Schon bei Zehnjährigen festzustellen: Viele Mädchen unterschätzen ihre Fähigkeiten in Mathe

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BERLIN. Mathe liegt mir nicht so – ein Satz, der Mädchen laut einer Studie eher über die Lippen geht als Jungen. Schon in der fünften Klasse sehen Schülerinnen ihre Stärken eher im sprachlichen Bereich als bei Mathematik. Das kann sich später bis auf die Berufswahl auswirken.

Schon Zehnjährige haben das Klischee vom rechenschwachen Mädchen verinnerlicht. Foto: Lesley Show / flickr (CC BY 2.0)
Schon Zehnjährige haben das Klischee vom rechenschwachen Mädchen verinnerlicht. Foto: Lesley Show / flickr (CC BY 2.0)

Schon im Alter von etwa zehn Jahren schätzen viele Mädchen ihre Fähigkeiten in Mathematik schlechter ein als Jungen. Das gilt selbst dann, wenn die Kinder beider Geschlechter dieselben Noten haben. Die Unterschiede in der Selbstwahrnehmung bleiben stabil und bestehen bis zur zwölften Klasse fort, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin zeigt. Für die Erhebung sind Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) von rund 20 000 Schülern der fünften, neunten und zwölften Jahrgangsstufe ausgewertet worden. Sie wurden gefragt, wie sie ihre Fähigkeiten in Mathe und Deutsch einschätzen und welche Noten sie in diesen Fächern haben.

Dabei zeigten sich Unterschiede zwischen Mathe und Deutsch: In Deutsch schätzen Mädchen ihre Fähigkeiten etwas höher ein als Jungen, wobei die Werte nicht so stark auseinander liegen wie im Fach Mathe.

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Studie: Mädchen sind in der Schule leistungsbereiter als Jungen – weil sie sich früher ins System schicken

Zum Teil lässt sich die unterschiedliche Selbstwahrnehmung durch tatsächliche Leistungsunterschiede erklären: Mädchen schneiden in der Grundschule in sprachlichen Fächern deutlich besser ab als Jungen. In Mathe erzielen die Schüler etwas bessere Noten als die Schülerinnen. Der Vergleich mit den Schulnoten zeigt allerdings auch: Selbst bei gleicher Benotung schätzen sich Jungen stärker ein als Mädchen.

Ein Blick in die Daten zeigt, dass Mädchen auch in der zwölften Klasse stärker an ihren Mathefähigkeiten zweifeln als Jungs. Die unterschiedliche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, die sich schon in der fünften Klasse zeigt, scheint sich später zu verfestigen.

Die Ergebnisse der Studie können eine mögliche Erklärung dafür sein, warum Frauen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) in Deutschland stark unterrepräsentiert sind. Denn die negativere Selbsteinschätzung kann bei Mädchen zu der Schlussfolgerung führen, dass sie für naturwissenschaftliche Fächer nicht gut genug sind. dpa

Girl’s Day: Mädchen fühlen sich in MINT-Fächern nicht genug gefördert – Studie attestiert Deutschland Nachholbedarf

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11 Kommentare
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Cavalieri
6 Jahre zuvor

Das ist für Empiriker aber seltsam: Man vergleicht die Selbsteinschätzung mit den Noten. Einen Vergleich mit den tatsächlichen Fähigkeiten (oder Kompetenzen) scheint es nicht zu geben, oder wird das gesagt? Hatte man nicht mal festgestellt, dass Mädchen bei gleichen Leistungen tendenziell besser benotet werden als die Jungs?
Andere Empiriker haben sich schon bemüht nachzuweisen, dass bestimmte Leute bei den Noten benachteiligt werden gegenüber irgendwelchen Testergebnissen. Also was soll denn nun wichtiger sein, tatsächliche Fähigkeiten oder Schulnoten? Für Schulnoten kann man sich in MINT-Fächern kaum etwas kaufen, für Selbsteinschätzungen auch nicht. Bleiben nur die tatsächlichen Fähigkeiten. Und bei PISA & Co schnitten die Mädchen immer schlechter ab als die Jungs, und das nahezu weltweit.

Küstenfuchs
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Unterrichten sie selbst Mathematik? Ich als Mathematiklehrer an einem Gymnasium komme gar nicht auf die Idee, diese Ergebnisse der Studie in Frage zu stellen, da sie sich vollkommen mit meinen eigenen langjährigen Erfahrungen decken.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Sie meinen, die Mädchen schätzen sich selbst schlechter ein, selbst wenn sie gute Noten haben? Die Noten enthalten ja auch mündliche Teile. Aber wie sind denn die Testergebnisse bei schriftlichen Matheaufgaben? Bei PISA wird immer lamentiert, wenn der Unterschied zwischen den Leistungen der Jungs und der Mädchen zu groß ist. Er ist immer vorhanden (hat aber nichts mit den Schulnoten zu tun, so meinte ich das). Dass die Jungs sprachlich schwächer sind, darüber regt sich übrigens niemand auf. Ob die sich ähnlich schwächer einschätzen als sie sind?

