Kasperles Verkehrssünden – Deutschland hat 100 Polizei-Puppenbühnen

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BAD-NEUENAHR-AHRWEILER. Trotz Handys und Tablets sind Live-Spektakel mit Kasperle und Co bei Kindern immer noch sehr begehrt. Polizisten setzen sie bundesweit als Botschafter bei ihrer Kriminal- und Verkehrsprävention ein.

"Der Kasper sagt, über die Straße gehen darf man nur bei Grün." Foto: Stahlkocher / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
„Der Kasper sagt, über die Straße gehen darf man nur bei Grün.“ Foto: Stahlkocher / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Streifendienst und Büroalltag sind weit weg – mehrere Polizisten rufen dem suchenden Unglücksritter Utz zu: «Auf der anderen Seite!» Endlich blickt die Marionette dorthin und freut sich. «Ich habe einen Schatz gefunden, Gold und Silber.» Profi Matthias Träger zieht mit seinem Figurentheater 43 Polizei-Puppenspieler aus ganz Deutschland in seinen Bann.

Von Donnerstag bis Sonntag (9. bis 12. November) haben sie in Bad Neuenahr-Ahrweiler an einer Fortbildung teilgenommen. Es geht um spielerische Verkehrserziehung und Kriminalprävention, um Polizeiarbeit mit Handspielpuppen, Marionetten und Klappmaulpuppen.

«In Deutschland gibt es rund 100 Polizei-Puppenbühnen. Jede besteht meistens aus drei bis vier Personen», schätzt Guido Asmuth vom Polizeipräsidium Koblenz. Das erste bundesdeutsche Polizei-Puppenspiel war 1948 in Hamburg über die Bühne gegangen. Nach dem früheren Frontalunterricht mit dem Verkehrskasper beziehen die Polizisten heute ihr Publikum mehr in die Stücke ein.

«Es ist toll, wie die Kinder mitgehen, die sind mittendrin im Geschehen», sagt Polizei-Puppenspieler Thomas Nörl aus Weiden in der Oberpfalz. Das reize ihn an dem Job. Bei der Kriminalprävention mit Senioren sei es das Gleiche. «Auch die fangen an, mit den Figuren zu reden und zu singen. Das ist was anderes als ein Vortrag, wo es den Zuhörern bald die Augendeckel runterzieht.»

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Die meisten Stücke werden nach Asmuths Einschätzung von den Polizisten selbst geschrieben. Viele Stücke dauern 20 bis 30 Minuten. Ein älteres Beispiel der Puppenspieler aus Weiden für Kitakinder und Grundschüler: Die Hexe verzaubert den Kasper, er will bei Rot über die Straße marschieren. Der Hund protestiert, doch Kasper möchte auch bei Rot Ball auf der Fahrbahn spielen. Da beißt der Hund die Hexe, der Spuk ist vorbei, Kasper hält sich wieder an die Verkehrsregeln. Andere Stücke warnen Kinder spielerisch davor, Fremde in die Wohnung zu lassen oder zu ihnen ins Auto zu steigen.

Asmuth ist Mitglied der Polizei-Puppenbühne Koblenz. «Wir haben dafür einen umgebauten Linienbus für 40 Kinder, das ist wie ein Kino.» Nach dem Puppenspiel am Vormittag folgen nachmittags Übungen mit den Kindern im realen Verkehr. Zugleich läuft eine Veranstaltung mit Eltern – entweder mit dem Titel «Mein Kind als Fußgänger im Straßenverkehr» oder «Sexueller Missbrauch von Kindern». Manchmal erziehen laut Asmuth schließlich auch die Kleinen ihre Eltern: «Mama, Du musst Dich anschnallen, das hat der Polizist gesagt.»

Lediglich ein paar Minuten dauern Stücke der Koblenzer Polizei-Puppenbühne für Fünft- und Sechstklässler. Asmuths Kollege Dietrich Viebranz erklärt: «Das ist nur ein Impuls. Danach reden wir zum Beispiel über Cyber-Grooming.» Dabei machen sich Erwachsene im Internet mit sexuellen Absichten an Kinder und Jugendliche heran. Bei der Kriminalprävention für Senioren wollen Polizei-Puppenbühnen auf die Gefahren beispielsweise bei Gewinnanrufen, Haustürgeschäften, Enkeltricks und Kaffeefahrten aufmerksam machen.

Bei der Fortbildung in Bad Neuenahr-Ahrweiler gibt es drei Workshops. Der pensionierte Polizist Michael Kressin leitet den Anfängerkurs und pocht auf Qualität: «Ich muss üben, üben, üben.» Nicht umsonst werde Puppenspiel auch als Studium angeboten. Annelie Büter will in ihrem Workshop unter anderem zeigen, wie Puppenspieler mit zeitweiligen Blockaden im Kopf umgehen können. Matthias Träger, erster Vorsitzender des Verbands Deutscher Puppentheater, gibt Tipps zum offenen Theater: Der Puppenspieler sei hier stets sichtbar, werde aber bei guter Vorführung vom Publikum rasch vergessen.

Seit 20 Jahren haben die theaterbegeisterten Polizisten einen eigenen Verband, den Verein zur Förderung der Methode Puppenspiel in der Kriminal- und Verkehrsprävention (VPKV). Nach Matthias Trägers Stück «Utz, der Unglücksritter» applaudiert das uniformierte Publikum lange und schaut sich begeistert wie eine Kinderschar die aus Küchengeräten gebastelten Requisiten aus der Nähe an. Von Jens Albes, dpa

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