BERLIN. Bund, Länder und Gemeinden stecken viele Milliarden Euro in die Kinderbetreuung. Während bei den Drei- bis Sechsjährigen die Quote stimmt, sind Mütter und Väter mit ganz kleinen Kindern weniger gut dran.
Eltern von Kleinkindern haben in Deutschland weiterhin oft Betreuungsprobleme. Trotz verdoppelter Kita-Ausgaben seit 2005 gibt es in Deutschland derzeit einen Mangel von gut 293.000 Krippenplätzen. Bei rund 2,2 Millionen Kindern unter drei Jahren werde knapp jedes dritte (32,7 Prozent) in einer solchen Einrichtung betreut, der Bedarf liege aber bei 46 Prozent, so das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter Berufung auf aktuelle Daten.
Demnach gab es in Westdeutschland zum 31. März 2016 für Kleinkinder etwa 262.000 Betreuungsplätze zu wenig (Betreuungslücke 14,8 Prozent), in Ostdeutschland waren es mehr als 31.000 (7,3). Am größten war die Lücke bei Krippenplätzen in Bremen (20,2 Prozent), Nordrhein-Westfalen (16,2) und Rheinland-Pfalz (16,0), am niedrigsten in Mecklenburg-Vorpommern (3,1), Sachsen (5,6) und Sachsen-Anhalt (5,7). Von den westlichen Bundesländern wies nur Hamburg eine einstellige Quote (7,3 Prozent) auf.
Die IW-Datensammlung lag am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor. IW-Experte Wido Geis sagte dem Blatt, der Bedarf werde noch wachsen: «Immer mehr Frauen wollen immer früher zurück in den Job, deshalb sind Familien früher auf Betreuung angewiesen.»
Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2016 in Kindertageseinrichtungen gut 614.000 Kinder unter drei Jahren betreut, in öffentlich geförderter Tagespflege rund 107.000 – insgesamt waren es 3,7 Prozent mehr als 2015. Bei den Drei- bis Fünfjährigen ist die Betreuungsquote inzwischen auf 93,6 Prozent geklettert.
Die Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für die Kindertagesbetreuung sind zwischen 2005 und 2015 von 10,8 auf 23,7 Milliarden Euro angewachsen. Ein kürzlich vom Bundestag beschlossenes Investitionsprogramm soll bis 2020 für 100.000 zusätzliche Kita-Plätze sorgen. Dafür erhalten Länder und Kommunen gut 1,1 Milliarden Euro zum Ausbau der Kindertagesbetreuung.
Schwesig: Bund muss weiter mitfinanzieren
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Mittwoch: «Klar ist: Der Bund muss den Ländern und Kommunen unter die Arme greifen – auch in Zukunft. 2017 wird der Bund die Rekordsumme von fast 2,5 Milliarden Euro in Kindertagesbetreuung investieren.» Schwesig legt allerdings neben der Anzahl der Betreuungsplätze auch Wert auf mehr Qualität der Kita-Betreuung. Damit befasst sich ab Donnerstag die Jugend- und Familienministerkonferenz in Quedlinburg.
Die Opposition zeigte sich unzufrieden. Die Grünen-Expertin Franziska Brantner sagte, die von der schwarz-roten Bundesregierung bewilligten Mittel «reichen hinten und vorne nicht. Wir brauchen diese nicht über einen Zeitraum von vier Jahren, sondern jährlich.» Für die Linksfraktion sagte der Abgeordnete Norbert Müller, die Regierung rede das Problem klein. Seine Partei fordere «ein Kitaqualitätsgesetz mit einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Kitakosten. Gleichzeitig muss die Erzieherausbildung besser gefördert werden.» dpa
Eigentlich gibt es einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder. Eigentlich. Doch was, wenn man auf etwas einen Anspruch hat, was einfach nicht vorhanden ist?
Eltern haben zwar einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder. Diesen auf dem Rechtsweg zu erstreiten, ist allerdings schwierig. Stattdessen können Eltern Schadenersatz einfordern oder sich eine private Betreuung suchen. «Einklagen können Eltern den Platz nur, wenn auch tatsächlich ein Platz zur Verfügung steht», sagt Prof. Florian Gerlach, Rechtsanwalt und Hochschullehrer für Familienrecht an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum.
