Merkels „Bildungsrepublik“ braucht noch mal einen neuen Anlauf – die Bilanz ist eher mau

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BERLIN. Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle», sagte Angela Merkel 2008. Damals hatten sich Kanzlerin und Länder auf einem Bildungsgipfel viel vorgenommen. Es gab Verbesserungen, aber nicht alle Ziele wurden erreicht. Jetzt wird der Ruf nach einer neuen nationalen Kraftanstrengung lauter.

"Bildungsrepublik Deutschland" ausgerufen. Karikatur: DonkeyHotey / flickr (CC BY 2.0)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat 2009 die „Bildungsrepublik Deutschland“ ausgerufen. Karikatur: DonkeyHotey / flickr (CC BY 2.0)

Weniger Jugendliche ohne Schulabschluss – mehr Milliarden für Bildung: Das waren Kernziele des Dresdner Bildungsgipfels von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Bundesländern 2008. Heute fällt die Bilanz gemischt aus. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl werden Rufe nach einer neuen Kraftanstrengung für Kitas, Schulen und Unis lauter. Ein Überblick:

Warum gab es den Bildungsgipfel von Dresden überhaupt?

Weil die Probleme auf der Hand lagen: Schlechtere Bildungschancen für Kinder aus ärmeren und Migranten-Familien, Fachkräftemangel, Probleme bei der auskömmlichen Finanzierung von Kitas, Schulen und Unis, zu wenig Kita-Plätze. Weil Bildung Ländersache ist, tut sich der Bund dabei schwer mit Abhilfe.

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Konnte die Zahl der Schulabbrecher planmäßig gesenkt werden?

Nein. «Die angestrebte Halbierung der Quote der Absolventen allgemein bildender Schulen ohne Hauptschulabschluss ist nicht absehbar», schreibt der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm in einer am Freitag veröffentlichten Gipfelbilanz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die Quote sei nur von 7,4 auf 5,9 Prozent 2015 gesunken. Rund 50.000 Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss. Auch die Quote der Menschen ohne Berufsabschluss konnte nicht wie geplant gesenkt werden. Laut OECD haben 13 Prozent der Menschen zwischen 25 und 34 hätten weder Abitur noch Berufsabschluss.

Fließen so viele Milliarden in die Bildung wie versprochen?

Nein. 10 Prozent des Bruttosozialprodukts sollten es an öffentlichen und privaten Geldern bis 2015 sein. 9,1 Prozent sind es. Laut Klemm hätten 27,2 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt werden müssen. Hemmend wirkt aus Sicht von Opposition und Gewerkschaften das Verbot von Kooperation: Der Bund darf nicht generell Bildung mitfinanzieren. Die Saar-Ministerpräsidentin und CDU-Hoffnungsträgerin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte nun eine «nationalstaatliche Kraftanstrengung». Alle müssten wissen, es brauche ein «Kooperationsgebot».

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Nehmen so viele junge Menschen ein Studium auf wie geplant?

Ja, sogar mehr. Die Quote sollte auf 40 Prozent steigen, zuletzt waren es sogar 58 Prozent. Allerdings kommen junge Akademiker meist aus Akademiker-Elternhäuser. So entstammt laut Bildungsforscher Klemm nur jeder vierte Student einer Familie, in denen mindestens ein Elternteil eine Lehre oder eine Facharbeiterausbildung hat.

Ist der Kita-Ausbau so vorangegangen wie geplant?

Nein. 2008 lag die Betreuungsquote bei Unter-Drei-Jährigen bundesweit bei 17,6 Prozent. 35 Prozent sollten es werden. Vergangenes Jahr waren es aber nur 32,7 Prozent. Elternbefragungen des Deutschen Jugendinstituts zeigten 2015: Mehr als 43,2 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren wünschen sich einen Betreuungsplatz. Mit drei Investitionsprogrammen unterstützt der Bund den Ausbau von Kita-Plätzen 2008 bis 2018 mit 3,28 Milliarden Euro. Laut dem jüngsten Gesetz zum Kita-Ausbau aus diesem Jahr gibt der Bund weitere gut 1,1 Milliarden Euro für Neu-, Aus- und Umbauten sowie Ausstattung von Kitas. 100 000 zusätzliche Kita-Plätze sollen geschaffen werden.

Welche Aufgaben kommen bei der Bildung neu hinzu?

Die Bildung und Ausbildung von Minderjährigen und junge Erwachsensen, die als Flüchtlinge ins Land kamen, ist für die Bildungseinrichtungen teils alles andere als einfach. Trotz tausender neuer Lehrer tun sich die Schulen zum Beispiel bis heute oft schwer, die jungen Menschen mit zunächst mangelnden Deutschkenntnissen und unterschiedlichem Bildungsstand fit für den Regelunterricht zu machen. Die Digitalisierung ist die nächste Herausforderung – dass Kitas und Schulen schon ausreichend in der Digital-Ära angekommen sind, glaubt kaum jemand.

