VBE-Chef Beckmann zum Weltlehrertag: „Der Beruf ist unschätzbar wertvoll“ – was die Politik leider allzu oft verkennt

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BERLIN. Es ist mal wieder Weltlehrertag. Die globale Dachorganisation der Bildungsgewerkschaften, die Bildungsinternationale, stellt ihn in diesem Jahr unter das Motto: „Lehrkräfte wertschätzen, ihren Status verbessern“. Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE), sieht in Deutschland durchaus Steigerungsbedarf, was die Anerkennung des Berufsstands betrifft. „Ein wertschätzender Umgang setzt eine Empfänglichkeit für die Bedürfnisse des Gegenübers voraus. Die Politik ist aber oft so weit entfernt von dem Alltag an der Schule, dass Entscheidungen ohne Realitätsbezug getroffen werden. Das ist unverantwortlich und entbehrt jeder Wertschätzung für Lehrkräfte“, sagt er. Auch andere Verbandsfunktionäre meldeten sich zu Wort.

Sieht Lehrer unter Druck: VBE-Chef Beckmann (hier auf einer Grünen-Veranstaltung). Foto: Grüne NRW / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Sieht Lehrer unter Druck: VBE-Chef Beckmann (hier auf einer Grünen-Veranstaltung). Foto: Grüne NRW / Flickr (CC BY-SA 2.0)

„Der Lehrerberuf ist vielleicht nicht glamourös. Aber der Beruf ist für die Gesellschaft unschätzbar wertvoll“, hebt Udo Beckmann hervor. Diese Wertschätzung vermissten Lehrer häufig. Schon in einer im Februar veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag des VBE zur Zufriedenheit im Lehrerberuf gaben 85 Prozent der Befragten an, dass sie es als besonders belastend ansehen, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht beachte. Beckmann kommentiert: „Es könnte so einfach sein. Wenn die Politik ihren Worten auch Taten, das heißt die notwendigen personellen und sächlichen Ausstattung, folgen lassen würde. Anstatt in Sonntagsreden Luftschlösser zu entwerfen, einfach Schulen bauen.“

Die Schulen stünden aktuell vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die alle gleichzeitig und möglichst ohne zusätzliche Ressourcen von den Lehrkräften erbracht werden sollten: ob es sich um die Inklusion handele, das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf also, die steigende Heterogenität der Lerngruppen oder die Integration von Flüchtlingskindern. „Lehrkräfte sind keine Artisten. Schaffen sie es jedoch, drei Bälle gleichzeitig zu jonglieren, wird ihnen einfach ein Vierter zugeworfen. In der Politik herrscht eine große Selbstverständlichkeit darüber, was Lehrkräfte allein, in zu kleinen Schulräumen mit zu großen Lerngruppen alles zu schaffen haben. Das ist nicht nur eine Gefahr für die Lehrergesundheit, sondern schadet auch dem Image des Lehrerberufs“, warnt Beckmann.

Gerade in Zeiten akuten Lehrermangels sollte die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert werden. Momentan fehlen in Deutschland mindestens 30.000 Lehrkräfte. In manchen Bundesländern können nicht einmal die Altersabgänge mit den Neueinstellungen gedeckt werden. „Es braucht bessere Konditionen, um Anreize zu setzen, in der Schule zu unterrichten. Alle Lehrer müssen verbeamtet werden und Lehrkräfte müssen unabhängig von Schulform und Schulstufe gleich bezahlt werden“, fordert der VBE-Bundesvorsitzende.

