Trotz Trump – USA bleiben beliebtestes Austauschland, doch der Vorsprung schmilzt

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BERLIN. Die meisten deutschen Schüler, die ein Schuljahr im Ausland verbringen wollen, entscheiden sich für die USA. Doch seit der Wahl Donald Trumps stehen immer Eltern skeptisch gegenüber dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Ein Trump Effekt lasse sich noch nicht nachweisen, heißt es von Experten, aber der langfristige Trend zu anderen Destinationen setzt sich fort.

Zu dick, zu patriotisch, zu ungebildet. Negative Vorurteile über die USA gab es schon lange bevor die Amerikaner im November Donald Trump zum Präsidenten wählten. Dennoch ist das Land der Route 66, des Empire State Buildings und der Hollywood Hills für deutsche Schüler das Ziel schlechthin für einen Schulbesuch im Ausland. Doch, wie lange noch? Sollte man trotz Trump als Austauschschüler in die USA gehen?

«Ich bin froh, dass sich meine Tochter nicht für die USA entschieden hat», sagt eine Berlinerin. Sie und ihre Tochter Emma besuchen am Wochenende eine Schüleraustausch-Messe. Wegen der politischen Stimmung und der Unsicherheit, die Präsident Trump verbreite, findet die Mutter es «verantwortungslos», derzeit ein Kind in die Vereinigten Staaten von Amerika zu schicken. Emma, 14 Jahre alt, will lieber nach Neuseeland, vor allem wegen der Natur.

Noch immer zieht es die meisten Deutschen Schüler für ein Austauschjahr in die USA. Foto: Moyan Brenn / flickr (CC BY 2.0)
Noch immer zieht es die meisten Deutschen Schüler für ein Austauschjahr in die USA. Foto: Moyan Brenn / flickr (CC BY 2.0)

Noch sind die USA Deutschlands beliebtestes Austauschland. «Aber der Vorsprung schrumpft», sagt der Vorsitzende der Stiftung für Völkerverständigung, Michael Eckstein. Das habe schon vor Trump begonnen. Doch seit dessen Wahl seien vor allem Eltern, die meist das Auslandsjahr bezahlen, USA-skeptischer als zuvor.

Und dabei sind die USA nicht unbedingt teurer als Ziele wie Australien, Großbritannien oder eben Neuseeland. Ein Schuljahr in den Staaten kostet inklusive Taschengeld in der Regel bis zu 10 000 Euro. Bei den meisten anderen Ländern beginnt dort die Preisspanne, die manchmal erst bei mehr als 20 000 Euro endet.

Eckstein, der deutschlandweit Schüleraustausch-Messen wie die in Berlin organisiert, sieht Trump nicht als Hauptgrund für weniger Interesse an den USA. Länder wie Neuseeland hätten sich zuletzt gut verkauft, sagt er. Auch Kanada sei schon seit einigen Jahren stark am Kommen. «Das liegt vor allem daran, dass das Land weltoffen ist und ein gutes Bildungssystem hat und dafür wirbt.»

Jedes Jahr gehen deutlich mehr als 10 000 deutsche Schüler für einige Monate ins Ausland, die allermeisten in englischsprachige Länder. Im laufenden Schuljahr sind einer Erhebung des Bildungsberatungsdienstes Weltweiser rund 12 650 Deutsche für mindestens drei Monate an öffentlichen Schulen im Ausland. Davon 5700 in den USA, rund 2000 in Kanada und 1240 in Neuseeland. Anfang des Jahrtausends wählten noch rund 9000 Schüler in die USA, deutlich unter 1000 Kanada oder Neuseeland. Zumindest in den vergangenen sechs Jahren gingen insgesamt immer weniger Schüler ins Ausland.

Zahlen, die einen Trump-Effekt belegen würden, gibt es (noch) nicht. Austauschorganisationen vertreten verschiedene Ansichten. Manche sagen, die Nachfrage sei genau wie vor einem Jahr. Andere berichten von bis zu 25 Prozent weniger USA-Interessenten. Der Hamburger Organisation Camps zufolge haben in Einzelfällen Schüler einen bereits beschlossenen USA-Austausch abgesagt und stattdessen Kanada gewählt. Auch Reiseexperten berichteten zuletzt von weniger USA-Tourismus wegen Trump.

Auf der Messe in Berlin sind Broschüren und Flyer für USA-Programme allerdings keine Staubfänger. Zahlreiche Schüler fragen nach den Möglichkeiten. Der 16 Jahre alte Caio sagt: «Ich finde den Sport dort interessant.» Wegen des neuen Präsidenten hat er – wie seine Mutter – aber Bedenken. Bei Trump-Wählern wolle er lieber nicht wohnen. Üblich ist allerdings, dass bei Austausch-Programmen die Gastfamilie wählt, wen sie in ihr Haus lässt.

Auf jeden Fall und trotz Trump will die 13 Jahre alte Marid in die Staaten. Sie sei an den USA schon lange interessiert: «Ich will das Land und die Kultur kennenlernen. Nicht oberflächlich, sondern so richtig wie die Menschen dort sind», sagt sie.

Eckstein hofft, dass weiterhin viele Austauschschüler in die USA, aber auch anderswohin gehen. «Die Gelegenheit, in so einer intensiven Form ein Land kennenzulernen, hat man nur in diesem Alter», sagt er. «Präsidenten sind für vier Jahre gewählt. Freundschaften halten Jahrzehnte.»

Von der Politik wünscht er sich in Zeiten der Unsicherheit ein Zeichen – wie Anfang der 1980er Jahre: Damals begannen Politiker beider Länder das Parlamentarische Patenschafts-Programm, das seitdem jährlich junge Amerikaner und Deutsche mit Austausch-Stipendien über den Atlantik schickt. Im Gründungsjahr, 1983, war Ronald Reagan Präsident, und in Deutschland protestierten viele Menschen gegen amerikanische Raketen.

Schüleraustausch für den Frieden – aus der Mode ist die Idee nicht: Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann reiste kürzlich nach Paris, auch um sich für häufigere Begegnungen junger Franzosen und Deutscher einzusetzen. So könne es gelingen, nationalistischen Tendenzen vorzubeugen, sagte die Grünen-Politikern im Deutschlandfunk.

Trumps Erfolg hat den Alltag deutscher Austauschschüler bislang übrigens nicht nachhaltig beeinflusst. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Austauschorganisation TravelWorks, die ihre Teilnehmer befragt hat. «Im Großen und Ganzen hat sich nichts verändert», berichtete etwa eine 16-Jährige, die im Bundesstaat Missouri auf eine High School geht. «Am Anfang haben mich alle gefragt, was meine Familie und Freunde in Deutschland denken, aber jetzt ist es wie davor, als Obama Präsident war.» (Nikolai Huland, dpa)

Schüler auf ein Auslandsjahr vorbereiten

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