Von wegen friedlicher Advent: Wie eine Grundschule plötzlich zur Zielscheibe einer rechten Hetzkampagne wird

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BERLIN. Das Winterfest hat an dieser Grundschule seit Jahren ebenso Tradition wie die Adventsfeier. Doch plötzlich sieht sich der Schulleiter rechten Anfeindungen ausgesetzt – und muss sich fragen, wie er die Sicherheit seiner Schüler garantieren kann.

Besinnliche Vorweihnachtszeit? Foto: pixabay

„Ich hatte natürlich Angst, die Mails klangen schon bedrohlich“, sagt der Schulleiter einer Grundschule in Deutschland. Sein Name soll an dieser Stelle nicht genannt werden. Er möchte weder für weitere Provokationen sorgen, noch die Kinder und Eltern seiner Schule beunruhigen. Nennen wir ihn deshalb Torsten Müller.

Ein Jahr ist die ganze Geschichte inzwischen her. Letztes Jahr im Advent bekam Torsten Müller plötzlich Mails unbekannter Absender, in denen ihm vorgeworfen wurde, er hätte die deutsche Kultur aufgegeben und das christliche Weihnachtsfest einfach ersetzt. „Rückhaltlos“ war noch das netteste Wort, mit dem er bezeichnet wurde. Ein Anruf war dann der Höhepunkt der Anfeindungen. „Der Anrufbeantworter hat alles aufgezeichnet“, erzählt Torsten Müller, „ich wurde aufgefordert auswandern, dorthin zu gehen, wo die Muslime herkommen.“ Der Anruf gipfelte in wüsten Beschimpfungen.

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Danach schaltete Torsten Müller die Polizei ein, die die Mails und den Anruf zurückverfolgten – sie stammten aus anderen Bundesländern, aus dem Ruhrgebiet und dem Osten Deutschlands. „Das hat mir Sorgen gemacht“, gibt Torsten Müller. Zwar richteten sich die Mails und Vorwürfe konkret gegen ihn als Schulleiter aber trotzdem stellte er sich immer wieder die Frage: Was, wenn zum Winterfest wirklich Rechtsradikale anreisen, um Ärger zu machen? „Schließlich ist unser Winterfest eine öffentliche Veranstaltung“, so Müller.

Kommunikation im Kollegium

Die andere Frage: Was und wie wird nach außen kommuniziert? „Ich habe kein Redeverbot erteilt, aber nur einen kleinen Kreis davon unterrichtet“, erzählt Torsten Müller von seinem Vorgehen. Der kleine Kreis, das waren sein Stellvertreter, der Personalrat, der Hausmeister und der Elternrat.

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„Ich wollte Angst vermeiden – genauso wie Diskussionen, ob wir das Winterfest doch besser abschaffen sollten“, so Müller. Die Eingeweihten waren sich schnell einig: In dieser Situation muss die Schule Haltung zeigen. „Der Tenor bei allen war: Wir machen das Winterfest“, erzählt Torsten Müller und es schwingt ein „jetzt erst recht“ mit, während er das sagt.

Wichtig sei ihm aber natürlich auch gewesen, für ein gesichertes Setting zu sorgen. Deshalb war die Polizei während des ganzen Winterfestes in Bereitschaft gewesen. Außerdem hatte sich Torsten Müller um eine Supervision bemüht und mögliche Szenarien mit seinen Vertrauten durchgesprochen.

Zurück zur Normalität

Das Winterfest konnte letztendlich ohne Zwischenfälle und Probleme stattfinden. Die Schülerinnen und Schüler und ein Großteil der Eltern hatte von den Befürchtungen der Schulleitung nichts mitbekommen. Im Nachhinein wirkt die Situation surreal. Und Torsten Müller fragt sich, wie es überhaupt dazu kommen konnte. „Es passt natürlich zum gesellschaftlichen Klima“, meint der Schulleiter rückblickend, „die Stimmung war auch bei uns im Stadtteil ziemlich aufgeheizt.“ In dieser Stimmung war es scheinbar ein Leichtes, einfach zu behaupten, eine Grundschule schaffe das Weihnachtsfest zugunsten eines Winterfestes ab, um es den muslimischen Eltern recht zu machen.