Im übrigen : Ich zweifle nicht daran, dass Mädchen und Frauen auch Mathematik machen können, sogar auf wiss. Niveau. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das sehr viele sind. Die Interessen sind zu unterschiedlich, und die beruflichen Alternativen auch. Deswegen haben wir so wenige Frauen in MINT-Fächern. Bei den Tests geht’s immer um Mittelwerte und nicht um Einzelschicksale.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

In den USA gab es dazu eine Studie, in der man den Mädchen eines Kollektivs von Schülerinnen vor dem Beginn der Studie erzählte, dass man Vergleichsstudien zwischen den Geschlechtern durchgeführt hatte und dem Ergebnis, dass Mädchen besser rechnen könnten.
Die Leistungen der so informierten Mädchen im Fach Mathematik v erbessetzen sich nach einem Jahr signifikant.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Waren in Tests die Mädchen dann besser als die Jungs? Wäre das eine Art „Wunderwaffe“, oder erinnert das an Placebos in der Medizin?
Was soll daraus nun folgen?
Ich kann mir vorstellen, dass diejenigen, die eine Motivation haben, mehr zu leisten, sich dann auch mehr anstrengen und folglich auch mehr leisten. Aber woher soll i.A. die Motivation kommen? Nur aus einer Konkurrenzsituation mit anderen? Ist Konkurrenz nicht pädagogisch „out“? Im vorliegenden Fall kam die Motivation offenbar daher, das zu bestätigen, was vorher erzählt wurde. Aber diese psychologischen Methoden haben gewiss auch Grenzen.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Erklärt haben sich die Psychologen das Ergebnis mit der vorherigen Prägung durch das selbst gesetzte Axiom,es als Mädchen besser zu können.Ich erzähle meinen Töchtern ,das sie besser Mathematik lernen können als Jungen, und das wirkt, die glauben mehr an ihre eigenen Fähigkeiten.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

„… und das wirkt, die glauben mehr an ihre eigenen Fähigkeiten.“

Und wie weit trägt dann dieser Glaube? Was zeigt sich in schriftlichen Tests? Reicht der Glaube bis zum Abitur und darüber hinaus? Kommt es dann bei den Erstsemstern mehr auf den Glauben an oder mehr auf die objektiven Fähigkeiten, also das, was jederzeit abrufbar ist?

Außerdem ist ein Satz wie „Jungen sind besser/schlechter als Mädchen“ zu plakativ. Es gibt immer einzelne, die der Regel dann widersprechen. Niemand hat je behauptet, jeder Junge könne das besser als jedes Mädchen. Aber die besten Mathematiker sind doch oft Jungs, nicht wahr? Die schlechtesten wohl auch, das mag sein.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Die Untersuchung lief nur über ein Jahr.Wahrscheinlich könnte man Jungen ähnlich beeinflussen.

mississippi
6 Jahre zuvor

In der Grundschule sind Mädchen in Mathematik genauso gut wie Jungs. In der Pubertät ändert sich das irgendwie. Das ist aber nur meine subjektive Beobachtung, die Gymnasiallehrer haben da mehr Erfahrung.

Pälzer
6 Jahre zuvor

Seit mindestens 30 Jahren wird äußerst aktiv Mädchen-Förderung betrieben, besonders in Mathematik und Naturwissenschaften. Ja, viele Mädchen sind gut in Mathe. Obwohl Jungen statistisch gesehen schlechtere Schulnoten haben, gibt es weiterhin mehr rein auf Mädchen angelegte Förderprogramme, Universitäts-Angebote u.ä. Mir fehlt der Glaube daran, dass irgendwo noch ein unentdeckter Faktor oder Ansatz sein soll, der Mädchen dazu bringen sollte, „endlich“ ihr „wahres Potential“ zu entdecken. Naheliegender ist, dass die vielen Gleichstellungsbeautragten, die per Gesetz immer einem bestimmten Geschlecht angehören, auf immer neue Weise ihre Existenzberechtigung demonstrieren.

Reni
6 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Stimmt! Seit Jahrzehnten handelt es sich bei der sog. Gleichstellung um pure Mädchen- und Frauenförderung und die Gleichstellungsbeauftragten sind allesamt Frauen.
Komisch, dass gegen diese offensichtliche Benachteiligung die Männer nie protestieren und Eltern sich auch kaum stark machen für ihre Söhne in den Schulen.
Im Gegenteil, im Moment läuft läuft mal wieder eine große Empörungswelle gegen die angeblich so sexistischen Männer. Dass viele Frauen diesbezüglich kaum besser und ebenfalls übergriffig sind, wird niemals erwähnt, geschweige denn thematisiert.
Als Frau ist mir der Mitleidsrummel ums weibliche Geschlecht langsam peinlich. Warum schweigen die Männer nur so demütig und hauen nicht auch mal auf die Pauke? Für mich sind sie längst das „schwache Geschlecht“.