Schwesig schickt ihr Kind auf eine Privatschule – Kritiker fragen: Hat die Ministerpräsidentin kein Vertrauen ins staatliche Schulsystem?

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SCHWERIN. In Mecklenburg-Voropommern gehen immer mehr Kinder auf Schulen privater Träger. Nun hat sich auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig dafür entschieden, ihr Kind an eine Privatschule zu schicken. Und das löst lebhafte Diskussionen aus.

Will mehr Kita-Plätze für Kleinkinder: Bundesfamilienministerin Schwesig. Foto: Bundesregierung / Denzel
Wasser predigen, Wein trinken? Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Foto: Bundesregierung / Denzel

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) steht wegen der Entscheidung, ihr älteres Kind zum Schuljahresbeginn auf eine Privatschule zu schicken, in der Kritik. Nach Ansicht der Links-Opposition im Landtag offenbart der Schritt die Mängel und Lücken im staatlichen Schulsystem. Über Jahre hinweg seien öffentliche Schulen in Mecklenburg-Vorpommern kaputt gespart und Schulleitungen ans Gängelband gelegt worden. Wenn Schwesig nun ihr Kind auf eine Privatschule schicke, drücke dies auch mangelndes Vertrauen in das von ihr als Regierungschefin maßgeblich verantwortete staatliche System aus, sagte am Dienstag Linksfraktionschefin Simone Oldenburg.

Schwesig hatte im NDR, der zuvor über den Fall berichtet hatte, den Schulwechsel mit der Nähe zur Wohnung der Familie und dem damit kurzen Schulweg begründet. Die Schule in freier Trägerschaft liegt am Rande der Innenstadt. Das Schulgeld dort beträgt monatlich 200 Euro, kann laut Schulleitung aber für Kinder aus sozial schwachen Familien ermäßigt werden.

„Persönliche Entscheidung“

«Frau Schwesig kennt aus ihrer Tätigkeit alle Schulen in Schwerin und schätzt die dort geleistete Arbeit sehr, und zwar unabhängig davon, ob sich diese in staatlicher oder in freier Trägerschaft befinden», sagte Regierungssprecher Andreas Timm. Die Frage, auf welche Schule das eigene Kind geht, sei eine persönliche Entscheidung. Schwesigs Sohn habe bislang eine staatliche Grundschule besucht, die einzige weiterführende Schule im Wohngebiet der Familie sei aber die Schule in freier Trägerschaft.

Anderen Familien, die nicht das Schulgeld aufbringen könnten, bleibe für ihre Kinder nur die örtlich zuständige Schule mit oft deutlich längeren Wegen, entgegnete Oldenburg. Damit bestimme entgegen dem Versprechen der SPD das Einkommen der Eltern doch über die Bildungschancen und -wege der Kinder.

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Kritik an Schwesig kam auch von der Schulleitungsvereinigung des Landes. Deren Vorsitzende Heike Walter sagte, es stelle sich die Frage, ob die Ministerpräsidentin doch nicht das Vertrauen in die öffentlichen Schulen habe. Schwesigs Entscheidung habe einen «bitteren Beigeschmack», zitierte der NDR Walter.

In Mecklenburg-Vorpommern hat sich der Anteil der Schüler an Privatschulen in den zurückliegenden zehn Jahren auf etwa elf Prozent verdreifacht. Nur in Bayern liegt der Anteil noch höher.

Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) sieht in dem Trend keinen Grund zur Besorgnis. Die landesweit 75 Schulen in freier Trägerschaft seien Bestandteil des Schulsystems und eine sinnvolle Ergänzung. Doch räumte sie ein, dass die Schulstruktur in der Landeshauptstadt Schwerin Defizite aufweise. «Darüber werden wir mit dem Oberbürgermeister reden müssen», sagte Hesse.

