Ein außerschulischer Lernort, der Zeitgeschichte anschaulich macht: Wie wäre es mal mit einem Ausflug in die Schule von anno dazumal?

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BREMEN. Auf engen, harten Holzbänken können Kinder in Bremen erleben, wie Schule vor 100 Jahren funktionierte. Inklusive Fingernagelkontrolle. Und wie finden Jungen und Mädchen die Zeitreise und den Unterricht damals?

Ein Schulmuseum macht Geschichte für Kinder anschaulich. Foto: Korn2012 / flickr (CC BY-SA 4.0)
Ein Schulmuseum macht Geschichte für Kinder anschaulich. Foto: Korn2012 / flickr (CC BY-SA 4.0)

Mit dem Handy spielen, Kaugummi kauen, vom Nachbarn noch schnell die Hausaufgaben abschreiben – Schulalltag in Deutschland 2017. Doch wie sah das Leben eines Schülers früher aus? Das können Kinder in einem Schulmuseum in Bremen erleben.

In dem Schulgebäude von 1904 findet in den unteren Etagen noch heute regulärer Unterricht statt. Im Museum im zweiten Stock können Schulklassen mit ihren Lehrern historischen Unterricht aus der Kaiserzeit erleben. Der Klassenraum ist ausgestattet mit Griffeln, Schiefertafeln und einem Spucknapf, in den erkrankte Kinder abhusten sollten. Anhand von Tierschaubildern werden Sitten beigebracht: Otto, Hilde und Friedrich sollten lernen, sich reinlicher zu verhalten als die sich im Schlamm suhlenden Ferkel.

«Die Idee dieses Museums war immer, auch die gesellschaftlichen Aspekte einer Schule mit einzubeziehen», sagt Museumsleiterin Frauke Hellwig. So zeigen Ausstellungsstücke etwa, mit welchen Problemen Schule und Lehrer in der Nachkriegszeit zu kämpfen hatten – mit Armut nach dem Krieg etwa. «Mein Kind hatte keine Schuhe und konnte deshalb nicht zur Schule kommen», heißt es auf einem ausgestellten Stückchen Papier, einem Entschuldigungsschreiben von Eltern.

Auch die Rechenaufgabe einer Volksschul-Abschlussklasse 1955, die neben vielen weiteren Originalmaterialien im Schulmuseum in Bremen-Hastedt ausgestellt ist, erzählt viel über die historischen Begebenheiten der damaligen Zeit. «Dein Onkel, der am 18. Oktober 1953 heimkehrte, war neun Jahre, vier Monate und 10 Tage fortgewesen. Wann war er in Gefangenschaft geraten?»

Generationendialog anregen

«Diese Stücke zeigen unheimlich stark, wie stark Kinder gesellschaftliche Zusammenhänge eigentlich aufnehmen», erklärt Frauke Hellwig. Das Museum soll auch ein Anknüpfungspunkt für letzte Zeitzeugen sein und somit einen Generationendialog zwischen Großeltern, Eltern und Kindern zum Leben erwecken.

Von Propaganda, Erziehung und Parteinähe handeln Erinnerungsstücke zum Thema Nationalsozialismus. Da ist zum Beispiel die Zeichnung eines Zehnjährigen, der als seinen Geburtstagswunsch eine Hitleruniform malt. Listen zeigen, wie viele Schüler der Lehrer bereits für die Hitlerjugend gewinnen konnte – und das Reichsautobahnbrettspiel, bei dem der Spieler im großdeutschen Reich über neu gebaute Autobahnen zum Reichsparteitag nach Nürnberg fährt, demonstriert den Willen der Firmen, aus dem Nationalsozialismus Kapital zu schlagen.

Die Leitung des Schulmuseums bekommt auch finanzielle Unterstützung der Bremer Bildungsbehörde. «Das Schulmuseum ist ein äußerst wichtiger außerschulischer Lernort für die Stadt», sagt Renate Raschen, Referentin für ästhetische Bildung der Senatorin für Kinder und Bildung. Neben den Erfahrungen für Schüler biete das Museum für Referendare und Lehrer die Möglichkeit zur Recherche. Außerdem trage das Museum zur Erinnerungskultur Bremens bei.

Vor allem aber sollen Schüler hier die Möglichkeit bekommen, auf den engen, harten Holzbänken in Haushaltsschürzen und Matrosenhemden gekleidet, ihren Schulalltag mit dem von vor über hundert Jahren zu vergleichen. Wie die Schüler ihre Erfahrung inklusive Frontalunterricht und Fingernagelkontrolle beschreiben? «Streng, aber gerecht», sagt Frauke Hellwig und lacht. Von Antonia Schaefer, dpa

Es gibt zahlreiche Schulmuseen in Deutschland. Hier gibt es eine umfangreiche Liste.

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