„Zur Befriedung der CDU-Fraktion geopfert“: Ex-Philologenchef Haubitz nach nur acht Wochen als Kultusminister gefeuert

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DRESDEN. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sein Kabinett mit vier neuen Ministern vorgestellt. Für eine Überraschung sorgte die zweite Umbesetzung an der Spitze des Kultusministeriums innerhalb von nur acht Wochen: Der parteilose Frank Haubitz, bis vor seiner Berufung an die Spitze des Bildungsressort Schulleiter und sächsischer Landeschef des Philologenverbands, wurde durch den bisherigen parlamentarischer Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Christian Piwarz, als neuer Kultusminister ersetzt.

Hat die CDU-Fraktion in Sachen Verbeamtung hinter sich gebracht: Frank Haubitz. Foto: Sächsisches Kultusministerium / Christoph Reichelt
Hatte kaum Zeit, sein Arbeitszimmer im Kultusministerium einzurichten: Frank Haubitz. Foto: Sächsisches Kultusministerium / Christoph Reichelt

Der erneute Wechsel an der Spitze des Kultusministeriums kam für viele überraschend – so auch für die oppositionellen Grünen. «Dass Frank Haubitz nach nur acht Wochen nicht erneut berufen wird, macht deutlich, wie schwer es Quereinsteiger in der sächsischen CDU-Politik haben», sagte Fraktionschef Volkmar Zschocke.

Haubitz hatte gleich zum Start seines nun abrupt geendeten Engagements für Irritationen bei der Landesregierung gesorgt, weil er sich – offenbar nicht abstimmt mit dem scheidenden Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) – in einem persönlichen Brief an die Schulleiter für eine weitgehende Verbeamtung fast aller Lehrer im Freistaat ab 2019 ausgesprochen hatte. Der Sächsische Lehrerverband zeigte sich begeistert, die CDU weniger. Lediglich Neulehrer sollen künftig in Sachsen wieder verbeamtet werden, beschloss die Fraktion in der vorvergangenen Woche. Dass sie sich dabei von Haubitz überfahren fühlte, machte ein Statement von Fraktionschef Frank Kupfer deutlich. Es sei eine schwere Entscheidung für seine Abgeordneten gewesen, erklärte er, weil sie über 27 Jahre lang aus guten Gründen eine Verbeamtung  von Lehrern in Sachsen abgelehnt hätten. „Suboptimal“, so nannte Kretschmer den Vorstoß von Haubitz.

„Skandalöser Umgang“

Der neue Ministerpräsident habe den 59-Jährigen Haubitz denn auch jetzt „zur Befriedung der CDU-Fraktion geopfert“, meinte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Steffen Pabst. „Wie Berufspolitiker mit einem Experten für Schule und Unterricht umgehen, ist skandalös!“ und trage „sicher nicht zum Abbau der Politikverdrossenheit“ bei. In seiner kurzen Amtszeit habe Haubitz mit seinem «hartnäckigen und konsequenten Einsatz für die Belange der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer» und seinen Ideen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs wichtige Impulse im Kampf gegen den Lehrermangel gesetzt. Pabst forderte den neuen Kultusminister Christian Piwarz (CDU) auf, die Vorhaben seines Vorgängers zügig umzusetzen. «Es darf nun kein Zurück in Zeiten sächsischer Selbstgefälligkeit geben», mahnte Pabst.

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Haubitz hatte auch an anderer Stellle die Lehrer entlasten wollen – so bei der schriftlichen Bildungsempfehlung, die bislang für jeden Viertklässler verfasst werden muss. Diese Verpflichtung wollte Haubitz streichen. Er gehe davon aus, dass alleine dadurch für jeden Grundschullehrer bis zu zehn Stunden Arbeit entfielen, meinte er. Darüber hinaus wollte Haubitz die Digitalisierung der sächsischen Schulen vorantreiben.