Ähnliche Töne aus Sachsen

In die gleiche Kerbe schlägt Jens Weichelt, Chef des Sächsischen Lehrerverbands. Höhere Anerkennung für den Berufsstand der Lehrer (in Sachsen) sei eine der Forderungen an die Staatsregierung in Dresden, der durch das Scheitern der Verhandlungen um eine Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs am vergangenen Freitag erneut eine Absage erteilt worden sei. Die laufende Werbekampagne für den Lehrerberuf „Lehrer werden in Sachsen – aus Überzeugung“ habe  angesichts des akuten Lehrermangels und einer Seiteneinsteigerquote von 45 Prozent nachweislich nicht funktioniert. Weichelt fordert anlässlich des Weltlehrertages ein Umdenken: „Sachsen braucht erstklassige Lehrer, muss erstklassige Arbeitsbedingungen schaffen, damit das sächsische Schulsystem erstklassig bleibt!“

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Dazu müsse die Landesregierung umgehend Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Attraktivität des Lehrerberufs in Sachsen generell zu verbessern. „Attraktivitätssteigernde Maßnahmen müssen Lehrkräfte in allen Schularten und Altersgruppen erfassen. Es genügt nicht, dort zu flicken, wo die Not am größten ist. Sondern es sind umfassend und nachhaltig erstklassige Arbeitsbedingungen zu schaffen“, fordert Weichelt.

… und aus anderen Bundesländern

„Lehrer zu sein bedeutet heutzutage leider allzu oft, zum Prügelknaben und Sündenbock der Gesellschaft zu werden“, stellt Rolf Busch, Landesvorsitzender des Thüringer Lehrerverbands (tlv, der Landesverband des VBE in Thüringen) heraus. „Egal, welche Probleme auftreten, immer heißt es: Die Schule hat versagt. Die Schule muss. Aber wie wir die Schwierigkeiten lösen, sagt uns niemand.“

Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), weist auf die zusätzlichen Erziehungsaufgaben hin, die mehr und mehr der Schule übertragen werden. Was früher Aufgabe der Familie und des sozialen Umfelds gewesen sei, werde heute bedenkenlos der Lehrerschaft aufgebürdet. Zusätzlich sollen sich Schulen weiterentwickeln in Richtung Ganztagesschule, Gemeinschaftsschule, inklusive Schule, neuer Bildungsplan. Nun benötigten auch noch traumatisierte Flüchtlingskinder besondere Unterstützung. „Lehrer müssen und können Schulen voranbringen. Sie wollen pädagogisch gemeinsam aufbrechen, aber gesundheitlich nicht zusammenbrechen“, warnt der VBE-Landeschef.

Dennoch singe jede Landesregierung, gleich welcher politischen Färbung, nicht nur am Weltlehrertag das hohe Lied des Bildungsaufbruchs sowie des Schulerfolgs unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder – und vergesse dabei die Fürsorgepflicht und den Gesundheitsschutz für die Pädagogen. „Lehrer brauchen mehr denn je Entlastung und nicht noch mehr Belastung“, meint Brand. Agentur für Bildungsjournalismus

Zum Pro und Kontra zum Weltlehrertag: Wichtig oder unsinnig?

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3 Kommentare
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sofawolf
7 Jahre zuvor

Ach schade, die Attraktivität des Lehrerberufs steigern, bedeutet für den VBE-Verbandsvorsitzenden wieder mal nur, die Gehälter zu erhöhen. 🙁

Wann begreifen „die da oben“ endlich mal, dass niemand deshalb nicht Lehrer werden will, weil Lehrer schlecht verdienen, sondern weil die Arbeitsbedingungen und darunter auch vor allem die Stellung des Lehrers zu wünschen lassen (siehe z.B. Gerichtsurteil wegen vermeintlicher Freiheitsberaubung).

Kleinere Klassen und Senkung des Stundendeputats, ja, auch das kostet Geld, weil dann mehr Lehrer gebraucht werden – aber das sind Dinge, die uns die Arbeit wirklich erleichtern und nicht nur hoffentlich leichter ertragen lassen (Gehaltssteigerung).

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Immer das gleiche Lied.
Ich lese in dem Artikel durchaus Aussagen dazu, was sich an den Bedingungen verbessern müsste.

sofawolf
7 Jahre zuvor

@ Palim, ja, natürlich immer das gleiche Lied von meiner Seite – es kommt ja von der anderen Seite auch immer das Gleiche. 😉