Islamischer Religionsunterricht: Lorz setzt türkischen Verband Ditib jetzt unter Druck – GEW begrüßt das

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WIESBADEN. Zweifel an einer reibungslosen Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband gibt es schon länger. Um auch künftig mit ruhigem Gewissen islamischen Religionsunterricht an Hessens Schulen anbieten zu können, setzt Kultusminister Lorz Ditib nun unter Druck. Die GEW Hessen sieht ihre Sorge vor einer möglichen Einflussnahme des türkischen Staats nach einem Gutachten als bestätigt an.

ucht händeringend Grundschullehrer: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: Hesssisches Kultusministeriums
Setzt Ditib unter Druck: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: Hesssisches Kultusministeriums

Die hessische Landesregierung stellt die Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband Ditib beim islamischen Religionsunterricht auf den Prüfstand. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) verlangt von den Ditib-Verantwortlichen, die Unabhängigkeit vom türkischen Staat zu beweisen. Es lägen zwar keine Nachweise für eine konkrete Einflussnahme vor, sagte der Minister am Dienstag in Wiesbaden. Gerade vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung und wegen der institutionellen Verbindung mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet gebe es aber eine abstrakte Gefährdung.

Der Landesverband soll nun sicherstellen, dass professionelle Verwaltungsstrukturen gebildet werden und in den Gremien neutral handelnde Personen sitzen. Die Auflagen des Landes sehen ferner den Aufbau eines Mitgliederregisters vor. Ditib hat zwölf Monate Zeit, die Vorgaben des Landes umzusetzen. Sollten diese nicht bis Ende nächsten Jahres erfüllt werden, endet die Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband. Einen islamischen Religionsunterricht werde es aber auch dann weiter an Hessens Schulen geben, versicherte Lorz.

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Der Kultusminister stützt sich bei seinem Vorgehen auf die Erkenntnisse von drei Gutachtern. Der Staatsrechtler Josef Isensee erklärte, Ditib Hessen sei von der Organisationsstruktur weisungsabhängig vom Bundesverband und der türkischen Religionsbehörde. Diese Weisungsbefugnisse, die auch Personal- und Sachentscheidungen umfassen, müssten unterbrochen und die finanzielle Eigenständigkeit des Landesverbandes erreicht werden. Es gehe aber nicht darum, die Verbindungen zum türkischen Staat zu kappen.

Es habe bereits mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes, Salih Özkan, Kontakt gehabt und dieser habe zugesagt, die Auflagen erfüllen zu wollen, sagte der Minister. Um das zu überprüfen, sollen aber ab sofort auch vermehrt unangekündigte Unterrichtsbesuche vorgenommen werden. Sollte es im nächsten Jahr bereits Hinweise auf Einflussnahmen der Moscheegemeinde auf den von staatlichen Lehrkräften erteilten Unterricht oder auf die Pädagogen selbst geben, werde es auch schon vor Ende der Frist Konsequenzen geben.

Der Schulalltag in Hessen soll von den Vorgängen jedoch nicht betroffen sein, kündigte Lorz an. Der islamische Religionsunterricht werde an den bisherigen Schulstandorten in den Jahrgangsstufen eins bis fünf und zum Schuljahr 2018/19 auch in der Jahrgangsstufe sechs fortgesetzt. Die Ausweitung des Unterrichts über die Jahrgangsstufe sechs hinaus und die weitere Fortsetzung des vorhandenen Unterrichtsangebots hängen davon ab, ob die Auflagen des Landes erfüllt werden. Möglicherweise werde es künftig ein alternatives Unterrichtsangebot geben.

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Seit dem Schuljahr 2013/2014 gibt es islamischen Religionsunterricht in Hessen. Neben dem Unterrichtsangebot von Ditib wird dieser auch in Kooperation mit der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft angeboten. Im laufenden Schuljahr besuchen laut Ministerium insgesamt rund 3300 Schüler an 56 Grundschulen und zwölf weiterführenden Schulen die bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichte. Die Kooperation mit Ahmadiyya soll unabhängig von der weiteren Entwicklung mit Ditib weiterlaufen.

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Die GEW-Vorsitzende Birgit Koch begrüßte die Auflagen und betonte, nun liege es an dem Moscheeverband, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Nach ihren Angaben gab in den bislang vier Jahren des islamischen Religionsunterrichts durchaus problematische Fälle der versuchten Einflussnahme, die von einzelnen Kollegen an die Gewerkschaft herangetragen worden seien. Die GEW hoffe, dass die Einschätzung der Gutachter zutreffend sei und tatsächlich kein System dahinter stehe. schaffen. „Es ist nun an Ditib, verlorengegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Sollte das nicht gelingen, kann Ditib nicht länger Kooperationspartner für den islamischen Religionsunterricht sein“, so heißt es in einer Pressemitteilung der GEW.

Auch die Frankfurter Islam-Forscherin Susanne Schröter mahnte: «Der Landesverband muss jetzt klar seine Unabhängigkeit sowohl von Köln als auch von Ankara deutlich machen.» Der hessische Verband sei der einzige mit einem Landeskoordinator, der als eine Art Kontrolleur des Bundesverbands mit Sitz in Köln fungiere. Sich von ihm zu lösen, sei ein erster wichtiger Schritt. Ein weiterer Schritt sei die Änderung der Satzung. «Dort ist festgeschrieben, dass die Religionsbehörde Diyanet Mitspracherecht bei Entscheidungen hat. Es passiert nichts, was Ankara nicht absegnet.»

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, warf der Landesregierung vor, ihre Entscheidung auf die Zeit bis nach der Landtagswahl zu vertagen. Das zeige, dass Schwarz-Grün Angst vor der Verantwortung habe. Der FDP-Schulexperte Wolfgang Greilich forderte die Koalition auf, parallel zu den angekündigten Schritten erneut den runden Tisch einzuberufen, um den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht auf ein breiteres und weiterhin rechtsstaatlich abgesichertes Fundament zu stellen. Auch Greilich kritisierte, dass die Entscheidung bis nach der Wahl herausgezögert werde.

Die Linken-Migrationsexpertin Gabi Faulhaber gab zu Bedenken, dass neben der Einflussnahme des türkischen Staates über den islamischen Religionsunterricht noch eine viel ausgeprägtere Gefahr für den Schulalltag durch den herkunftssprachlichen Unterricht bestehe. Dabei entsende unmittelbar das türkische Bildungsministerium Lehrkräfte, die hessische Schüler unterrichteten. Auch bei dem Angebot müsse es zu einem Umdenken des Landes kommen. dpa

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OMG
6 Jahre zuvor

….und Druck aus Wiesbaden. Fällt was auf?