DÜSSELDORF. Während die Wintersonne vor dem Fenster für Tauwetter sorgt, herrscht am Schreibtisch Eiszeit: Die Zeugnisse müssen geschrieben werden. Und obgleich ich einen guten Zeitplan habe, mangelt es mir dennoch an Einstiegsmotivation. Da kommt mir der Jahresrückblick meiner lieben Freundin Frau Hattifnatte (Anm. d. R.: ebenfalls bloggende Lehrerin) sehr gelegen, den ich umgehend kopieren und ausfüllen werde, um Finger und Denkvermögen wieder ans Laufen zu bringen nach den vergangenen Ferien- und Feiertagen.
Zugenommen oder abgenommen?
Ich bin sehr für Ausgewogenheit, daher habe ich im vergangenen Jahr beides einmal ausprobiert. Unterm Strich starte ich dieses Jahr mit einem Kilo weniger als das letzte. Was bedeutet, dass ich in … Moment … 10 Jahren an Untergewicht leiden werde. Auf den Schreck pflücke ich mir einen Schokokringel vom Baum.
Haare länger oder kürzer?
Kürzer. Das minimiert nicht nur den morgendlichen Aufwand um einiges, sondern lenkt den Fokus so schön auf die Lachfältchen um die Augen. Ich mag ja sowas.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Mal so, mal so. Mehr ausgegeben für die Wehwehchen (Kinder sind wirklich ein teures Hobby!), dafür im Rahmen meines Clean teaching-Versuchs deutlich weniger für Unterrichtskram.
Mehr bewegt oder weniger?
Mich persönlich hat einiges bewegt. Ich mich selber allerdings ein bisschen zu wenig, was mir mein Rücken übel genommen hat. Daraufhin habe ich eine mehrwöchige Beziehung zu einem Physiotherapeuten aufgenommen, in der viel geflucht (still) und gelitten (lautstark) wurde. Jetzt ist alles gut und ich beginne und beende den Tag wieder diszipliniert auf einer Turnmatte. Selbstverständlich würde ich jetzt gerne schreiben, dass es sich um eine Yogamatte handelt und ich selber gelassen und gutaussehend darauf das Kamasutra ABC nachturne, dem ist aber nicht so. Ich zeigte es ja bereits an anderer Stelle.
Der hirnrissigste Plan?
Knappe vier Wochen nach dem Erlernen eines neuen Instruments einen öffentlichen Auftritt der Drittklässler mit selbigem zu begleiten. Aber sagen wir so, alle hatten ihren Spaß.
Die gefährlichste Unternehmung?
Definitiv der Mutter-Sohn-Tanz auf dem Abschlussball des großen Wehwehchens. Da war Adrenalin im Spiel!
Die teuerste Anschaffung?
Ein … hüstelhüstel … Küchengerät der oberen Preisliga.
Das leckerste Essen?
Oh, ich mochte viel in diesem Jahr. Die große Neuentdeckung ist selbstgemachtes Kimchi nach diesem Rezept. Das klappt super! Ansonsten bleibe ich unserer unaufgeregten Alltagsküche treu, die sich zwischen dem saisonalen Angebot unseres Gemüseabos und Rezepten wie diesen eingependelt hat. Fleisch und Fisch gibt es auch hin und wieder und am Wochenende kommt nach wie vor Kuchen auf den Tisch.
Das beeindruckendste Buch?
Viel Freude bereitete mir der Leitfaden für faule Eltern von Tom Hodgkinson. Ich habe bereits andere Bücher von ihm gelesen und muss sagen, sie gefallen mir ausgesprochen gut, auch oder gerade weil ich so oft anderer Meinung bin. Irgendetwas finde ich immer darin.
Der ergreifendste Film?
Dieses Jahr war ein Serienjahr. Mit Herrn Weh (und nur mit ihm, ganz bestimmt niemals alleine!) bin ich bei The Walking Dead unterwegs. Als Ausgleich schaue ich allein (und nur allein, ganz bestimmt niemals mit Herrn Weh!) Call The Midwife, eine ans Herz gehende Serie über Hebammen im Londoner East End der ausgehenden 50er Jahre. Sehr viel Spaß hatte ich bei Miss Fishers mysteriösen Mordfällen und Family Pieces. Außerdem habe ich mich mit der sechsten Staffel von Downton Abbey verabschiedet und mir das Netflix-Revival der Gilmore Girls zu Gemüte geführt. Ersteres war stimmig, letzteres nicht so.
Die beste CD?
Ich schwanke. Ganz wunderbar finde ich Herrn Wehs Weihnachtsgeschenk, den ersten Soundtrack zu Miss Fishers mysteriösen Mordfällen. Hier einmal zum Reinschnuppern:
Aber auch Götz Alsmann hat mich in den letzten Wochen ziemlich erfreut:
Ich höre sowas ja furchtbar gerne und bekomme sofort gute Laune.
Ansonsten habe ich in diesem Jahr wenig Musik gekauft, aber erfreulicherweise sehr viel selber musiziert. War gut!
Die meiste Zeit verbracht mit …?
Arbeit und Familie. So wie die letzten Jahre und vermutlich auch die kommenden.
Die schönste Zeit verbracht mit …?
Klingt es sehr schlimm, wenn ich “mit mir selber” schreibe? Ich habe mir dieses Jahr bewusst kleine Ruheinseln eingebaut, um mal wieder in mich hineinzuhören, ob noch alles übereinander passt oder ob da Dinge sind, die geändert werden sollten. Das war anfangs befremdlich, wurde aber immer einfacher. Tatsächlich kann ich mich immer noch ziemlich gut leiden.
Vorherrschendes Gefühl 2016?
Alles fließt.
2016 zum ersten Mal getan?
Sauerkraut hergestellt. Eine Whatsapp geschickt. Mit meinem großen Sohn getanzt. Physiotherapie gehabt. In Weimar gewesen. Auf einer Slackline balanciert.
2016 nach langer Zeit wieder getan?
Delfine gesehen.
Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?
Die Rückengeschichte. Langwierig und schmerzhaft.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Briefe an meine Eltern zu Weihnachten. Das tat gut.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Unerwartet warmherzige und wertschätzende Rückmeldungen von Seiten der Drittklässlereltern in einer schweren Situation.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
“Du bist als Mutter schon ziemlich gut.”
2016 war mit einem Wort …?
lehrreich
So, wunderbar, jetzt kann ich ganz unbeschwert an die Zeugnisse gehen! Oder mir zumindest schon einmal einen Tee kochen. Möglicherweise sauge ich aber auch noch ganz fix mein Arbeitszimmer und lüfte anschließend gut durch. Man weiß ja, wie wichtig das mit dem Sauerstoff ist! Eventuell sollte ich aber doch noch ein paar Vorsätze für das neue Jahr verschriftlichen. Nicht viele, nur so ein, zwei Dinge? Tu ich das jetzt nicht, dann tu ich es nie, ich kenne mich doch! Und ganz sicher findet sich jemand, der sich viel lieber mit meinen Vorsätzen als mit den eigenen Zeugnissen beschäftigen würde. Oder?
Witz, Charme und einen tiefen Blick in die Seele einer Grundschullehrerin erlaubt Frau Weh auf ihrem Blog “Kuschelpädagogik” und auf www.news4teachers.de. Frau Weh heißt im wahren Leben nicht Frau Weh, aber ihre Texte sind häufig so realitätsnah, dass sie lieber unter Pseudonym schreibt.
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