Lehrer wundern sich laut darüber, dass Heiligenstadt längst erhobene Daten zur Unterrichtsversorgung nicht veröffentlicht – „seltsam“

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HANNOVER. Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL/VDR) kann nach eigenen Worten nicht nachvollziehen, weshalb das niedersächsische Kultusministerium „noch immer nicht in der Lage ist, amtliche, verlässliche Zahlen zur Unterrichtsversorgung auf dem Stand vom 18. August 2016 zu benennen“. Es mute seltsam an, „dass das Ministerium in fast sechs Monaten nicht in der Lage sein soll, korrekte Lehrkräfteverzeichnisse vorzulegen“, kritisiert VNL/VDR-Landeschef Manfred Busch.

Unter Druck: die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Foto: Foto AG Gymnasium Melle / Wikimedia Commons  CC-BY-SA 3.0
Unter Druck: die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Foto: Foto AG Gymnasium Melle / Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0

Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Unterrichtsversorgung in diesem Schuljahr über dem prognostizierten Wert von 98 Prozent liegt. Die Veröffentlichung der Daten verzögere sich aber, da noch nicht alle Prüfaufträge erledigt seien, sagte sie am Freitag im Landtag. Die im vergangenen August erhobenen Daten sollten Ende Februar veröffentlicht werden – zu spät, meint die Opposition.

„Natürlich gibt es einen Grund dafür, dass die Daten nicht veröffentlicht werden: der massive Unterrichtsausfall, den die Landesregierung nicht wahrhaben will‘“, sagte FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling. Eltern und Schüler in Niedersachsen würden das täglich spüren, da pro Woche durchschnittlich mehr als 100.000 Stunden ausfallen würden. «Sie haben keine Daten, machen aber angeblich Personalplanung», sagte Försterling.

Gelächter von der Opposition

Die Unterrichtsversorgung gibt an, zu welchem Prozentsatz der vorgesehene Unterricht und zusätzliche Lehrerstunden für Inklusion, Ganztagsschule und Sprachförderung abgedeckt werden können. Der kurzfristige Ausfall von Schulstunden wegen der Erkrankung von Lehrern ist in den Wert nicht eingerechnet.

„Glaubt irgendjemand hier im Hause, dass die Kultusministerin Daten verheimlichen will?“, fragte Schulexperte Heiner Scholing von den mitregierenden Grünen in der Debatte rhetorisch – und erntete dafür Gelächter und Applaus von der CDU. Scholing verteidigte das Vorgehen der Kultusministerin: „Eine Plausibilitätsprüfung ist ein ganz normaler Vorgang. Es würde der Debatte nicht helfen, wenn wir heute falsche Daten veröffentlichen.“

Niedersachsens Ministerin Heiligenstadt stellt immer mehr Quereinsteiger als Lehrer ein

CDU-Bildungspolitiker Kai Seefried sagte, seine Fraktion denke darüber nach, einen Untersuchungsausschuss wegen mangelnder Transparenz im Kultusministerium zu beantragen. Es werde deutlich, dass Heiligenstadt ihre Aufgabe, die Unterrichtsversorgung zu sichern, nicht in den Griff bekomme. Seefried nannte das Beispiel eines Gymnasiums in Braunlage, an dem die Unterrichtsversorgung ihm zufolge derzeit bei 64 Prozent liegt. Dort seien alle Förderstunden für Kinder mit Inklusionsbedarf gestrichen worden.

Irritiert zeigt sich auch der  VNL/VDR. Die Schulleitungen hätten bereits im vergangenen August die Daten für die Erhebung „sehr sorgfältig“ eingegeben, erklärt Busch. „Fehler können zwar immer vorkommen, aber dass die Lehrkräfteverzeichnisse nach dieser langen Zeit immer noch nicht korrekt sein sollen, kann einfach nicht nachvollzogen werden. Es ist daher kein Wunder, wenn Spekulationen über das Vertuschen der wahren Unterrichtsversorgung die Runde machen. Eine solche Verzögerung hat es in den letzten Jahrzehnten noch nicht gegeben“, betont der Verbandschef – und zeigt sich „erstaunt wie auch besorgt über die wahre Unterrichtsversorgung an Niedersachsens Schulen“.

Zumal die steigende Zahl von Seiteneinsteigern Probleme bereite. So erfreulich die Tatsache auch sei, dass das Land zu jedem Einstellungstermin immer wieder zahlreiche Lehrerstellen ausschreibe: „Die Bewerberinnen und Bewerber bringen häufig nicht die Qualifikationen für die ausgeschriebenen Stellen mit. Die Folge ist, dass entweder verstärkt fachfremd unterrichtet werden muss oder der Unterricht vor allem in den MINT-Fächern gekürzt oder sogar ausfallen muss. Das geht zu Lasten der Zukunft der Schülerinnen und Schüler“, moniert Busch.

Er erklärt: „Die Kultusministerin sollte umgehend dafür sorgen, dass die wahre Unterrichtsversorgung offengelegt werden kann. Nur so kann sie Spekulationen entkräften. Es ist aber zu befürchten, dass das wahre Ausmaß des Unterrichtsfehls doch größer und schmerzhafter sein wird, als die Ministerin es sich wünscht.“ Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

 

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