NÜRNBERG. Die GEW berichtet von steigendem Druck auf Schulen, bei Abschiebungen zu helfen. Schüler würden dann von der Polizei direkt aus dem Unterricht vor den Augen der Klasse abgeführt. „Abschieben von Auszubildenden und Schülern geht gar nicht», erklärte Anton Salzbrunn, Vorsitzender der GEW Bayern. Er forderte, diese umgehend zu stoppen – sowie ein Recht für Lehrkräfte, die Beteiligung an Abschiebungen verweigern zu dürfen.
Schüler und Lehrer haben in Nürnberg heute gegen die ihren Angaben zufolge drohende Abschiebung von Mitschülern protestiert. Die Schülermitverantwortung (SMV) des Nürnberger Berufsschulzentrums hatte zu der Kundgebung aufgerufen, die GEW schloss sich an. Die Gewerkschaft rief zudem zu Mahnwachen und Kundgebungen in anderen bayerischen Städten auf. Betroffen von Abschiebungen aus Bayern seien derzeit vor allem junge Leute aus Afghanistan, berichteten Teilnehmer.
Salzbrunn berichtete von mehreren aktuellen Fällen im Freistaat, bei denen Schüler mitten im Unterricht von der Polizei abgeholt worden seien. Mehr noch: In einem Schreiben des städtischen Amtes für Berufliche Schulen in Nürnberg wurden laut GEW die kommunalen Lehrkräfte darauf hingewiesen, dass vermehrt Schulleitungen von der Polizei aufgefordert werden, bei Abschiebungen mitzuwirken. Das Rechtsamt der Stadt Nürnberg habe sogar eine Verpflichtung der Schulleitung zur Mitwirkung festgestellt. Gefordert würden insbesondere Auskünfte über die betroffenen Kinder und Jugendlichen.
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Das Vorgehen sei ein Schlag ins Gesicht aller Lehrer, die mühevoll Schüler zum Schulabschluss führen wollten. „Kolleginnen und Kollegen befürchten“, so der Koordinator der GEW-Fachgruppe für Berufliche Schulen innerhalb der Stadt Nürnberg, Sigfried Kuhn, „dass sie im Falle einer Abschiebung aus der Schule vor einem Szenario stehen, das in der Belastung für alle Beteiligten einer Bedrohungslage gleicht. Die gesamte Klasse – und auch alle anderen Klassen, die durch Freundinnen und Freunde erfahren, was passiert ist – ist extrem verunsichert. Da die Schule in der Folge nicht mehr als sicherer Ort wahrgenommen wird, nimmt die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs ab, die Lernmotivation schwindet, es kommt zu Re-Traumatisierungen.“
Abschiebungen von Schülern aus Flüchtlingsheimen heraus seien schon schlimm genug gewesen. „In der Schule konnten wir das bislang relativ gut auffangen, indem wir ein starkes Sicherheitsgefühl vermittelt haben“, so betont Kuhn. „Wenn nun aber die Bezugsperson für die Schülerinnen und Schüler – die Lehrkraft – an der Abschiebung beteiligt ist, indem sie Auskunft über den Schüler oder die Schülerin geben muss, wird das konterkariert.“ Viele junge Asylbewerber trauten sich inzwischen aus Angst vor Abschiebung nicht mehr in die Schule.
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Die GEW fordert eine sichere Aufenthaltsperspektive für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Abschluss des Bildungsganges oder der Ausbildung. Und sie fordert Rechtssicherheit für Lehrkräfte, die sich an Abschiebungen nicht beteiligen wollen. Salzbrunn: „Wir wünschen uns in aller Entschiedenheit, dass die Verantwortlichen für das Berufliche Schulwesen in Nürnberg nicht nur rechtliche Klärungen herbeiführen, sondern in aller Deutlichkeit diejenigen Lehrkräfte unterstützen, die das Ansinnen der Polizei nicht nur nicht unterstützen, sondern unter Umständen die Zusammenarbeit mit den Abschiebebehörden aus Gewissensgründen verweigern. Es geht darum, ein höheres Rechtsgut, Leben und Gesundheit, zu schützen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus