Neue Philologen-Chefin zu IGLU und PISA: „Genug gejammert, Zeit zu handeln: Berufsbegleitende, nachhaltige Lehrerfortbildungen sind notwendig!“

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BERLIN. „Spätestens seit TIMSS wissen wir: Wir brauchen gute und nachhaltige Lehrerfortbildung! Das bestätigt jede PISA- und auch die aktuelle IGLU-Studie. Seit mehr als 20 Jahren sind die Länder aufgerufen, Lehrerfortbildung in ausreichendem Maße sowie in guter Qualität bereitzustellen und es den Lehrkräften zu ermöglichen, unkompliziert daran teilzunehmen! Das ist nicht passiert!“, sagte die neue Bundesvorsitzende des Philologenverbands, Prof. Susanne Lin-Klitzing.

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, neue Bundesvorsitzende des Philologenverbands. Foto: Hessischer Philologenverband
Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, neue Bundesvorsitzende des Philologenverbands. Foto: Hessischer Philologenverband

„Gute Lehrerfortbildungen zeichnen sich durch eine Verschränkung von Input, Erprobung, Reflexion und Rückmeldungsphasen aus – und müssen sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Wirksam sind gute Fortbildnerinnen und Fortbildner, durchdachte Konzeptionen unterschiedlicher Maßnahmen, die Nutzung des Gelernten von den Lehrkräften im Schulkontext und die Überprüfung“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. Ressourcen, Konzepte und Evaluation täten Not, „damit wir wissen, ob und was auf Lehrpersonen, ihren Unterricht und das Lernen der Schülerinnen und Schüler wirklich wirkt“.

Der Vorstoß von Lin-Klitzing, die vergangene Woche zur neuen Bundesvorsitzenden des Philologenverbands gewählt wurde, fällt in eine Zeit hitziger Diskussionen um Lehrmethoden insbesondere in der Grundschule.

Lin-Klitzings Amtsvorgänger, der jetzige Präsident des Deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter  Meidinger, hatte noch am Mittwoch betont, dass bei den schlechten IGLU-Ergebnissen eine „verfehlte Rechtschreibdidaktik in einer Reihe von Bundesländern“ eine gewichtige Rolle spiele. Es gebe klare Erkenntnisse, dass die Methode „Lesen durch Schreiben“ vor allem leistungsschwache Kinder besonders benachteilige und die Leistungsschere erst recht aufgehen lasse. Er forderte die Bundesländer zu Konsequenzen auf – schon in der Vergangenheit hatte es Forderungen des Philologenverbands gegeben, die unter „Schreiben wie Hören“ oder „Lesen durch Schreiben“ bekannte Methode des Reformpädagogen Jürgen Reichen zu verbieten. Meidinger ist für seine Vorwürfe gegenüber den Grundschulen wiederum vom VBE massiv kritisiert worden.

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Streit um die IGLU-Studie – VBE-Landeschef Brand weist Meidingers Kritik an den Grundschulen zurück

Hier setzt Lin-Klitzing nun einen neuen Akzent. Tatsächlich scheint die Lehrerfortbildung in Deutschland stark verbesserungsfähig zu sein. Wie eine repräsentative Umfrage des Instituts Forsa unter Mathematik- und Naturwissenschaftslehrkräften im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung ergab, nehmen Lehrer in Deutschland zwar oft und engagiert an Fortbildungen teil – nur: Sie scheinen kaum etwas zu bringen. In der Praxis kommt offenbar wenig von dem Gelernten an. Nur knapp ein Viertel der Befragten gab an, dass sie Inhalte der letzten Fortbildung umfassend in den eigenen Unterricht überführen konnten.

„Nach wie vor sind Fortbildungen meist einmalige Impulse, die Teilnehmenden besuchen sie allein und fern der eigenen Schule. Das widerspricht jedoch völlig aktuellen  wissenschaftlichen Erkenntnissen über Erfolgsfaktoren für die professionelle Weiterentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern“, erklärte Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung, bei der Präsentation der Ergebnisse.

