Studie: Lehrer aus Fluchtländern könnten helfen, die Integration zu verbessern – „Sie verfügen über wichtige Kompetenzen“

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BERLIN. Hunderttausende Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien gehen auf deutsche Schulen – eine Herkulesaufgabe für das Bildungssystem. Können erwachsene Geflüchtete mit pädagogischen Kenntnissen helfen, diese Schüler besser zu integrieren? Eine Studie spielt das durch – und der VBE hält es für eine gute Idee, „geflüchteten Pädagoginnen und Pädagogen den Weg in das deutsche Schulsystem zu ebnen“.

Die Syrerin Amani (Name geändert) ist 24 und Lehrerin. Als ihre Schule geschlossen wurde, unterrichtete sie ihre Schüler zuhause - bis auch das zu unsicher wurde und sie das Land verlassen musste. Foto: DFID - UK Department for International Development / flickr (CC BY 2.0)
Die Syrerin Amani (Name geändert) ist 24 und Lehrerin. Als ihre Schule geschlossen wurde, unterrichtete sie ihre Schüler zuhause – bis auch das zu unsicher wurde und sie das Land verlassen musste. Foto: DFID – UK Department for International Development / flickr (CC BY 2.0)

Beim Schulunterricht für Flüchtlingskinder würden Hilfslehrer mit eigener Fluchtgeschichte die Bildungsintegration in Deutschland nach einer neuen Studie erheblich verbessern. Länder und Kommunen könnten ein entsprechendes Programm für pädagogische «Assistenzkräfte» in dreistelliger Millionenhöhe «nicht allein stemmen», betont die Bertelsmann Stiftung. «Der Bund muss hier tätig werden, nicht nur mit einem einmaligen Programm, sondern mit einer durchgehenden Finanzierung.»

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Wie die Gütersloher Stiftung unter Berufung auf eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Prognos schreibt, wäre ein Verhältnis 1 zu 80 zwischen Assistenzkräften und geflüchteten Schülern sinnvoll. Damit ergäbe sich ein aktueller Stellenbedarf von bundesweit knapp 3500 Vollzeitstellen: 1378 in der Primarstufe, 1255 in der Sekundarstufe I und 835 in der Sekundarstufe II.

Der Studie zufolge würden die einmaligen Kosten der Qualifizierung solcher Hilfslehrer bundesweit etwa 31 Millionen Euro betragen. Die jährlichen Investitionen lägen zwischen 145 Millionen Euro bei freien Trägern und 165 Millionen Euro bei kommunalen Trägern im öffentlichen Dienst. Dieses Geld würde sich aber gleich doppelt lohnen – «für die geflüchteten Schüler im Sinne besserer Bildungsintegration und für die geflüchteten Pädagogen im Sinne erfolgreicher Arbeitsmarktintegration», versichert die Bertelsmann-Stiftung. All dies nutze «dem Staat mittel- und langfristig».

„Beeindruckender Kraftakt“

Nach den Zahlen der Studie wurden 2015/16 für knapp 400.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland Asylanträge gestellt. «Die Länder haben in einem beeindruckenden Kraftakt bisher schätzungsweise 15.000 Stellen für einheimische Lehrkräfte, insbesondere für die Sprachförderung, eingerichtet», lobt die Stiftung. Die Ressourcen geflüchteter Pädagogen seien aber bisher ungenutzt geblieben – dabei könnten sie «dem sich abzeichnenden Lehrermangel entgegenwirken». Solche Assistenzkräfte «verfügen über zusätzliche Kompetenzen, die für die Integrationsarbeit wichtig sind. Sie sprechen die Herkunftssprachen der geflüchteten Schüler und Eltern und können aufgrund ihrer eigenen Migrations- und Integrationserfahrungen Orientierung geben.»

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Die Bertelsmann Stiftung verweist auf erste Initiativen von Universitäten wie das «Refugee Teachers Program» in Potsdam oder die Initiative «Lehrkräfte Plus» an der Universität Bielefeld. Allerdings seien «die sprachlichen und fachlichen Voraussetzungen für ausländische Lehrkräfte im Blick auf eine „vollwertig“ anerkannte Lehrtätigkeit in deutschen Schulen hoch», heißt es. Immerhin könnten Geflüchtete – insbesondere mit pädagogischen Vorkenntnissen – «eine wichtige Rolle als Assistenzkräfte spielen».

VBE: „Es gilt, das ganze Potenzial zu nutzen“

„Geflüchteten Pädagoginnen und Pädagogen den Weg in das deutsche Schulsystem zu ebnen, zielt in die richtige Richtung. Zum einen, um diesen Menschen eine ihrer beruflichen Qualifikation entsprechende Eingliederung am Arbeitsmarkt zu erleichtern, zum anderen aufgrund der enormen Herausforderung, die sich angesichts der hohen Anzahl von Flüchtlingskindern im Sinne einer gelingenden Bildungsintegration stellt“, sagt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann.

„Der Assistenzstatus kann aber nicht das Ziel bei der Integration von Pädagoginnen und Pädagogen mit Flüchtlingshintergrund bleiben. Es gilt, das ganze Potenzial zu nutzen“, so Beckmann weiter. „Eine Zweiklassengesellschaft zwischen Lehrkräften mit unterschiedlicher Herkunft darf kein Dauerzustand sein. Die Politik muss hier nachhaltige Anstrengungen unternehmen und diesen Menschen eine klare Perspektive der Integration als vollwertige Kräfte aufzeigen. Vom generellen Problem des Lehrermangels, dem sich die Politik viel zu lange nicht gestellt hat, darf hierdurch nicht abgelenkt werden.  Wir brauchen eine ganzheitliche Lehrerausbildungsoffensive, die die adäquate Weiterqualifizierung von geflüchteten Pädagoginnen und Pädagogen mit einschließt“, fordert Beckmann. Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

 

Von Werner Herpell, dpa

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