Länder pokern im Tarifstreit – und legen in der zweiten Runde kein Angebot vor. GEW ruft Lehrkräfte bundesweit für die nächsten Tage zum Streik auf!

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POTSDAM. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Warnstreiks im öffentlichen Dienst der Länder angekündigt. Die Arbeitgeber hatten auch in der zweiten Verhandlungsrunde für die Länderbeschäftigten kein Angebot vorgelegt, die Verhandlungen sind unterbrochen. „Die Bilanz der Gespräche ist ernüchternd: Es gibt keine Ergebnisse, alle Fragen sind offen. Das ist, trotz der zugegebenermaßen komplexen Verhandlungssituation, eindeutig zu wenig“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Dienstag in Potsdam. Auch VBE-Chef Udo Beckmann zeigte sich empört. „Die Vertreter der Tarifgemeinschaft der Länder machen es sich zu leicht“, schimpfte er.

In der vergangenen Woche streikten in Berlin bereits Erzieher und Sozialpädagogen im Rahmen der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes der Länder. Foto: GEW Berlin
In der vergangenen Woche streikten in Berlin bereits Erzieher und Sozialpädagogen im Rahmen der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes der Länder. Foto: GEW Berlin

Die Arbeitgeberseite, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), hatte wiederholt deutlich gemacht, dass sie die Gewerkschaftsforderung mit einem Gesamtvolumen von sechs Prozent Plus für viel zu hoch hält. Nach den Worten des TdL-Verhandlungsführers, Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD), stecken hinter der Gesamtforderung ein Dutzend komplexer Einzelforderungen – darunter Verbesserungen für Beschäftigte mit langjähriger Berufserfahrung, für Lehrer, für Auszubildende, vor allem für jüngere Beschäftigte bei Arbeitsbefristungen ohne erkennbaren Sachgrund oder für Sozial- und Erziehungsdienste und die Justizverwaltung. Diese Einzelforderungen müssten teilweise auch nachberechnet werden.

Schneider hatte wiederholt deutlich gemacht, dass er es für problematisch hält, wenn der öffentliche Dienst höhere Forderungen stellt als Industriegewerkschaften. Knapp 50 Prozent der Kosten der Länder seien Personalkosten. Zur Zeit seien die Steuereinahmen und das Wirtschaftswachstum erfreulich gut. Aber: «Die Steuern schwanken mit der Konjunktur. Tarifabschlüsse haben Ewigkeitswirkung», erklärte der Minister.

In den kommenden Tagen ruft die GEW im gesamten Bundesgebiet zu Warnstreiks auf. Gewerkschaftschefin Tepe unterstrich: „Für die Lehrerinnen und Lehrer sowie die pädagogischen Fachkräfte an Schulen hat eine Einführung der Entwicklungsstufe 6 in die Entgelttabelle des Tarifvertrags der Länder (TV-L) hohe Bedeutung. Aber auch die Länder müssten ein großes Interesse daran haben, die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte deutlich zu verbessern. Schon jetzt können die meisten Länder allein den Ersatzbedarf, der entsteht, weil Lehrkräfte in den Ruhestand gehen, nicht mehr mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern decken“, betonte die GEW-Vorsitzende.

Zudem müssten die Einkommen der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) der Länder so angehoben werden, dass sie das Niveau vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bund und Kommunen erreichen. Auch in diesem Bereich zeichne sich ein Fachkräftemangel, insbesondere mit Blick auf die Erzieherinnen und Erzieher ab. Diese verdienten bei den Ländern weniger als bei den Kommunen.

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Öffentlichen Dienst stärken!

„In dieser Tarifrunde wollen wir Anschluss an die Entwicklung der Gehälter der im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen Beschäftigten halten. Aktuell klafft zu den Länder-Beschäftigten eine Lücke von rund vier Prozent, die geschlossen werden muss. Auch die Gehälter in der Privatwirtschaft dürfen nicht weiter davon ziehen“, unterstrich Tepe. „Deutschland braucht einen handlungsfähigen Staat mit hoch qualifizierten und motivierten Beschäftigten. Den öffentlichen Dienst zu stärken, heißt auch, die Binnenkonjunktur anzukurbeln.“ Teil des Forderungskatalogs der Gewerkschaften sei außerdem eine Gehaltserhöhung mit sozialer Komponente in Form eines Sockel- oder Mindestbetrages.

