulen und ausbildenden Betrieben nachgeholt werden.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Cavallieri
Sie müssen die Gegenseite betrachten und deren Motive.
A. In erster Linie wurde G8 auf den Weg gebracht, um die Lebensarbeitszeit zu verlängern.
Heraus kam aber nur, dass ein Großteil der Schüler jetzt ein freiwilliges soziales Jahr in Krankenhäusern ableistet oder dieses als Überbrückung zum Studium benutzt, um zu dann einer Berufsentscheidung zu gelangen.
B. Hauptargument ist eine Einsparung beim Lehrpersonal durch das Entfallen einer ganzen Klassenstufe.
Und deshalb wird unsere Gegenseite das ganze aussitzen wollen, da jeder um die knappen finanziellen Möglichkeiten weiß.
Keine der im Landtag vertretenen Parteien wird sich von argumentativen Gegengründen aus diesem Weg bringen lassen. Alternativ dazu dürfen Sie ihre Kinder selber unterstützen oder man legt einfach eine freiwillige Ehrenrunde ein. Ob das erlaubt ist, weiß ich nicht .

Wolfgang Kuert
6 Jahre zuvor

Hallo xxx, sie kaufen sich doch auch keine VW Polo, wenn sie einen VW Passat haben möchten.

Hier ein Auszug aus main-spitze.de, 02.05.2017:

Aber zum Beispiel die Gesamtschule wird doch als Erfolgsmodell gelobt.

Josef Kraus, Präsident Deutscher Lehrerverband: Das ist aber falsch. Es handelt sich um eine Geschichte durchschlagender Erfolglosigkeit. Eine Gesamtschule kostet im Durchschnitt um die 30 Prozent mehr. Sie leistet aber weniger als eine Realschule bei ähnlicher Klientel.

ysnp
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

Da wird Josef Kraus wohl im Eigeninteresse gesprochen haben. Der Deutsche Lehrerverband ist eine Dachorganisation für folgende Verbände:
Deutscher Philologenverband e. V. ( im Klartext: Gymnasiallehrer)
Verband Deutscher Realschullehrer
Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e. V.
BLBS-LOGO Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen e. V.
Katholische Erziehergemeinschaft Deutschland KEG
Da wird schnell klar, dass man keine andere Schulform will.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

Stimmt. Die DESI-Studie belegt das mit 11.000 getesten Schülern in Bezug auf die Vermittlung von Englisch- und Deutschkenntnissen.

Wolfgang Kuert
6 Jahre zuvor

Hallo ysnp, sie haben richtig aufgezählt, welche Verbände Josef Kraus vertritt. Aber das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Gesamtschulen gegenüber Realschulen und Gymnasien in der Leistungsfähigkeit der Schüler bei den PISA-Ergebnissen bis zu 3 Jahre hinterherhinken. Ysnp, bitte Tatsachen und keine Ideologie!

ysnp
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

Wolfgang Kuert, mein Blickwinkeln ist kein ideologischer, sondern mir fällt generell auf, dass in Äußerungen von Herrn Kraus und auch Herrn Meidinger verständlicherweise viel Eigeninteresse steckt, denn man will ja die Schulform, die man vertritt, stärken.
Ich selbst komme von der Grundschule und sehe da zumindest, dass hier die Beschulung von unterschiedlichen Niveaus klappen könnte. Bei Gesamtschulen bin ich überfragt, weil wir in Bayern diese nicht haben, deshalb kann ich da keine Aussage darüber treffen. Für alles gibt es seine Vor- und Nachteile. Vielleicht könnte man ja Gesamtschulen anders konzipieren – es gibt Länder, die es uns vormachen – dann werden sie vielleicht erfolgreicher. Man kann alles optimieren. Ich selbst fände eine längere gemeinsame Beschulung ganz gut.
Prinzipiell bin ich so oder so dafür, sich zuerst ein Konzept zu erstellen und dies verschiedene Versuchschulen ausprobieren zu lassen und dann zu evaluieren bevor man irgendetwas ändert. Schulkonzepte müssen aus sachdienlichen Gründen erstellt werden und nicht aus ideologischen.

dickebank
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

@Wolfgang Kuert 23:29h – Das können Sie nachweisen bzw. statistisch belegen?

Bernhard Färber
6 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Bis 2006 hat PISA-E auch noch Schulartenvergleiche bezüglich der Leistungsstände in den drei Schwerpunktbereichen M, D und Naturwissenschaften enthalten. Zwischen Gymnasium und Realschule waren es dabei durchschnittlich rund 50 PISA-Punkte Unterschied , zwischen Realschule und Gesamtschule nochmals 35 bis 30 Punkte, zwischen Gesamtschule und Hauptschule 25 bis 30 Punkte.
30 Punkte entsprechen nach PISA-Standardisierung etwa dem Lernfortschritt von einem Schuljahr.
Seit 2009 gibt es kein PISA-E mehr, nur noch die internationale Version, so dass Schulartenvergleiche nicht mehr möglich, wohl auch auf KMK-Ebene nicht mehr erwünscht sind. An die Stelle von PISA-E ist der vom IQB verantwortete natioanle Bildungsbericht getreten. Der ist zwischen den Ländern „weichgespült“ worden.