„Ich kann natürlich nur vermuten, woher diese Infos kamen“, so Torsten Müller, „aber ich denke, es war niemand, der unsere Schule gut kennt.“ Vielleicht waren es Eltern, die überlegt habe, ihr Kind an dieser Grundschule anzumelden. Ein Vater oder eine Mutter hat dann beim Besuch der Schule das Plakat zum Winterfest fotografiert und ins Internet gestellt.

Torsten Müller hofft, dass so etwas dieses Jahr nicht mehr passieren wird. „Wir haben inzwischen hoffentlich alle durch unsere gute Arbeit überzeugt.“ Er wünscht sich einfach eine ruhige und besinnliche Adventszeit – mit vielen Gründen zu feiern. Agentur für Bildungsjournalismus

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8 Kommentare
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Cavalieri
6 Jahre zuvor

Das mit dem Winterfest ist in Berlin schon länger ein Zankapfel:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/winterfest-statt-weihnachtsmarkt-religionsstreit-in-kreuzberg/8666628.html

Man hat mal einen Weihnachtsmarkt in Winterfest umbenannt und das Ramadan-Fest in Sommerfest. Der Haken dabei: Sommerfeste gab’s schon vorher jede Menge (auch Parteien und Kirchengemeinden feiern Sommerfeste), aber „Winterfest“ ist ein neues Wort im deutschen Sprachgebrauch.
Eins wird aber nicht gehen: Die Weihnachtsferien können keine Winterferien werden, denn Winterferien gibt’s schon im Februar (nicht überall).
Man fragt sich auch, ob in islamischen Ländern jemals irgendwelche Feste mit Rücksicht auf die dort lebenden Christen umbenannt werden können oder ob das undenkbar ist.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Sie müssen aufpassen, dass Ihre (versteckte) Kritik an der Umbenennung des Weihnachtsmarktes in Wintermarkt nicht als rechtsradikaler Ausländerhass ausgelegt wird. Von mir natürlich nicht, weil die, die damit Probleme haben (also sowohl mit dem Namen Weihnachtsmarkt als auch mit Kritik an der Umbenennung in Wintermarkt), gerne auswandern dürfen.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Na, haben sich die beiden Fremdenfeinde hier wieder zusammengefunden? Machen Sie doch einen Club der Xenophobiker auf. Andererseits, den gibt’s ja schon: die AfD.

Das Thema des Beitrags ist allerdings nicht, da haben Sie Ihre gedankliche Reflexe mal wieder irregeleitet, die blöden Migranten/Muslime/Migrantenfreunde. Das Thema des Beitrags ist, dass eine Rechtsradikalen-Kampagne eine Schule wegen ihres traditionellen (!) Winterfestes versucht, einzuschüchtern. Hier wurde gar nichts umbenannt.

mestro
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Ihre beiden letzten Sätze hätten zur Klarstellung in der Sache und diesbezüglicher Kritik an den Vorgängerkommentaren genügt.
Die diffamierende Eingangsfrage war hingegen wieder reine Beschimpfung, die auch Ihnen endlich mal durch die Redaktion untersagt werden sollte.

mestro
6 Jahre zuvor
Antwortet  mestro

Nichts gegen Sportlichkeit, aber was ist an Cavalieris Ausgangskommentar so ausländerfeindlich, dass der Mann als Fremdenfeind beschimpft werden muss?

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  mestro

Der historische Cavalieri war übrigens ein Jesuatenmönch im 16. Jahrh., für seine Zeit aber fortschrittlich und vielseitig. Die Jesuaten sind nicht mit den Jesuiten zu verwechseln.

Wayne_Youcts
6 Jahre zuvor

Die zynische Haltung und das entsprechende Vorgehen der Redaktion in Fällen wie diesen wurde in den Foren schon oft kritisiert. Das Problem ist, dass manche Personen, vor allem diejenigen, die sich moralisch (immer und grundsätzlich) im Recht sehen, völlig kritikunfähig sind – mehr noch, sie glauben, noch einmal nachlegen und austeilen zu dürfen und zu müssen, weil sie ja die Moral und Menschenrechte vermeintlich verteidigen.
Die Diskussion mit solchen Personen lohnt sich aus den genannten Gründen nicht, sie werden ihr Verhalten nicht ändern, sondern eher solch lästige Beiträge löschen.