Der neue Kultusminister hat bislang keine Kompetenz in der Bildungspolitik gezeigt – dafür ist Christian Piwarz als parlamentarischer Geschäftsführer und ihr stellvertretender Vorsitzender fest in der CDU-Fraktion verankert. Der 42 Jahre alte Dresdner sitzt seit 2006 im Landtag. Seit 2004 ist der verheiratete zweifache Vater als selbstständiger Rechtsanwalt zugelassen. Vor seiner Abgeordnetentätigkeit war Piwarz ein Jahr lang als Referent in der Staatskanzlei. Von 2003 bis 2009 wirkte er als Vorsitzender der Jungen Union Sachsen und Niederschlesien.

Trotz des Ausscheidens von Haubitz bleibt im schwarz-roten Kabinett Kretschmers eine ehemalige Führungskraft eines Lehrerverbands erhalten: Eva-Maria Stange (60) ist und bleibt Wissenschaftsministerin von Sachsen. Die frühere Lehrerin arbeitete zu DDR-Zeiten im Hochschuldienst bei der Lehrerausbildung. Nach der Wende leitete sie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Sachsen, von 1997 bis 2005 übte sie das Amt als Bundesvorsitzende der GEW aus. Stange ist in der sächsischen SPD eine wichtige Stimme. Sie gilt in ihrem Ressort als ausgewiesene Fachfrau und erwarb sich damit Anerkennung über die Fraktionsgrenzen hinaus. Der ehemalige Philologen-Landesvorsitzende Haubitz bekam diese Chance nicht. N4t / mit Material der dpa

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Cavalieri
6 Jahre zuvor

Fachleute sind eben in der Politik nicht mehr erwünscht. Sie haben nicht die parteipolitisch richtige Linie verinnerlicht und sind auch sonst nicht unterwürfig genug. Im Umkehrschluss leiten dann Leute die Ressorts, die zum Teil eben keine Ahnung von ihrem Ressort haben, aber gut schwätzen können und in der Partei die richtigen Beziehungen haben. Und genau dewegen ist unsere Schulpolitik so wie sie ist: suboptimal.

Conny
6 Jahre zuvor

Menschlicher Anstand hat es in der Politik schwer. Erst heißt es, dass die Berufung von Haubitz zwischen altem und designiertem Ministerpräsidenten abgestimmt ist und dann schickt der neue den frisch ernannten nach 8 Wochen in die Wüste. Gleichzeitig dankt er ihm genau für die Vorstöße, die in der CDU-Landtagsfraktion für die Forderung nach Ablösung gesorgt haben.
Herr Haubitz kann nicht mehr an seine Schule zurück, im Verband wurde er bereits abgelöst,- er steht wie ein begossener Pudel da! Die Botschaft an alle potenziellen politischen Quereinsteiher und Fachexperten kann nur heißen: Halte Dich von diesem anstands- und rücksichtslosen Politikgeschäft fern! Für ehrliche Sacharbeit und echtes Expertentum ist da kein Platz.

Grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Herr Haubitz war ein ausgewiener Fachmann, den nun leichtfertig „gegangen wurde“. Sachsen ist mit seinen vielen Seiteneinsteigern in den Schuldienst im Begriff abzurutschen. Herr Haubitz hatte gute Vorschläge, diese Entwicklung aufzuhalten. Ich bin sehr skeptisch mit Blick darauf, was jetzt kommen wird.

Grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Korrigiere: Herr Haubitz war ein ausgewiesener Fachmann, der nun leichtfertig „gegangen wurde“.

Marcel Nickel
6 Jahre zuvor

Erinnert doch sehr stark an weiß blauen Politikfilz, aber erstaunt über Wahlergebnisse wundern, weiter so. Woher kommt nur diese Politikverdrossenheit? Aufwachen, genau durch solche Aktionen entsteht sie und breitet sich aus.

Pälzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  Marcel Nickel

Politikverdrossenheit bewirkt doch, dass Leute nicht mehr wählen. Heuer aber wählen sie ja, nur …

Grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Sachsen hätte einen Aufbruch im Bildungssystem gebraucht! Eine Bekannte arbeitet als GS-Lehrerin in Chemnitz. An vielen Schulen herrscht totales Chaos! Die Kollegien stehen vielerorts vor dem Zusammenbruch. Viel zu lange wurde vom Finanzminister ein irrwitziges Spardiktat durchgezogen – gegen den Willen der Bevölkerung.