Tarifrunde für die Länder 2017: Gewerkschaften wollen 6 Prozent mehr – und: Angleichung des Gehalts der angestellten Lehrer an Beamtenbezüge

Der VBE Bundesvorsitzende Udo Beckmann schlug in dieselbe Kerbe. „Ohne selbst ein Angebot zu unterbreiten, einfach die Forderungen der Gewerkschaft abzulehnen, nehmen wir nicht kampflos hin. Unsere tarifbeschäftigten Mitglieder werden sich an Warnstreiks in den Ländern beteiligen. Wenn die Arbeitgeber uneinsichtig bleiben, werden wir für die notwendige Wertschätzung kämpfen!“

Unterstützung aus NRW und Sachsen-Anhalt

Die nordrhein-westfälische GEW-Vorsitzende Dorothea Schäfer kündigte große Streikaktionen im bevölkerungsreichsten Bundesland an – die Gewerkschaft erwarte eine hohe Beteiligung, hieß es. Neben Lehrkräften, der größten Gruppe – in NRW arbeiten rund 40.000 der bundesweit insgesamt 200.000 tarifbeschäftigten Lehrkräfte –, sind auch Schulsozialarbeiter und die pädagogischen Fachkräfte in der Schuleingangsphase zum Streik aufgerufen. „Eine andere Möglichkeit, unsere berechtigten Forderungen durchzusetzen, gibt es offenbar leider nicht. Das haben die Arbeitgeber zu verantworten“, erklärte Schäfer.

„Die Beschäftigten sind gewillt, bis zur nächsten Verhandlungsrunde ein deutliches Signal nach Potsdam zu senden“, erklärte die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, Eva Gerth. Denn: „Gerade im Bildungsbereich nimmt die Arbeitsverdichtung seit Jahren kontinuierlich zu. Die avisierten Gehaltszuwächse sind mehr als gerechtfertigt, um die steigenden Belastung zu kompensieren und das Berufsfeld weiter attraktiv zu halten.“ Andere öffentlich Beschäftigte hätten inzwischen deutlich besser Arbeits- und Vergütungsbedingungen. Agentur für Bildungsjournalismus

 

Hintergrund

Die dritte – und voraussichtlich entscheidende – Runde der Tarifverhandlungen findet am 16. und 17. Februar in Potsdam statt. Verhandelt wird für rund eine Million im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigte.Die rund 200.000 angestellten Lehrkräfte bilden davon die größte Berufsgruppe.

In den Entgeltgruppen 9 bis 15 der Tabelle des Tarifvertrags der Länder (TV-L) gibt es bisher nur fünf Erfahrungsstufen. In den Gruppen 1 bis 8 gibt es bereits sechs Stufen. Deshalb sollen jetzt auch für die höheren Entgeltgruppen die zusätzliche Erfahrungsstufe 6 eingeführt und weitere strukturelle Verbesserungen bei der Eingruppierung übernommen werden.

Der Tarifvertrag soll eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, für die ver.di die Verhandlungen führt, verlangen die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfänger.

 

 

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sofawolf
7 Jahre zuvor

Gehaltserhöhungen ohne Entlastung bei den Arbeitsbedingungen führen nur dazu, dass immer mehr von uns in Teilzeit gehen und sich der Lehrermangel weiter verstärkt !

Deshalb müssen Entlastungen (z.B. 2 Stunden weniger pro Woche für alle Schularten) Vorrang haben.

Die meisten Lehrer sind nicht so geldgeil, wie die Gewerkschaftsfunktionäre glauben!

sofawolf
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Wobei „Inflationsausgleich“ natürlich sein muss! 🙂

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Doch. In erster Linie die Beamten. Nur die dürfen eben nicht streiken, deshalb sind sie froh, dass ein paar Hanseln sich den „Arsch auf der Straße abfrieren“.

Im übrigen wird nicht für die tarifbeschäftigten Lehrkräfte allein verhandelt. Die Tarifverhandlungen werden für alle Berufsgruppen des ÖD der Länder – bis auf Hessen, das kein Mitglied der TdL ist – verhandelt.
Und die Masse der Steuergewerkschafter, der VerDi-Mitglieder und GdP- und DPolG-Mitglieder gehen die Arbeitsbedingungen der lehrkräfte tangential an der Gesäßoberfläche vorbei.

Da sich die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte zukünftig verschlechtern ist das Halten des „status quo“ schon ein gewichtiger Aspekt, der ein höheres „Schmerzensgeld“ bedingt.