Dabei haben Eltern eigentlich für Kinder unter drei Jahren einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter. Wenn eine Kommune aber zum Beispiel nach ihrer Bedarfsplanung nur 1000 Kitaplätze zur Verfügung stellt, es aber 1200 Kinder mit Anspruch gibt, können Eltern die fehlenden Plätze nicht einklagen.
Einerseits bleibt dann eine Klage auf Schadenersatz. Im vergangenen Herbst entschied der Bundesgerichtshof, dass Eltern, die zum Wunschtermin keinen Betreuungsplatz für ihr Kleinkind bekommen und deshalb erst später arbeiten gehen können, grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz haben. Sie können Verdienstausfall geltend machen. Die verantwortliche Kommune muss dem Urteil zufolge aber nur dann zahlen, wenn sie den Mangel mitverschuldet hat.
Allerdings müssen Eltern zum einen nachweisen, dass sie rechtzeitig einen Platz beantragt haben. Das ist in der Regel drei bis sechs Monate, bevor der Platz benötigt wird, wie Gerlach erklärt. Um Schadenersatz geltend zu machen, müssen sie zum anderen darlegen, dass ihnen ein Schaden entstanden ist – also etwa Verdienstausfall.
«Welcher Grad an Nachweispflicht da gestellt wird, ist noch relativ unklar», sagt Gerlach. Schwierig ist so ein Nachweis Gerlach zufolge besonders für Personen, die etwa Hartz IV beziehen oder keine Aussicht auf Arbeit haben.
Andererseits können sich Eltern einen privaten Kitaplatz beschaffen, wenn die Gemeinde keinen zur Verfügung gestellt hat. Es besteht dann Anspruch auf Kostenerstattung. Das entschied etwa das Bundesverwaltungsgericht 2013. Eltern müssen die Gemeinde vor der Selbstbeschaffung allerdings rechtzeitig in Kenntnis setzen. Außerdem muss der Kitaplatz dringend benötig werden – die Deckung des Bedarfs darf keinen zeitlichen Aufschub dulden.
Beim Lesen kann man sich daran erinnern, dass einer der entscheidenden Engpässe das Personal ist. Zuweilen wurde schon gemeldet, dass es einfach nicht genügend Erzieherinnen auf dem Markt gibt. Außerdem: es geht hier nur um Kinder unter 3 Jahren. Vor einer Generation war sich die Erziehungswissenschaft einig, dass Kinder erst ab ca. 3 Jahren emotional reif genug seien für eine ganztägige Gruppenbetreuung. An den psychologischen Erkenntnissen hat sich nichts geändert, geändert haben sich die Prioritäten: schnelle vollzeitige Berufstätigkeit von Frauen ist politisch erwünscht und wird entsprechend beworben.
So ist es, Pälzer! Mich erstaunt immer wieder, wie unbedarft und fern jeder kinderpsychologischen Erkenntnis die Steigerung der Krippenplätze als „familienfreundliche Maßnahme“ verkauft wird.
Die Vollzeitbeschäftigung beider Eltern dient anderen Zwecken:
Neben weiteren Steuer- und Abgabenzahlern streben vor allem Regierungen mit dem übergroßen Logo „Kampf für soziale Gerechtigkeit“ auch noch die “Lufthoheit über die Kinderbetten” (Olaf Scholz) an.
“Modernes Familienleben” ist auch so ein Schlagwort, das Fortschritt und Familienfreundlichkeit suggeriert, während das Familienleben in Wahrheit leidet und Eltern kaum mehr Zeit und Kraft für ihre Kinder haben.
Gegen soziale Gerechtigkeit und eine familienfreundliche Politik dürfte kaum jemand etwas haben.
Die entscheidende Frage ist nur, was darunter verstanden wird und ob radikaler Eifer nicht blind macht für Grenzen, die zum Wohle von Mensch und Gesellschaft besser respektiert würden.