Umfrage: Lehrer besuchen viele Fortbildungen – aber die bringen für den Unterricht wenig

Was ist laut Lin-Klitzing jetzt zu tun? „Der Deutsche Philologenverband fordert die Kultusminister der Bundesländer auf, kluge und effiziente Bündnisse zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultus zu schmieden, um guten Unterricht, moderne Fachinhalte als Gegenstand von Fortbildung, aber auch die Überprüfung der Wirksamkeit verschiedener Formate von  Lehrerfortbildung voranzubringen. Für bessere Bildung unserer Schülerinnen und Schüler müssen unsere hoch motivierten Lehrkräfte für Lehrerfortbildungen freigestellt werden: Lehrkräfte brauchen gute und umsetzbare Lehrerfortbildungen sowie ausreichend Zeit, diese wahrzunehmen!“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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Wilma Pause
6 Jahre zuvor

Ich habe in den Jahren 2009-2017 allein an sieben Fortbildungen teilgenommen, die sich allesamt um das Thema „Implementierung von Bildungsstandards und Kerncurricula“ drehten. Na, fällt was auf?

ysnp
6 Jahre zuvor

Meint sie jetzt die Lehrerfortbildungen an den Gymnasien, für die sie zuständig ist oder die der Grundschule?
Da ja schon wieder die Reichenmethode erwähnt wird, es nervt! Irgendwann hat man sich einmal etwas eingebildet und kapiert nicht, dass es eben anders sein könnte. Hat Frau Lin- Klitzing je in einer Grundschule unterrichtet oder einmal quer übers Land in Grundschulen hospitiert? Ansonsten verweise ich auf die unzähligen Kommentare hier zum selben Thema! Schauen wir doch einmal umgekehrt hin: Machen Grundschullehrer dies ebenso, dass sie ständig wissen zu meinen, was die Gymnasien falsch machen?
Kein Realschulverband und keine Interessensvertretung der Hauptschulen würde sich das herausnehmen!

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

YSNP
Welcher Grundschullehrer würde denn Lesen durch Schreiben und dessen Abarten des Spracherfahrungsansatzes nach Brügelmann hier offensiv verteidigen.
Die postulierten 3 % sind einfach lächerlich niedrig angegeben und entsprechen nicht der Wirklichkeit.

Allein hier im Ort ist die Methode in jeder Grundschule, ebenso wie in benachbarten Orten und Münster stark vertreten. Meist erfolgt dies in einer Methodenmischung mit Anlaut-Tabellen zur „Förderung“ des phonologischen Bewusstseins.
Und da zerlegen die Schüler die kleinste Einheit der Sprache, die Silben, noch einmal in Unterlaute, die sie dann wieder auflautierend schriftlich verschleifen sollen.
Und in den fachdidaktischen Hinweisen des Kultusministerium Düsseldorf für Grundschullehrer wird diese Methode mit den Anlaut-Tabellen auch beschrieben und als Mittel zum Schrifterwerb nach Brinkmann empfohlen (Vier-Säulen-Modell).
In den fachdidaktischen Hinweisen des Landes NRW wird gefordert „richtig schreiben“ vom ersten Schultag an durch Förderung der eigenständigen Schreibmotivation zu stärken.
In Klammern gesetzt wird richtiges Schreiben , um auszudrücken das diese Schüler eigenständig den Weg zum Schreiben finden sollen, was falsche Schreibungen einschließt, dass diese bewusst in Kauf genommen werden und gefördert werden, um über diese Schreibungen dann irgend wann, durch einen sukzessiven, eigenständigen Gewinn orthographischer Kenntnisse, zu den richtigen Schreibweisen zu gelangen.

Des weiteren soll mit der Anlaut-Tabelle freies Schreiben vom ersten Tag an gefördert werden,
um eine Schreibmotivation zu fördern und zu erhalten.
Außerdem sollen orthographische Hypothesen vom Schüler postuliert werden und durch lautgetreues Schreiben ausgetestet werden.
Also wird doch hochoffiziell vom Kultusministerium in Düsseldorf der Spracherfahrungsansatz nach Brügelmann bzw. LDS vorgegeben.
Auch der der Buchstabe der Woche gehört zum Repertoire dieses verschrobenen, eigenständigen Schriftspracherwerbs.
Willkürlich werden die verschiedenen Buchstaben ohne eine Systematik erlernt, auf Laute untersucht und seitenweise verschriftlicht.
Es handelt sich um eine Pädagogik aus dem 16.Jahrhundert, als es noch keine deutschen Schulen gab und es noch kein strukturiertes, orthographisches Schriftsystem unserer Sprache gab.
Ohne eine strukturierte Vermittlung der Grapheme sollen sich die Schüler selbstständig die Schriftsprache und das Lesen beibringen.
Die Schülern sollen selbstständig eigene Wörter in Wortkästchen sammeln, Verwendungsformen der Schrift, wie Bilder beschriften, Einkaufszettel schreiben,eigenständig Briefe und Merkzettel schreiben.
Es ist eben das Vier-Säulen-Modell der Frau Prof. Brinkmann, das hier vorgegeben wird.
Wo findet hier eine strukturierte Verrmittlung des Lesens und Schreibens statt.
NRW ist zu Recht am unteren Ende der Werte-Skala angekommen.

dickebank
6 Jahre zuvor

Der DPhV soll sich um seine eigene Klientel kümmern. Jeder ordentliche Beamte prüft erst einmal räumliche und sachliche Zuständigkeit. Zum zweiten Teil der Prüfung ist die Dame in ihrem Übereifer aber nicht mehr gekommen.

Aber so ist das innerhalb von Behörden, jeder daher gelaufene StR sieht sich in der Lage Lehrern des gD etwas zu sagen. Das mag aufgrund der bestehenden Hierarchie zwar noch in Ordnung sein, nur die Weisheit mit Löffen gefressen hat der hD nun auch nicht. Und Bediensteten anderer Dienststellen gegenüber ist nur deren Dienststellenleiter weisungsbefugt.

OlleSchachtel
6 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Ganz Ihrer Meinung Dicke Backe. Die Herrschaften Philologen mögen sich bitte um Ihren eigenen Job kümmern. Dort tummelt sich nämlich ganz klar die größere Masse an Fortbildungsbedürftigen. Ein Tipp: Pubertiere und der Umgang mit ihnen. Oder: Wie bereite ich meinen Unterricht neu auf, wenn die Kinder meiner ehemaligen Schüler vor mir sitzen und meine alten Klassenarbeitem noch besitzen.
Oder: Schulrecht: Wie viel Klassenarbeiten in einer Woche sind erlaubt?; Darf ich wochenlang mit meinen Schülern Filme sehen oder muss ich sie etwa auch unterrichten? Oder…..

Ansonsten empfehle ich ein 3 monatiges Schnupperpraktikum bei uns verlotterten unfähigen Grundschullehrern.

Küstenfuchs
6 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Sie scheinen hier an wirklichen Minderwertigkeitskomplexen zu leiden. Es geht doch hier gar nicht um den PhV, um Grundschullehrer oder einzelne Gruppen, so dass ihr Beissreflex völlig unangebracht ist. Prof. Lin-Klitzing fordert doch nur, dass Lehrerforbildungen sowohl eine gewisse Qualität haben als auch vernünftig ausgewertet werden müssen. Sie bezieht sich da auch ausdrücklich nicht auf eine Lehrergruppe („Das bestätigt jede PISA- und auch die aktuelle IGLU-Studie“)

Wo ist da der Kritikansatz?

Es ist doch unbestritten, dass gute und sinnvolle Fortbildungen, die es bisher kaum gibt, während der Arbeitszeit (was auch zu selten vorkommt) bei den wachsenden Veränderungen im Berufsfeld aller Lehrergruppen ein entscheidender Schritt nach vorne sein sollten.
Und was Sie, Olle Schachtel, über den Unterricht am Gymnasium so von sich geben, mag vielleicht im Einzelfall so sein, aber es zu verallgemeinern zeugt von Dummheit. Es gibt übrigens auch Grundschullehrer, die erbärmlich schlechten Unterricht machen. Sie mögen das nicht glauben, aber es ist tatsächlich so.

sofawolf
6 Jahre zuvor

Ich halte wenig von immer neue und längeren Fortbildungen. Wir haben alle eine Ausbildung. Das Problem ist nicht, dass wir nicht wissen, wie es geht, sondern dass wir nicht dazu kommen, es ein- und umzusetzen. Was am meisten fehlt, ist Zeit !!!

Dass hier und da und dort (an allen Schularten) von manchem eine mehr oder weniger passende Methode eingesetzt wird, sehe ich nicht als Hauptproblem. Ein guter Lehrer merkt sowieso, was funktioniert und was nicht und ändert dann sein Vorgehen entsprechend.