Welchen Stellenwert hat das Thema im Wahlkampf?

Bildung spielt bei den Wählern laut Umfragen eine ungefähr ebenso große Rolle als wichtiges Problemfeld wie Renten und Arbeitslosigkeit. Beim TV-Duell von Merkel und SPD-Kandidat Martin Schulz spielte das Thema keine Rolle. Doch die Parteien nehmen es wichtig: Schulz verspricht eine «nationale Bildungsallianz», CDU/CSU sehen sich als «Garant für gute Bildung und Ausbildung». Von Basil Wegener, dpa

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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Nehmen so viele junge Menschen ein Studium auf wie geplant? Ja, sogar mehr. Die Quote sollte auf 40 Prozent steigen, zuletzt waren es sogar 58 Prozent.“

Das ist er ja wieder, der Akademisierungswahn.

Damit das klappt, senkt man die Ansprüche und schon schafft jeder das Abitur.

Und nun klagen die anderen Berufe über Bewerbermangel.

hennes
6 Jahre zuvor

Solange ich denken kann, heißt es, Deutschlands Zukunft läge in der Bildung und wir brauchten mehr Geld für Bildung. Ich kann’s nicht mehr hören. Auch der Refrain, in der Vergangenheit sei zu wenig getan worden für gute Bildung, geht mir nur noch auf die Nerven. In 100 Jahren wird dieses Ritual wahrscheinlich noch immer gepflegt.

Außerdem stört mich, dass ständig so getan wird, als wäre Geld allein ausschlaggebend und nicht auch die Politik. In der Vergangenheit hatte ich eher den Eindruck, dass hier vor allem Ideologen die Richtung bestimmten und dafür sorgten, dass mehr Gutes zerschlagen als aufgebaut wurde.

dickebank
6 Jahre zuvor
Antwortet  hennes

Das stimmt doch grundsätzlich. Mit den Anstrengungen, die die politisch Verantwortlichen im Bereich Bildung bereit sind zu finanzieren, gibt es eben keine positive Entwicklung. Nur ist deshalb die Aussage, dass die Zukunft D’s von der Bildung abhängt, aufrecht zu erhalten. Also keine Bildung als Anfangspunkt einer negativen Entwicklung in der Zukunft. Die negative Entwicklung hängt also von der verminderten Bildung ab – aber nichts Anders hat die Politik gesagt. Dass Sie die Aussage anders verstehen, ist doch nicht das Problem der Politiker. – Kennen Sie das 4-Ohren-Modell?

anislim
6 Jahre zuvor

Die größte Herausforderung ist es offenbar, den zum Schulwesen im GG verankerten Art. 7 ausreichend zu beachten.

Das an dieser Aufgabe alle Bundesländer (parteiunabhängig) scheitern, zeigen Gerichtsurteile und aktuelle Studien, deren Kritik bisher kein einziges Bundesland widerlegen konnte/wollte und von zuständigen oder verantwortlichen Politikern lieber totgeschwiegen wird.

Das zumindest gelingt ihnen gut, da sie selbst – jedenfalls nicht negativ – von den Folgen und Problemen, die sie schafften, betroffen sind.

Nur die Medien können das ändern.
Es wäre im Sinne des GG und einer Schülermehrheit, wenn ein Ende der Missstände mit der aktuellen Kritik an der persönlichen Schulwahl der Ministerpräsidentin Schwesig eingeleitet wird.

Es ist allerdings auch unwahrscheinlich. Schließlich ist die Ministerpräsidentin Schwesig nicht die einzige einflussreiche Politikerin, die eine private Ersatzschule nutzt und dort davon profitiert, dass sie selbst nur ein – für ihre Besitzverhältnisse – geringes Schulgeld von 200 Euro zahlt, und der größte notwendige Kostenteil von der Allgemeinheit finanziert wird.

sofawolf
6 Jahre zuvor

@ hennes,

genau! Es sind im Großen und Ganzen immer die gleichen Beschwörungen und Bekundungen und es gab wohl noch nie eine (Bundes-)Regierung, deren Bildungspolitik außer von ihr selbst gelobt worden wäre. Das ist auch immer das Gleiche.

So nimmt es auch nicht wunder, wenn manche von den Parteien die Nase voll haben. Es sind immer die gleichen Rituale. Man braucht da niemanden mehr zu interviewen, zu befragen, anzuhören. Die Oppostion findet immer alles schlecht, was die Regierung macht und die Regierung findet immer alles gut, was sie macht.

*gähn* … und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute!