Philologen zeigen sich enttäuscht über Weils Regierungserkärung zur Schulpolitik: „Unverbindlich und in weiten Teilen nichtssagend“

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HANNOVER. Der Philologenverband hat sich enttäuscht über die Regierungserklärung  des im Amt bestätigten niedersächsischen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gezeigt – sie sei zur künftigen Schul- und Bildungspolitik „unverbindlich und in weiten Teilen nichtssagend“.  Zwar sei es richtig und dringend geboten, die Unterrichtsversorgung an den niedersächsischen Schulen grundlegend zu verbessern und 1000 zusätzliche Lehrkräfte einzustellen, betonte der Landesvorsitzende der Gymnasiallehrerorganisation, Horst Audritz, mit Blick auf Ankündigungen der neuen rot-schwarzen Landesregierung. Doch fehle „ein klares Bekenntnis der beiden Koalitionäre, den von der bisherigen Landesregierung betriebenen Leistungsabbau in unseren Schulen umgehend zu beenden und neue Qualitätsmaßstäbe zu setzen.“

„Die Landesregierung bekennt sich klar zur Inklusion an unseren Schulen": der alte und neue Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil. Foto: StK/Henning Scheffen
„Die Landesregierung bekennt sich klar zur Inklusion an unseren Schulen“: der alte und neue Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil. Foto: StK/Henning Scheffen

Auch vermissten die Philologen, so Audritz, verbindliche Aussagen dazu, „dass die neue Regierung gewillt sei, die gesetzlich für alle Beamten vorgeschriebene 40-Stunden-Woche auch für Lehrer umzusetzen“. Wenn nicht „endlich diesem Rechtsanspruch entsprechend“ die Unterrichtsverpflichtungen gesenkt, als zeitliches Äquivalent für besondere Aufgaben Anrechnungsstunden bereitgestellt und die ständig zunehmenden außerunterrichtlichen Aufgaben abgebaut würden, könne es keinen Neuanfang „in dem durch die bisherige Landesregierung deutlich zerrütteten Verhältnis zu den Lehrkräften“ geben. Eine von der bisherigen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) eingesetzte Kommission hatte noch in der vergangenen Woche festgestellt, dass Vollzeit-Lehrer in Niedersachsen nicht zu viel arbeiten.

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„In ihrer Unverbindlichkeit hat die Regierungserklärung den Eindruck bestätigt, dass, entgegen der Aussage des Ministerpräsidenten, wirkliche Weichenstellungen im Sinne eines wieder leistungsfähigen Schulwesens ausbleiben“, kritisierte Audritz. Das zeigte sich zum Beispiel bei der Inklusion, bei der sich wohl nicht viel ändere. Offenbar verschließe auch die neue Landesregierung vor den „erheblichen grundsätzlichen Problemen“ die Augen.

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Weil hatte sich in seiner Regierungserklärung zur „herausragenden Bedeutung“ von Bildung für die Landespolitik bekannt.  Alle jungen Menschen in Niedersachsen sollen so gut wie möglich ausgebildet werden, das ist unser gemeinsames Verständnis von guter Bildung“, sagte er. Weil: „Um diesem großen Ziel näher zu kommen, sind weniger Systemdebatten nötig als eine weitere Steigerung der Qualität auf allen Stufen unseres Bildungswesens. Das gilt für die Betreuung in den Krippen und Kindertagesstätten ebenso wie für die Steigerung der Unterrichtsversorgung. Das ist auch im Interesse der Erziehungs- und Lehrkräfte, die eine ebenso wichtige wie anstrengende Arbeit in Schulen und Kitas leisten.“ Die Landesregierung habe das „klare“ Ziel, künftig wieder eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent und mehr zu erreichen. „Wir werden die Schulsozialarbeit weiter ausbauen“, kündigte Weil an.

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„Die Landesregierung bekennt sich klar zur Inklusion an unseren Schulen. Die Schülerinnen und Schüler mit Handicaps müssen so gut wie möglich die Chance haben, gemeinsam mit Gleichaltrigen ohne Behinderungen zur Schule gehen zu können. Die Inklusion muss gelingen, sie ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Deswegen werden wir die Angebote in dieser Hinsicht flexibilisieren, um auch regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen. Dieser Gedanke ist auch maßgeblich für die Fortsetzung der Inklusion bezogen auf die Förderschule Lernen. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass diese Förderschule auslaufen wird, bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen haben die Schulträger aber die Möglichkeit, den Übergangszeitraum zu verlängern. Ich empfinde diese Regelung als einen guten Kompromiss, der helfen wird, auf unterschiedliche Bedingungen vor Ort angemessen zu reagieren“, sagte der Ministerpräsident.

Beitragsfreie Kita

Er betonte: „Niedersachsen soll sich immer stärker als ein Bildungsland profilieren. Wir wollen es allen Betroffenen leicht machen, gute Bildungsangebote auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Deswegen haben wir die Beitragsfreiheit auf allen Stufen unseres Bildungswesens vorgesehen. Das ist sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung. Bereits zum nächsten Kita-Jahr werden das erste und das zweite Jahr gebührenfrei. Wir werden junge Eltern spürbar entlasten und damit auch ihr Engagement unterstützen.“ Es handele sich dabei um ein Vorhaben mit großen finanziellen Konsequenzen. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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xxx
6 Jahre zuvor

Wenn man die sechs zusätzlichen Wochen unterrichtsfreie Zeit auf die 39 Schulwochen umlegt, käme man auf etwa 46 Zeitstunden pro Woche. Nur bei wenigen Fächerkombinationen dürfte das klappen. Sport und Gesellschaftswissenschaft vielleicht bei genügend Berufserfahrung und nur in Sek I. Ohne Sport, mit Sek II, mit Korrektur oder mit Sammlung (mint bzw. Kunst) keine Chance.