Der Linken warf die Ministerin vor, das Thema für sich zu instrumentalisieren. Entgegen der Darstellung der Opposition gebe die Landesregierung von Jahr zu Jahr mehr Geld für die Schulen aus. «Die Debatte ist an den Haaren herbeigezogen und es ist geschmacklos, Kinder mit hineinzuziehen», sagte Hesse. dpa

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7 Kommentare
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xxx
6 Jahre zuvor

die Gründe sind nachvollziehbar und rein pragmatisch. die Kritiker würden wahrscheinlich bei vorhandenen finanziellen Möglichkeiten dasselbe tun.

ketzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ich bin anderer Meinung und erlaube mir zwecks Begründung, meinen Kommentar vor etlichen Stunden an anderer Stelle zu wiederholen:

„Zum Schuljahresbeginn in Mecklenburg-Vorpommern hat die Linksfraktion Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ein ‚fatales Signal’ in der Bildungspolitik vorgeworfen. Anlass ist Schwesigs Schulwahl für ihr älteres Kind. Das wird zum Start der fünften Klasse jetzt an einer Privatschule unterrichtet. Die Regierungschefin umgeht damit das eigentlich auch von ihrer Partei unterstützte Konzept vom ‚längeren gemeinsamen Lernen’ an einer staatlichen Regionalschule. Dieses sieht nach der Grundschule einen mindestens zweijährigen gemeinsamen Unterricht eines Jahrgangs vor.“

https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Fatales-Signal-Kritik-an-Schwesigs-Schulwahl,freieschulen108.html

Die Linken und Grünen scheinen aber auch nicht besser: „In den wichtigsten Gremien von SPD, Grünen und Linker findet sich kaum ein Politiker, der seine Kinder auf eine Gesamtschule schickt. Im Parteivorstand der Linkspartei, unter den ersten zehn Plätzen der linken Landesliste sowie im Parteivorstand der Grünen gibt es kein einziges Mitglied, das Kinder auf der Gesamtschule hat oder früher hatte.“

https://www.welt.de/politik/nrw-wahl/article7505590/Gemeinschaftsschule-die-Bigotterie-der-Politik.html

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Das preußische Schulmodell von von Humboldt sah vor, dass alle Kinder ,gleich welchen Standes, die selben staatlichen Schulen besuchen sollten. Wie es zu dieser Abkehr vom öffentlichen Schulsystem durch Sozialdemokraten kommen konnte, ist genauso erstaunlich wie deren Versicherung als Privatpatienten.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

ich gehe aber davon aus, dass diese Schule von der Gemeinde aus Kostengründen privatisiert wurde.

Außerdem wurde Humboldt aus der Bildung verbannt. Wissen soll wirtschaftlich verwertbar sein und nicht nur aus Spaß an der Freud behandelt werden.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Die Wissenschaften haben nicht der Wirtschaft zu dienen, sondern der individuellen Bildung des Einzelnen. Nur durch dessen Erfolg im Bereich der Bildung gewinnen alle als Ganzes.
Will man wissenschaftlichen Ansprüchen genüge tun, so bedarf es anderer Bildungslehrgänge als Bachelor- und Masterstudiengänge. Aus diesem Grunde haben sich die Vertreter der Medizin und Jura dieser Forderung nach einer Verwässerung der Bildungsinhalte verweigert.
Entschleunigung und individuelle Bildung ist zum Erreichen wissenschaftlichen und wissenschaftlichen Erfolges angesagt, und das hat uns früher stark gemacht und nicht die reine Orientierung am kurzfristigen , ökonomischen Erfolg.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Meine Rede. Die Wirtschaft forderte aber jüngere und mehr Abiturienten und heutzutage sogar Universitätsabsolventen mit international anerkannten Abschlüssen.

Die Folge ist eine Verwässerung des Gymnasiums, Verwahrlosung aller anderen Schulformen und weder vom Fachwissen her noch intellektuell studierfähige Schüler. Die kritischen Stimmen werden aber immer lauter, weswegen ich den Höhepunkt beim Hype der Kompetenz- und Outputorientierung für überschritten halte, zumal sich die Genderbewegung als hochgradig mitverantwortlich für diesen Zustand mittlerweile auch selbst zerlegt.

hansjörg
6 Jahre zuvor

die spd ist eine tolle partei. vor allem ein paar tolle frauen aber als persönliche entscheidung muss sie auf meine stimme verzichten.